Rund 100 Menschen stehen vor einer Klinik in der Mittagspause und protestieren gegen schlechte Arbeitsbedingungenund das agieren ihrer Klinikleitung.
Mit Trillerpfeifen, Plakaten und viel Wut im Bauch: Mehr als 120 Klinikbeschäftigte kamen in ihre Mittagspause am Montag zusammen und sprachen sich laut für einen neuen Tarifvertrag aus. Der letzte stammt aus dem Jahr 20216. Bildrechte: Kathrin König

Arbeitskampf Es brodelt intern: Median-Beschäftigte in Bad Gottleuba wollen neuen Tarifvertrag

21. Oktober 2024, 19:38 Uhr

2016 gab es zuletzt einen Tarifvertrag für die Beschäftigten der Median-Klinik in Bad Gottleuba. Nach acht Jahren finden viele Mitarbeitende und die Gewerkschaft Verdi, dass es Zeit für einen neuen Tarifvertrag wird. Bei einer Protestaktion kamen etliche Vorwürfe und viel Unmut gegen die Klinikleitung auf. Von Angst schüren, Druck und Unternehmensführung wie vor 100 Jahren war die Rede. Die Klinik-Leitung weist all das von sich.

Die Glocke auf dem Turm des Klinikgebäudes in Bad Gottleuba schlägt zwölf Uhr. In der Mittagssonne stehen rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik im Halbkreis. Weitere Kollegen kommen dazu. Applaus und Jubel schallt ihnen zur Begrüßung entgegen - damit ist es vorbei mit der Ruhe am Park in der Oktobersonne. "Wir stellen um, von leise auf laut!", ruft Nora Glaser von der Gewerkschaft Verdi.

Pfiffe aus Trillerpfeifen und Jubel bekommt die Gewerkschaftssekretärin aus dem Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft zur Antwort. Die "aktive Mittagspause" wollen die Median-Mitarbeiter und die Gewerkschaft als Protest gegen die Klinikleitung verstanden wissen. Sie verlangen ab 2025 einen neuen, fairen Tarifvertrag - und keine Einzellösung ohne Gewerkschaftsbeteiligung.

Letzter Tarifvertrag von 2016

Im Jahr 2016 wurde zuletzt ein Tarifvertrag für diese Klinik festgelegt und nicht weiterentwickelt, erzählt der Therapeut Alexander Hentschel. Er erinnert sich an die motivierte Stimmung in den ersten Jahren danach im Haus. Davon sei heute nichts mehr zu spüren. "Es brennt intern lichterloh. Viele fühlen sich total überlastet, die Krankmeldungen steigen. Langjährige Mitarbeiter haben schon gekündigt, Stellen werden bewusst nicht nachbesetzt oder es findet sich kein Personal."

Wir erleben seit Mai 2024, seitdem ein neuer kaufmännischer Leiter da ist, dass der Druck deutlich erhöht wird. Es wird ausschließlich auf Zahlen geguckt. Das ist nicht mehr hinnehmbar.

langjährige Klinik-Mitarbeiterin möchte anonym bleiben

Hentschel ist auch Betriebsrat und ärgert sich darüber, dass er eigentlich kündigungswilliges Personal halten und umstimmen sollte. Aber: "Die, die kündigen, wollen gar nicht bleiben." Besonders im Bereich der Pflege würden Klinikbeschäftige Entlassungen fürchten.

Ein Mann steht mit Verdifahnen und einem Plakat vor einer Klinik in der Mittagspause und protestiert gegen schlechte Arbeitsbedingungenund das Agieren ihrer Klinikleitung.
Alexander Hentschel arbeitet seit 2017 in der Bad Gottleubaer Klinik und hat schon viele Chefs kommen und gehen sehen. Nach acht Jahren finden viele seiner Kollegen, es sei höchste Zeit für einen neuen Tarifvertrag und mehr Einkommen. Sie wollen keine Einzellösungen. Bildrechte: Kathrin König

Angestellte fühlen sich übergangen

Die Kündigung befürchtet auch eine ältere Pflegemitarbeiterin. Bei der Protestaktion verlangt sie via Megafon: "Keine Entlassungen in der Pflege!". Eine andere Therapeutin erwartet von der Klinikleitung neben einem "vernünftigen Tarifvertrag" auch "keine Unternehmensführung wie vor 100 Jahren". Im Gespräch mit MDR SACHSEN erläutert die Beschäftigte, was sie meint: "Wir erleben ständig Intransparenz. Wichtige Dinge, die uns für unsere Arbeit direkt betreffen, erfahren wir nur durch den Buschfunk. Wir Mitarbeiter fühlen uns überhaupt nicht mitgenommen."

Anonym erzählt ein Mitarbeiter MDR SACHSEN, dass eine leitende Person suspendiert worden sei, weil sie sich Umstrukturierungs-Ansagen der Klinik-Leitung widersetzt habe mit dem Hinweis, die seien fürs Personal und im Alltag nicht umsetzbar.

