Taubenbestände regulieren Tierfreunde in Dresden helfen Stadttauben und verirrten Vögeln aus Ungarn
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12. August 2023, 08:00 Uhr
Es gibt sie immer noch - die Mythen über Tauben als Krankheitsüberträger oder als dumme Tiere. Was jedoch stimmt: Tauben können sich unglaublich schnell vermehren. Die Stadttauben-Initiative Dresden versucht deswegen mit Taubenschlägen und Vogelvolieren, die Population auf tierfreundliche Art zu reduzieren. Viel Arbeit, wenn sich zusätzlich noch Tauben aus Hunderten Kilometern Entfernung nach Sachsen verirren.
- Ein ehrenamtlicher Verein will auf tierfreundliche Art die Taubenpopulation in Dresden regulieren.
- Brieftauben aus Ungarn und Slowenien verirren sich kilometerweit und stranden in Sachsen.
- Die Stadt Dresden sieht Finanzhilfen nicht für möglich und spricht vom Fütterungsverbot als Lösung.
Als Sebastian Genz die Tür zum Taubenschlag öffnet, ist auf einmal viel Geflatter zu hören. Dutzende Vögel sitzen dicht gedrängt auf Podesten und bilden eine dichte Wand aus Federn. "Tauben sind sehr sozial. Mich beeindruckt, wie Tauben es schaffen, auch unter schwersten Bedingungen zu leben und zu überleben", sagt Genz.
Der 36-Jährige gehört zur Stadttauben-Initiative Dresden. Seit 2019 setzt sich der ehrenamtliche Verein dafür ein, die Taubenpopulation auf tierfreundliche Weise unter Kontrolle zu halten. "Deswegen sammeln wir in unseren Taubenschlägen bis zu 1.500 Eier im Jahr ein", so Genz. Wenn eine Taube ein Ei gelegt hat, werde dieses durch ein gleichschweres Ei aus Gips ersetzt. Im Sommer können das bis zu 50 gesammelte Eier pro Woche sein. Am Ende gebe es also weniger Tauben, weil weniger ausgebrütet werden. Das sei auch nötig, denn Tauben vermehren sich unheimlich schnell: "Eine Taube kann acht Jungtiere pro Jahr zur Welt bringen."
Eingesammelte Eier dienen als Igelfutter
Doch nicht alle Eier werden in den drei Taubenschlägen und mehreren Vogelvolieren im Dresdner Stadtgebiet eingesammelt: "Dann würden sich die Tauben sagen 'Hier gibt es nie Jungtiere. Hier kommen wir nicht mehr hin'", erklärt Genz. Vogeleier, die fünf Tage alt sind, würden generell nicht mehr ausgetauscht. Die eingesammelten Eier bekommt zum Beispiel die Igelhilfe Dresden als Futtermittel.
Brieftauben fliegen Hunderte Kilometer weit bis Sachsen
Während Sebastian Genz Vogelfutter ausstreut, ist Geflatter und Gurren zu hören. Die Tauben beobachten aufmerksam, wie Genz das Futter verteilt. "In diesem Taubenschlag leben und erhalten zwischen 300 und 400 Tauben ihr Futter", sagt der Ehrenamtler. Er schätzt die Anzahl der in Dresden lebenden Tauben auf 3.000 und 4.000.
Wir hatten hier auch schon Tauben aus Slowenien und Ungarn, die 700 Kilometer weit geflogen sind.
Besonders herausfordernd werde es für die ehrenamtlichen Helfer, wenn Taubenzüchter ihre Auslese machen. "Dann ist hier die Hölle los", erklärt Genz. Brieftauben, die von ihren Züchtern ausgeschickt werden, jedoch nicht mehr zurückfinden, kämen teilweise aus Hunderten Kilometern Entfernung nach Dresden und schließen sich hier den Stadttauben an. "Die meisten kommen aus Polen und Tschechien und fliegen bis zu 300 Kilometer", sagt Genz und fügt hinzu: "Wir hatten hier auch schon Tauben aus Slowenien und Ungarn, die 700 Kilometer weit geflogen sind."
Was passiert beim Brieftaubensport?
- Brieftaubensport gilt als traditionelles Hobby. Eine Taube versucht dabei aus beliebigen Entfernungen in ihren Heimatschlag und zu ihrem Züchter zurückzufinden.
- Laut Verband Deutscher Brieftaubenzüchter gibt es bundesweit 58.000 Züchter, die mehrere Millionen Tauben halten. Die Tauben müssten Strecken zurücklegen, die teilweise immer länger werden und bis zu 1.000 Kilometer weit sind.
- Dabei nehmen Züchter Verluste von bis zu 30 Prozent ihrer Vögel hin. Die Tauben sterben entweder unterwegs oder verirren sich in andere Städte.
Verein muss Kosten von bis zu 1.000 Euro selbst stemmen
Die Taubenschläge dienen nicht nur der Tiereindämmung: "Da sich die Tiere hauptsächlich hier aufhalten, landet 80 Prozent der Vogelkacke im Taubenschlag", sagt Genz. Also weniger Dreck, der in der Stadt oder auch mal auf der Nase landet. Gerade wegen seines Engagements könne der Verein deswegen nicht verstehen, warum er keinerlei Unterstützung von der Stadt Dresden bekommt.
Eine Finanzspritze durch das Veterinäramt von 400 Euro war Genz zufolge im vergangenen Jahr aus Kostengründen zurückgezogen worden. Die monatlichen Kosten von bis zu 1.000 Euro müsse die Stadttauben-Initiative Dresden allein aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen bezahlen.
Stadt beschränkt sich auf Fütterungsverbot
Stadttauben als Wildtiere "werden nicht durch die Stadt betreut, weder im Rahmen der Pflichtaufgaben noch im Bereich der freiwilligen Aufgaben", teilt die Stadt Dresden auf Anfrage von MDR SACHSEN mit. Die Stadt könne den Verein finanziell nicht unterstützen, weil es dazu "keine Rechtsgrundlage" gebe.
Menschliche Speisen sind gesundheitsschädlich für die Tiere.
Stattdessen verweist die Verwaltung auf das Fütterungsverbot von Stadttauben, das in der städtischen Polizeiordnung steht. Wer Stadttauben füttert, dem droht ein Bußgeld von bis zu 1.000 Euro. Dadurch soll sich die Taubenpopulation "regulieren". Für Sebastian Genz bedeutet das: Die Tauben müssen hungern oder sind auf Speisereste angewiesen. "Menschliche Speisen sind jedoch gesundheitsschädlich für die Tiere", betont Genz. Für ihn seien die Taubenschläge und -volieren eine Alternative. Ein neuer Taubenschlag sei am Postplatz vorgesehen.
Tauben können sich Gesichter merken
Genz hält ein erst wenige Tage altes Taubenjunges in den Händen und lächelt: "Für mich sind es wunderschöne Tiere." Er wehrt sich dagegen, dass Tauben immer noch als Krankheitsüberträger oder Tiere geringer Intelligenz gelten. "Von Taubenkot gehen keine Krankheiten aus. Außerdem sind Tauben intelligente Tiere, die sich Gesichter von Menschen merken können."