Gewerkschaft Beschäftigte von "Paper und Design" im Erzgebirge streiken für Haustarif
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16. Oktober 2024, 21:21 Uhr
Der Osten Deutschlands galt lange als verlängerte Werkbank des Westens, oft wurde sogar mit den niedrigen Lohnkosten geworben. Auch wenn das Lohnniveau noch kein Westniveau erreicht hat, sind die Zeiten vielerorts vorbei. Nur bei "Paper und Design" an der Heinzebank, einem Ortsteil von Wolkenstein, sieht man das anders. Dort gibt es keine Tarifverträge, die Löhne bewegen sich in manchen Bereichen am Mindestlohn. Verdi hat zu Streiks aufgerufen, damit über einen Haustarifvertrag verhandelt wird.
Seit elf Tagen sehen vorbeifahrende Autofahrer auf der Bundesstraße 101 an der Heinzebank, einem Ortsteil von Wolkenstein, das gleiche Bild. Streikende in gelben Verdi-Westen stehen laut pfeifend vor den Toren der "Papier und Design GmbH", die zum schwedischen Duni-Konzern gehört.
Die Streikenden fordern einen Haustarifvertrag, denn bisher gibt es für das Werk im Erzgebirge keine tarifliche Lohnzahlung, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Thomas Bittner.
In Schweden und Niedersachsen Tarifverträge - warum nicht im Erzgebirge?
"Eine große Motivation für die streikenden Kolleginnen und Kollegen ist, dass es im Duni-Konzern ja Tarifverträge gibt." In den Werken in Schweden gebe es 90 Prozent Tarifbindung. "Und im niedersächsischen Werk in Bramsche gilt seit mehr als 20 Jahren ein Tarifvertag. Den wollen die 230 Kolleginnen und Kollegen im Erzgebirge auch."
In den vergangenen Jahren seien Lohnerhöhungen immer dann vorgenommen worden, wenn der Gesetzgeber den Mindestlohn erhöht habe, sagt Bittner. "Dabei haben aber die Kolleginnen und Kollegen Weihnachts- und Urlaubsgeld verloren, das verrechnet wurde."
Mindestlohn seit mehr als 15 Jahren
Eine streikende Mitarbeiterin, die nicht namentlich genannt werden will, sagt, dass sie schon mehrfach erfolglos versucht habe, einen besseren Lohn zu bekommen. "Ich bin seit 15 Jahren im Unternehmen, habe zwei Kinder und arbeite noch immer für den Mindestlohn." Sie wolle sich nicht weiter unter Wert verkaufen, weil sie wisse, was ihre, und die Arbeit ihrer Kollegen, wert sei. "Man arbeitet ja, um zu leben und lebt ja nicht nur, um zu arbeiten"
Zu jeder Mitarbeiterversammlung gebe es ein Dankeschön von der Geschäftsleitung für die Erfolge des Unternehmens. Eine Entschuldigung fände sie angebrachter. "Ich möchte das Dankeschön auf meinem Lohnzettel sehen."
Ich möchte das Dankeschön auf meinem Lohnzettel sehen.
Paper und Design setzt auf "Entgeltentwicklungsplan"
Nach Aussage von Gewerkschaftssekretär Bittner habe die Geschäftsleitung einen so genannten Entgeltentwicklungsplan vorgelegt, der bis 2027 gelten und vom Betriebsrat mitgetragen werden soll.
"Wir haben in den letzten Tagen hier eine rege Reisediplomatie aus Schweden erlebt", sagt Bittner. Es werde versucht, den Betriebsrat zu einer Vereinbarung zu bewegen, die nicht rechtswirksam wäre. Darin wäre ein Weihnachtsgeld erst ab 2025 vorgesehen. Außerdem sei eine einmalige Lohnsteigerung unter dem Tariflohn vorgesehen.
Konzernchef aus Schweden zu Gesprächen im Erzgebirge
Am Mittwoch war der Geschäftsführer des schwedischen Mutterkonzerns, CEO Robert Dackeskog, zu Gesprächen mit Geschäftsleitung und Vertretern des Betriebsrates zu "Paper und Design" nach Wolkenstein gereist. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN teilte Geschäftsführer Ralph Kodsi mit, dass das Unternehmen das Recht der Mitarbeitenden respektiere, ihre Anliegen öffentlich zu machen und gewerkschaftliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
"Die Geschäftsführung der Paper und Design GmbH Tabletop nimmt das Anliegen, das ein Teil der Beschäftigten über den Streik zum Ausdruck gebracht hat, sehr ernst." Das Unternehmen sei grundsätzlich bestrebt, in den Dialog mit den Mitarbeitenden zu gehen, um eine Lösung zu finden. Sie solle sowohl deren Interessen als auch die langfristige Stabilität des Unternehmens berücksichtigen. "Es ist das zentrale Ziel, attraktive und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen weiterhin sicherzustellen." Zu konkreten Ergebnissen des Treffens teilte das Unternehmen nichts mit.
Verdi-Gewerkschaftssekretär Thomas Bittner sieht in dem Besuch des höchsten Konzernverantwortlichen trotzdem ein positives Zeichen. "Wir hoffen, dass jetzt endlich in Gespräche eingetreten wird, damit die Kolleginnen und Kollegen ihren Tarifvertrag bekommen." Bis dahin soll der Streik fortgesetzt werden, sagt Büttner. "Ich stelle die Frage, ob sie weitermachen wollen, jeden Tag. Bisher lautete die Antwort immer: Ja."
MDR (tfr)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Oktober 2024 | 19:00 Uhr