Abbau bei Volkswagen Autoexperte: "Sachsen als Wegbereiter der E-Mobilität für VW hat seine Schuldigkeit getan"
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21. Dezember 2024, 21:03 Uhr
Der Spar-Kompromiss bei VW steht: Bis 2030 sollen 35.000 Arbeitsplätze abgebaut und Produktionskapazitäten heruntergefahren werden. Das betrifft auch die VW-Standorte in Sachsen, vor allem Dresden und Zwickau. Ein Branchenexperte sieht große Probleme für Zulieferer und auf Sachsen zukommen. Für ihn ist es "kein Wunder, dass der Sparplan von VW "in Sachsen einen bitteren Geschmack hinterlässt".
- Einschnitte in Zwickau haben Folgen für Zulieferer und ganze Region, sagt ein Branchenexperte.
- Zwickau muss Produktion von ID.3 und Cupra an Wolfsburg abgeben.
- Kahlschlag verhindert? Reaktionen von IG Metall und Landespolitikern auf Streichpläne.
Die Sparpläne des VW-Konzerns an den Standorten in Sachsen werden nach Einschätzung des Autoexperten Werner Olle mittelfristig negative Folgen für die Region haben. Auch das Netz an Zulieferern und Dienstleistern werde stark getroffen, sagte der Leiter des Chemnitz Automotive Institute. Zwar habe die Einigung Arbeitskämpfe vermeiden können. Jedoch: "Sorgenfreie Weihnachten sehen aber anders aus."
Der Wegbereiter der E-Mobilität für die Marke VW hat seine Schuldigkeit getan.
Gläserner Manufaktur wird umgebaut, tiefe Einschnitte in Zwickau
VW will bundesweit 35.000 Jobs abbauen, verzichtet aber auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen. Ende 2025 läuft die Autofertigung in der Gläsernen Manufaktur in Dresden aus. Das Fahrzeugwerk Zwickau mit derzeit rund 9.200 Beschäftigten muss laut Kompromiss die Produktion von ID-Modellen und des Cupra born abgeben und sich auf eine Fertigungslinie konzentrieren. Laut Branchenexperte Olle würden ab 2027 in Zwickau nur noch auf einer Linie E-Autos ausschließlich der Marke Audi produziert. "Dass dies in Sachsen einen bitteren Geschmack hinterlässt, ist kein Wunder – der Wegbereiter der E-Mobilität für die Marke VW hat seine Schuldigkeit getan."
Nach Informationen von VW Sachsen soll die Gläserne Manufaktur zum Standort für Forschung für Halbleitertechnik und autonomes Fahren umgebaut werden, sagte ein Sprecher von VW Sachsen dem MDR SACHSENSPIEGEL.
Für die Zeit ab 2026 wird ein alternatives Gesamtkonzept erarbeitet. VW will weiter am Standort Dresden präsent sein.
Neues Geschäftsfeld für Zwickau - Experten zweifeln
Für das VW-Werk in Zwickau soll eine Batterie-Recycling-Anlage neue Arbeit bringen, wenn Fertigungslinien nach Wolfsburg abgeben werden. Das werde aber die Verluste wohl nur teilweise ausgleichen, urteilen Branchenexperten. Auch Werner Olle meint: Das für Zwickau zusätzlich genannte Ziel – Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Kreislaufwirtschaft - habe noch keinerlei Substanz.
Hunderte Familien gehören in und um Zwickau bereits jetzt zu den Verlieren. Denn schon länger stand fest: Zum Jahresende verlieren etwa 1.000 befristet Beschäftigte ihre Arbeit.
Chemnitz bleibt Verbrenner-Standort
Am dritten sächsischen Standort, in Chemnitz, werden weiterhin Verbrennermotoren hergestellt.
Wirtschaftsministerium: "Entscheidung absehbar"
"Die Entscheidung von Volkswagen, den Standort in Dresden künftig neu aufzustellen, war absehbar", teilte Sachsens neuer Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) am Freitagabend mit. Er geht davon aus, dass die aktuelle Belegschaft in Dresden eine Perspektive bekomme. Sein Ministerium wolle mit der Konzernführung und dem Gesamtbetriebsrat von Volkswagen Sachsen im Gespräch bleiben - "auch und vor allem, was die künftige Auslastung des bisherigen VW-Vorzeigestandortes Zwickau betrifft".
Bereits im Frühjahr 2024 hatte VW die Zukunft der Gläsernen Manufaktur mit damals 340 Beschäftigten und Lehrlingen in Frage gestellt. 2023 waren in Dresden 6.000 Elektroautos montiert worden. Die Montage der E-Autos hatte 2021 an der Elbe begonnen.
IG Metall froh, dass es keine Massenentlassungen gibt
Nach Ansicht von IG Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze ist in Sachsen ein Kahlschlag verhindert worden. "Wir haben in äußerst komplexen Verhandlungen die Standorte sowohl in Zwickau als auch in Chemnitz und Dresden sichern können", sagte Schulze, der den IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen leitet. Schulze erinnerte daran, dass mehreren Werken die Schließung drohte und Massenentlassungen im Raum standen. Als "Meilenstein" bezeichnete er die Beschäftigungssicherung bis 2030.
Politische Warnung vor Kahlschlag
Vor wirtschaftlichem Kahlschlag im Osten hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gewarnt: "Wenn Einsparungen vorgenommen werden müssen, hat es fair zuzugehen. Es darf nicht zu einem Sterben auf Raten kommen und dazu führen, dass nur die Werke im Ausland und in Niedersachsen Bestand haben", sagte er vor Bekanntwerden der Sparmaßnahmen. Von Beschäftigten und Gewerkschaftern war immer wieder geargwöhnt worden, dass die Werke im Stammsitz Wolfsburg und Niedersachsen weniger von Streichplänen betroffen sein könnten, auch weil Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) seit 2013 im Aufsichtsrat des Autobau-Konzern sitzt.
VW solle kein fatales Signal für Osten senden
Kretschmer nannte Volkswagen eine "deutsch-deutsche Erfolgsgeschichte". Der Konzern hat mehrere Standorte in Sachsen und gibt mehr als 10.000 Menschen Lohn und Brot. Nächstes Jahre feiere man 35 Jahre Deutsche Einheit. "Es wäre mehr als fatal, wenn das mit dem Signal verbunden ist, dass sich Volkswagen aus Ostdeutschland zurückzieht."
Kretschmer: Energiepreise zu hoch
Für Kretschmer "ist die Situation nicht vom Himmel gefallen". Die Energie sei so teuer, dass eine Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht mehr gegeben sei. Kretschmer verlangt: "Die Energiewende muss neu aufgesetzt werden. Es geht darum, den Preis unter Kontrolle zu bekommen. Der Preis für die Kilowattstunde muss so wie in den USA einstellig sein. Sie darf nicht 12 oder 14 Cent kosten."
MDR (kk)/dpa/afp
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 20. Dezember 2024 | 19:00 Uhr