Denkmalschutz Stadt wagt Experiment: Bussard soll Taubenproblem in Schmalkalden lösen
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13. Juni 2024, 07:50 Uhr
In der Innenstadt von Schmalkalden steht der historische Pulverturm, ein Teil der alten Stadtmauer. Das Problem: Stadttauben haben das denkmalgeschützte Gebäude für sich entdeckt. Seit einem Jahr versucht die Stadt schon, die Tiere zum Umzug zu bewegen. Bisher ohne Erfolg. Jetzt soll ein Bussard helfen.
Sie schnurrt ein bisschen beim Aus-der-Kiste-holen. Ein Zeichen, dass sich die Bussard-Dame wohl fühle, sagt Falkner Siggi Stubenrauch. Sofort scannt der Greifvogel mit seinem wachen Blick die Umgebung ab. Auch seinem Gegenüber direkt in die Augen zu blicken, scheut sich das Tier nicht.
Der Wüstenbussard, der natürlicherweise in Nordamerika und Mexiko vorkommt, sei generell sehr stressresistent, so Falkner Stubenrauch: "Sie sehen ja, der Zug fährt vorbei und er bleibt ganz ruhig. Da kann eine Bombe hochgehen und der sitzt immer noch auf meiner Faust." Auch gilt die Greifvogelart mit dem braunschwarzen Gefieder und dem leuchtend gelben Schnabel als besonders sozial - das mache das Abtragen leichter. Abtragen bedeutet: ihn von der Leine zu lassen und dann mit Futter wieder zurück zu locken. Dieses Spiel wird Falkner Siggi Stubenrauch bald mit dem Wüstenbussard in der Schmalkalder Innenstadt spielen.
Tauben stehen nicht auf dem Speiseplan des Bussards
Wichtig sei nur, dass die Bussard-Dame vorher gegessen hat. Denn: Der Vogel soll die Tauben nicht jagen, sondern nur vergrämen. Der Bussard jagt normalerweise einmal am Tag, so Stubenrauch. Den Rest der Zeit heißt es dann: Ressourcen schonen. "Wenn er also zu 70 Prozent satt ist, hat er keine Motivation, unnötig Energie zu verschwenden." Zudem stehe die Taube auch nicht auf dem Speiseplan des Wüstenbussards. Trotzdem könne er natürlich nie zu 100 Prozent vorhersagen, wie sich das Wildtier verhält.
Das Ziel der Stadt lautet: Die Tauben vom denkmalgeschützten Pulverturm in der Innenstadt zu vertreiben. Mit seinen Öffnungen an der Turmfassade eignet er sich für die Tauben, die Gebäudebrüter sind, hervorragend als Schutz- und Nist-Ort. Vor allem seit der Corona-Zeit habe sich dort eine Population eingenistet, berichtet Schmalkaldens Bürgermeister Thomas Kaminski. Weil die Tauben in dieser Zeit wenig Futter vorfanden, lagen hin und wieder auch tote Tiere rund um den Turm. Zusammen mit dem Dreck, den die Tiere auch auf privaten Fensterbrettern hinterlassen, hat die Situation Beschwerden von Anwohnern nach sich gezogen. Tierschutz und Stadt haben daher schon vor einem Jahr ein Konzept zur Umsiedlung entwickelt.
Zucht durch Menschen führt dazu, dass Tauben auf Hilfe angewiesen sind
Wichtig sei zu begreifen, dass Stadttauben nicht ohne den Menschen klar kommen, erklärt eine Sprecherin der Stadttaubenhilfe Weimar. Das liege daran, dass sie als Haustier gezüchtet wurden. Ein Haustier, das nun verwildert in den Städten lebt. Taubenschutzvereine, wie der in Weimar, kritisieren, dass sich die Populationen vor allem auch durch den Brieftaubensport unkontrolliert vergrößern.