Mitarbeiter: Spar-Druck, keine Corona-Prämien, Unmut

All diesen Unmut kennt auch Betriebsrat Hentschel. Seitdem er in der Bad Gottleubaer Klinik in der Therapieplanung arbeitet, habe er vier Geschäftsführerwechsel erlebt. Sein Eindruck sei, dass alle zwei Jahre das Rad neu erfunden werden soll. "Wir bemerken das in immer neuen Sparmaßnahmen", ärgert er sich. Den Unmut seiner Kollegen kann er verstehen, weil in den Klinikgebieten in West- und Norddeutschland Tarifverträge mit Lohnplus ausgehandelt worden seien.

Keine Unternehmensführung wie vor 100 Jahren! Wir Mitarbeiter fühlen uns überhaupt nicht mitgenommen.

Angestellte in der Meridian-Klinik Bad Gottleuba

Das bestätigt Verdi auf Nachfrage: Seit den letzten Tarifverhandlungen im Jahr 2016 habe es keine flächendeckenden Tariferhöhungen mehr gegeben. "Stattdessen hatte der Arbeitgeber, die Median Klinik Bad Gottleuba, nach eigenem Ermessen einzelnen Berufsgruppen individuelle Zulagen gewährt – das führte im Laufe der Zeit zu einer ungleichen Behandlung der Beschäftigten und damit zu einer hohen Unzufriedenheit."

Zwei Gewerkschaftssekretäre von Verdi stehen mit zusammengerollten Verdifahnen und einem Megafon vor einer Klinik und protestiert gegen schlechte Arbeitsbedingungen und das Agieren der Klinikleitung.
Die Gewerkschaftssekretäre Nora Glaser (li.) und Benjamin Ludwig von Verdi wollten mit der "aktiven Mittagspause" ein erstes Zeichen setzen, dass auch die Beschäftigten in Bad Gottleuba einen fair ausgehandelten Tarifvertrag verdienen. Bildrechte: Kathrin König

"Wir haben nicht mal eine Coronaprämie bekommen. Beim Inflationsausgleich wurden wir im Hause ganz unterschiedlich behandelt", nennt Betriebsrat Hentschel weitere Gründe für den Unmut bei den Klinikmitarbeitern. Am Ende habe es dreistellige Summen gegeben. Und all das, so Hentschel, obwohl die Klinikbeschäftigten monatelang mit Masken und unter erschwerten Bedingungen in den Krisenjahren für die Patienten dagewesen seien.

Wir haben nicht mal eine Coronaprämie bekommen, obwohl wir alle monatelang mit Masken arbeiten mussten, als außerhalb von Kliniken längst Lockerungen galten.

Alexander Hentschel Angestellter und Betriebsrat

Angst, Druck und Mehrbelastungen

"Wir wollen arbeiten gehen und wir wollen wieder gern arbeiten gehen", meint eine andere Therapeutin, die ihren Namen nicht öffentlich lesen möchte. "Es ist auch Angst um den Arbeitsplatz da", sagt sie leise. Und weiter: "Der Druck, der durch Mehrbelastung entsteht, kostet Zeit. Die fehlt uns für unsere Patienten." Therapieangebote würden ausfallen und das lese man auch in den Klinikbewertungen. "Wir versprechen auf der Internetseite, was wir unter den aktuellen Umständen gar nicht erfüllen können."

Verhandlungen auf lokaler Ebene - wie immer im Osten?

Am Donnerstag will die Arbeitgeberseite bei einer Mitarbeitersammlung über einen Haustarifvertrag informieren. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN zu den geäußerten Vorwürfen heißt es von der Klinik: "Es ist korrekt, dass es in der Vergangenheit häufiger Wechsel in der Klinikleitung gegeben hat. Dass diese die Belegschaft verunsichern können, ist nachvollziehbar." Die Mitarbeiter seien jedoch stets durch leitende Mitarbeiter über den Wechsel der Leitung informiert worden.

Den Vorwurf, dass zum Thema Vergütung bewusst Angst geschürt werden solle, weisen wir zurück.

Klinikleitung Sprecherin

"Wir nehmen die psychische Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter sehr ernst und bemühen uns um eine offene Unternehmenskultur, in der sich die Mitarbeitenden in der Lage fühlen, ihre Bedenken anzusprechen", heißt es in der schriftlichen Erklärung weiter.

Seit Juni 2024 gebe es mit dem Betriebsrat der MEDIAN Klinik Bad Gottleuba Gespräche über die Verbesserung und Aktualisierung der bestehenden Vergütungsregelungen. "Um den Gegebenheiten vor Ort besser gerecht zu werden, werden die Vergütungsordnungen für die MEDIAN Klinik Bad Gottleuba auf lokaler Ebene verhandelt, das hat sich für alle Einrichtungen von MEDIAN im Geschäftsbereich Ost bewährt".

Verdi wartet Arbeitgeber-Vorschläge ab

Dass der Arbeitgeber auf lokale Verhandlungen setzt, hat Verdi mit Blick auf die Verhandlungsergebnisse für Kliniken im Westen und Norden überrascht. Die Gewerkschaft will die Versammlung am Donnerstag abwarten und steht für Gespräche bereit. "Wenn die Klinikleitung alles ablehnt und mit dem Betriebsrat eine Einzellösung aushandeln will, nehmen wir das zur Kenntnis", sagt Gewerkschaftssekretär Benjamin Ludwig und fügt freundlich hinzu: "Konfrontation können wir auch". Da sind 30 Minuten Mittagspause für die Beschäftigen schon vorüber und der Platz am Park ist wieder leer.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

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