Süßwarenverkauf Marketing für Dubai-Schokolade: So wird Leibspeise zur Hype-Speise in Sachsen
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19. November 2024, 16:36 Uhr
Stundenlanges Anstehen vor einem Geschäft und Stimmen aus der Warteschlange, die es auch zu DDR-Zeiten schon in Dresden zu hören gab: Menschen harren vor einem Laden aus, in dem sie nicht nach Lust und Kontostand einkaufen können, sondern ein Produkt zugeteilt bekommen. Nur eines. Alles abgezählt. Nach 100 Stück ist Schluss. So geht Marketing 35 Jahre nach dem Mauerfall.
- Langsam kommt der Trend um die Dubai-Schokolade auch nach Sachsen.
- Im Lindt-Geschäft in der Dresdner Altstadt gab es einen limitierten Verkauf.
- Das Schokoladenmuseum in Dresden hofft auf junges Publikum durch den Trend.
Morgens halb zehn in Dresden: Vor einem Lindt-Geschäft in der Altstadt stehen mehr als 30 Leute im Nieselregen. Ans Ende der Schlange stellt sich Antje Starke. "Wir wissen nicht, was es gibt, ich hab mich jetzt einfach angestellt", sagt die Görlitzerin. Dabei muss sie selbst lachen und an vergangene DDR-Zeiten denken. Dass in einer halben Stunde Sicherheitsmänner Kunden einzeln durch die Glastür eintreten lassen, damit die je eine Tafel Dubai-Schokolade kaufen können, weiß die Touristin noch nicht. "Was ist Dubai-Schokolade?"
Anstehen für die Weihnachtsüberraschung
Mittlerweile steht hinter der Görlitzerin Harshita Shivamurthy. Die indische Studentin hat ihr Physikstudium in Dresden beendet und will vor dem Heimflug "viel Schokolade für meine Familie kaufen". Von Dubai-Schokolade hat auch sie noch nichts gehört. Sie sucht normale Pralinen als Geschenke. "Davon wird es doch genug geben", hofft sie.
20 Meter vor ihr steht Michael Jager an und rechnet sich gute Chancen aus, so eine Dubai-Tafel zu bekommen. Die soll eine Weihnachtsüberraschung werden. Dass er deswegen seit einer Stunde im Nasskalten steht, "habe ich meiner Frau zu verdanken, die das im Internet gelesen hat", erzählt der Zwickauer schmunzelnd. Die Eheleute sind aber nicht die ersten. Seit 6:30 Uhr stehen zwei Schüler aus Dresden vor dem Eingang. Adam aus Cossebaude will unbedingt eine Tafel haben und selber essen.
Im Türkei-Urlaub auf Geschmack gekommen
Nicht nur in Dresden kennen Schokoladenverkäufer die Nachfrage nach Dubai-Schokolade, seitdem die bei TikTok und in anderen sozialen Netzwerken gehypt wird. Auch der westsächsische Unternehmer Andreas Barth hat welche im Angebot. Dabei wusste der Inhaber der Sächsisch-Thüringischen Schokoladenmanufaktur in Meerane bis zu seinem Herbsturlaub in der Türkei nichts darüber. Er wunderte sich dort über "massenhaft in Schlangen anstehende junge Leute". Barth kostete die Süßspeise und fand: "Da wird gutes Marketing gemacht und von großen Herstellern befördert."
Zurück in Westsachsen hätten immer wieder Eltern bei ihm nachgefragt, ob er denn auch die Schoko-Sorte verkaufe. Eine seiner Konditorinnen, Rachel Fiedler, erzählt: "Wir haben zwei Wochen gebraucht, um die perfekte Konsistenz auszutüfeln. Die Herstellung mache mehr Arbeit, es sei "nichts, was schnell oder maschinell hergestellt werden kann". Für 13,95 Euro verkauft die Manufaktur keine klassische Pralinentafel, sondern eine Packung mit drei Dublonen, Schokotaler mit kräftiger Füllung.
Die Schokolade ist mal etwas anderes, nicht so süß. Man hat Spaß auf der Zunge, weil sie etwas knistert. Bisschen wie Brausepulver früher.
Zwar sei der Preis wegen der Rohstoffe wie Kadayif (Engelshaar), Pistazien und Pistazienmus "überdurchschnittlich, aber damit liegen wir noch im Mittelfeld. Der Preis geht nach oben", weiß Andreas Barth. Die Erfahrung mit neuen Produkten habe ihn gelehrt, dass sich ein neuer Geschmack irgendwann "ins Produktleben einreihen" werde.
Die Hype-Süßigkeit im Erzgebirge
In Annaberg-Buchholz ist die Schokolade nach Dubai-Art seit einer Woche im Café Schokogusch'l erhältlich - als 20-Gramm-Taler für vier Euro. Eingeführt hat sie die Konditormeisterin und Leiterin des Cafés, Bianca Augustin-Kreller. "Die Kreation hat bereits eine hohe Nachfrage ausgelöst". Viele seien bereit, für die Rezeptur und den "besonderen Genuss" einen "höheren Preis zu bezahlen".
Schokoladenmuseum hofft auf junges Publikum
Das sieht der Maketing-Manager des Dresdner Schokoladenmuseums, zu dem auch fünf Geschäfte in der Stadt gehören, etwas anders. "Der relativ hohe Preis bei großen Herstellern wird wegen des Hypes bezahlt und nicht für die Qualität", meint Nico Silbe. Er habe lange überlegt, ob er die Hype-Speise verkaufen soll oder nicht. Am Ende siegte das Marketing: "In drei bis vier Wochen wollen wir die Dubai-Schokolade anbieten".
Der relativ hohe Preis bei großen Herstellern wird wegen des Hypes bezahlt und nicht für die Qualität.
Die junge Zielgruppe stand dabei Pate: "Bislang ist die Jugend, die TikTok und Instagram nutzt, immer an unseren Läden vorbei gelaufen. Jetzt können wir sie auch einmal zu uns ziehen." Die Dresdner haben mehrere Varianten geplant: "Eine für 15 Euro und eine Premium-Edition für 30." Eine vegane Dubai-Schokolade werde noch vorbereitet.
"Einfach nur gefüllte Schokolade mit Pistazienmus"
Langsam an den Hype tastet sich der Inhaber der Sächsischen Schokoladenmanufaktur, Markus Schürer, in Heidenau heran. Er holt sich die junge Zielgruppe von Beginn an zu Hilfe: "Wir haben einen Elfjährigen im Freundeskreis. Der drängt mich dazu, es auch einmal auszuprobieren." Am Buß- und Bettag soll es so weit sein: Dann wollen die beiden eine eigene Dubai-Variante herstellen und testen.
"Es ist einfach nur eine gefüllte Schokolade mit Pistazienmus. Handwerklich ist das machbar, geschmacklich könnte ich es zügig umsetzen." Geplant habe Schürer fürs Geschäft noch nichts, aber "ich könnte es mir vorstellen. Man wäre ein schlechter Kaufmann, wenn man es nicht täte."
Zurück zur Käuferschlange am Dienstagvormittag in der Dresdner Altstadt: Die Reihe hinter den beiden Touristinnen und Freundinnen aus Görlitz ist noch länger geworden. Antje Starkes Freundin Angelika Schäfer hat mittlerweile am Kopf der Schlange herausbekommen, worum es den Anstehenden überhaupt geht. Über den Stückpreis von 14,95 Euro je Schoki-Tafel wundern sich beide Frauen. Weil sie die Schokolade aber verschenken wollen, meinen sie: "Was kostet die Welt."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 19. November 2024 | 19:00 Uhr
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