Stimmen aus Osteuropa Stanišić: Über Brüche von damals das Heute verstehen
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10. Januar 2025, 03:00 Uhr
Wie blicken Autorinnen und Autoren mit osteuropäischen Wurzeln 35 Jahre nach dem Zusammenbruch des so genannten Ostblocks auf ihre Herkunftsländer? Das fragt die Veranstaltungsreihe "Aufbruch – Stimmen aus Osteuropa" in Dresden. Zum Auftakt liest Saša Stanišić am Freitag im Kulturpalast aus seinem neuen Buch. Weitere Lesungen folgen mit Joanna Bator, Zsófia Bán und Maria Bidian.
- Der Autor Saša Stanišić schreibt über Menschen mit folgenreichen Brüchen in ihren Biografien – wie seine eigene.
- Er setzt dabei oft auf Humor, auch wenn es um Geschichte und große Weltpolitik geht.
- Stanišić ist der erste Gast einer neuen literarischen Veranstaltungsreihe in Dresden.
Der Schriftsteller Saša Stanišić plädiert dafür, in schwierigen Zeiten stärker zusammenzuhalten. Menschen, deren Leben von starken Brüchen geprägt sind, soll mehr Verständnis entgegen gebracht werden. "Mein Plädoyer ist, dass wir anderen Menschen, die innerhalb dieser Brüche und schwieriger Zeiten stehen, die Hand reichen", sagt der Autor bei MDR KULTUR.
Diese Brüche sind interessant und erzählen sehr viel über die Gegenwart.
Eine Biografie des Gelingens
So habe er es auch selbst erlebt, als er 1992 von Jugoslawien nach Deutschland gekommen sei. Seine damalige Ankunft hätte er niemals so planen können, wie sie passierte. Seine eigene Biografie mache deutlich, so Stanišić, dass Brüche in Biografien trotz aller Härten einen guten Ausgang nehmen können. Seine Texte würden all das zum Thema machen, wo uns unser Leben hinführt.
Und der Aufbruch von Stanišić ist noch nicht beendet, denn seine Bücher handeln immer wieder von Menschen, die solche Brüche in ihrer Biografie erlebt haben: mit Folgen für ihr ganzes weiteres Leben. "Diese Brüche sind interessant und erzählen sehr viel über die Gegenwart", sagte der Schriftsteller bei MDR KULTUR. Über Menschen zu schreiben, die aufgrund von strukturellen und gesellschaftlichen Problemen flüchten müssen oder im Abseits, in prekären Lebensverhältnissen landen, sei Aufgabe der Literatur.
Mein Plädoyer ist, dass wir anderen Menschen, die innerhalb dieser Brüche und schwieriger Zeiten stehen, die Hand reichen.
Humor und Politik verbinden
Humor ist für Stanišićs Schreiben besonders wichtig. Als Geflüchteter in Heidelberg habe er neben all der Schwere immer wieder Momente von Leichtigkeit erlebt, berichtet der Autor. Das Komische sei in seinem Leben stets vorhanden gewesen. "Humor ist ein Stilmittel, mit dem ich politische Komponenten meiner Arbeit leichter zugänglich mache", betont er. Denn wenn man etwas gesellschaftlich Relevantes im Lachen über eine Szene erfahre, dann sei die Konzentration fokussierter. Humor funktioniere wie eine "Aufmerksamkeitssteuerung in Texten".
Gast bei Literatur-Reihe in Dresden
Saša Stanišić ist in Višegrad im ehemaligen Jugoslawien geboren, flüchtete als 14-Jähriger mit seiner Familie 1992 nach Deutschland. Sein Aufbruch hat ihn weit gebracht. Seine Romane, Erzählungen und Kinderbücher wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis der Leipziger Buchmesse, dem Deutschen Buchpreis, dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis und dem Deutschen Jugendliteraturpreis.
Stanišić ist der erste Gast der aktuellen Ausgabe der literarischen Veranstaltungsreihe "Aufbruch– Stimmen aus Osteuropa", die am Freitag in Dresden beginnt. 35 Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks blicken vier osteuropäische Autorinnen und Autoren auf sich und ihre Herkunftsländer. Was ist aus ihrem Aufbruch damals geworden?
Geschichte und Weltpolitik im literarischen Blick
"Aufbruch – Stimmen aus Osteuropa" ist eine Veranstaltungsreihe der Bibliotheken Dresden und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch in der dritten Ausgabe der Literaturreihe ermöglichen international renommierte Autorinnen und Autoren einen literarischen Blick auf Geschichte und Weltpolitik: Den Anstoß gab 2022 der Ausbruch des Krieges in der Ukraine.
Die Auftaktlesung mit Saša Stanišić wird von Musikern der Dresdner Philharmonie begleitet. In den folgenden Veranstaltungen werden Joanna Bator aus Polen, Zsófia Bán aus Ungarn und Maria Bidian, die in Deutschland und Rumänien lebt, in Dresden zu Gast sein.
Informationen "Aufbruch – Stimmen aus Osteuropa"
Saša Stanišić: "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne"
Lesung, Gespräch und Musik
10. Januar 2025, 19:30 Uhr
Konzertsaal im Kulturpalast
Moderation: Katrin Schumacher
Musik: Mitglieder der Kurt Masur Akademie – Orchesterakademie der Dresdner Philharmonie spielen Kammermusik von Francis Poulenc, Jean Françaix und Felix Lemaire
Eintritt: 17 Euro, ermäßigt 9 Euro; Rabatt für Bibliotheksnutzende
Zsófia Bán: "Weiter atmen"
Lesung und Gespräch, Deutsch und Englisch
21. Januar 2025, 18:30 Uhr
SLUB Klemperer-Saal
Moderation: Thorsten Dönges
Deutsche Stimmen: Lilli und Lars Jung
Eintritt frei
Joanna Bator: "Bitternis"
Lesung und Gespräch, Deutsch und Polnisch
28. Januar 2025, 19:30 Uhr
Zentralbibliothek im Kulturpalast
Moderation: Lisa Palmes
Deutsche Stimme: Lilli Jung
Eintritt frei
Maria Bidian: "Das Pfauengemälde"
Lesung und Gespräch
4. Februar 2025,18:30 Uhr
SLUB Klemperer-Saal
Moderation: Günter Keil
Eintritt frei
Transparenzhinweis Katrin Schumacher moderiert die Veranstaltung der Reihe "Aufbruch" mit Saša Stanišić. Sie arbeitet als Literaturredakteurin bei MDR KULTUR.
Quelle: MDR KULTUR (Carsten Tesch, Jörg Schieke), SLUB Dresden
Redaktionelle Bearbeitung: jb, hro, bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. Januar 2025 | 08:40 Uhr