Der Sport besteht darin, Tauben an einem den Tieren fremden Ort zu bringen und dann freizulassen. Das Ziel ist, dass sie möglichst schnell - so zumindest die Hoffnung der Besitzer - an ihren Ursprungsort zurückfliegen. Obwohl die Tiere einen ausgezeichneten Orientierungssinn hätten, klappe das oft nicht, so die Weimarer Stadttaubenhilfe. Möglicherweise auch wegen vermehrter Funkmasten. Die Folge: Brieftauben blieben irgendwo im Land verirrt zurück. Besonders hilflos in der freien Wildbahn seien Rassetauben.
Bauwagen soll neues Zuhause der Tauben werden
Die Stadt Schmalkalden will die Tauben zwar vertreiben, übernimmt aber gleichzeitig Verantwortung für die eher unpopulären Geschöpfe. Als Alternative zum Turm hat die Stadt auf einem Grundstück wenige hundert Meter entfernt einen Bauwagen aufgestellt. Das Problem ist nur: Freiwillig sind die Tauben, die sehr standorttreu und heimatverbunden sind, bisher nicht umgezogen. Sie hätten schon viel versucht, sagt Claudia Schott vom Tierschutz: "Wir haben zum Beispiel eine Fangaktion gemacht, die war aber nicht wirklich erfolgreich."
Dabei wurden Stadttauben mühsam eingefangen, in den Bauwagen gebracht und dort einige Zeit zur Gewöhnung eingesperrt. Sie sollten dann als Locktauben für die restliche Population fungieren. An sich auch aus Sicht von Taubenexperten ein gangbarer Weg. Nur braucht es dafür Geduld, bis sich die Tiere wirklich umgewöhnt haben. Am besten wäre es, die Tauben würden dazu gebracht, einmal im neuen Schlag zu brüten, so der Tipp der Stadttaubenhilfe in Weimar.
Derzeit leben in dem Schmalkalder Bauwagen eine Hand voll Tauben, hauptsächlich ehemals verletzte Tiere, die der Tierschutz aufgepäppelt hat. Tatsächlich ist auch schon eine Babytaube im Bauwagen geschlüpft. Claudia Schott und Christin Rudis, eine weitere ehrenamtliche Helferin, füttern die Tiere jeden Tag. Die Motivation zur Umsiedlung besteht für die beiden auch darin, die Population künftig besser kontrollieren zu können. Gängige Praxis, um das Tierleid zu reduzieren, ist die Taubeneier gegen Plastikeier auszutauschen. Der Turm jedoch lasse das aus logistischen Gründen nicht zu.
Schmalkaldens Bürgermeister Kaminski glaubt daran, dass der Bussard nun der Schlüssel sein kann: "Der Bauwagen ist das Zuckerbrot, jetzt brauchen wir aber auch noch die Peitsche. Und das ist der Vogel." Der Plan lautet, dass der Falkner regelmäßig in der Stadt unterwegs ist und am Turm eine ungemütliche Stimmung verbreitet. Die Stadttaubenhilfe Weimar bewertet das Vorgehen in Schmalkalden grundsätzlich positiv. Auch einzugreifen, bevor die Situation zwischen Anwohnern und Tauben weiter eskaliert.
Der Bauwagen ist das Zuckerbrot, jetzt brauchen wir aber auch noch die Peitsche. Und das ist der Vogel.
Dass sich der Bauwagen nicht weit vom Turm entfernt befindet, sei sinnvoll. Der Radius einer Taube erstrecke sich normalerweise auf maximal 500 Meter. Sofern sie am neuen Ort Wasser, Futter und ausreichend Platz zum Nisten haben, seien das gute Voraussetzungen.
Zu bedenken gibt der Verein jedoch auch, dass sich Tauben nicht immer von Greifvögeln beeindrucken lassen: In der Nähe des Weimarer Taubenschlags befände sich beispielsweise ein Falkennest, von dem sich die Stadttauben nicht stören lassen. Für Schmalkaldens Bürgermeister Thomas Kaminski ist der Einsatz des Bussards aber einen Versuch wert. Und Falkner Siggi Stubenrauch freut sich darüber hinaus auch über Gelegenheiten, mit Menschen in Kontakt zu kommen, um über Greifvögel aufzuklären und für ihren Schutz zu werben.
MDR (ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. Juni 2024 | 19:00 Uhr
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