Stadtentwicklung Handelsexperte: Kaufparks am Stadtrand nicht mehr zeitgemäß
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29. Oktober 2024, 14:10 Uhr
Wie zeitgemäß sind Einkaufsparks am Rande der Stadt noch? Handelsexperte Professor Erik Maier hat eine klare Meinung: Sie sind städtebaulich rückständig, ein Relikt aus den 1990er-Jahren. Solche Shopping-Malls mit guter Autoanbindung seien zwar für Betreiber und Händler durchaus lukrativ, den Innenstädten schadeten sie aber massiv.
Im Osten Dresdens ist der Kaufpark Nickern Anfang der Woche völlig umgestaltet und erweitert wiedereröffnet worden. Nach Betreiberangaben gibt es in der Shopping-Mall 100 Läden und Restaurants - autobahnnah, mit kostenlosen Parkplätzen und knapp 30 Straßenbahnminuten von der Innenstadt entfernt. Professor Erik Maier, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Handel an der Handelshochschule Leipzig (HHL Leipzig Graduate School of Management), sieht das Einkaufsparadies mit Freizeitangeboten kritisch und bezeichnet es als "rückwärtsgewandte Stadtentwicklungspolitik".
Für die Gesamtstadt sei das Einkaufszentrum nicht positiv zu bewerten, wenngleich es einzelnen Handelsunternehmen durchaus nützen könne, so der Wirtschaftswissenschaftler im Gespräch mit MDR SACHSEN.
Nachfrage nach Handelsflächen in Städten stagniert
Die zunehmende Konkurrenz des Handels mit Online-Shops führe in den Städten zu stagnierenden Handelsflächen und auch zu einer stagnierenden Nachfrage nach solchen Flächen. Für den Betreiber selbst könne sich der Kaufpark nah der Autobahn und in Nachbarschaft eines großen Wohngebietes durchaus lohnen, so Maier. Zudem seien über die A17 Kunden aus Tschechien zu erwarten.
Seine Kritik beziehe sich darauf, was ein solches Einkaufszentrum für das gesamte Handelssystem einer Stadt bedeute und ob es der Innenstadt schade. "Es schadet der Prager Straße", ist Maier überzeugt. Die Prager Straße war über Jahrzehnte hinweg der Inbegriff für Einkaufsstraßen in Dresden. Tatsächlich sagte eine Kundin zur Neueröffnung am Montag in Nickern: "Ich muss jetzt nicht mehr in die Stadt fahren. Wenn ich was möchte, gehe ich hier her."
Shoppingcenter sind eine Erfindung der Neunziger
Seit den 1990er-Jahren würden eigentlich keine neuen Shoppingcenter mehr auf der grünen Wiese errichtet, sagt Maier - weil sie den Handel in der Innenstadt schwächen und Frequenz aus der Stadt heraus ziehen. Das sei auch in Dresden im Vorfeld des Neubauprojektes Nickern "die große Diskussion" gewesen. "Wir sehen, dass Städte wie Chemnitz oder Leipzig keinerlei Neuentwicklungen auf der grünen Wiese mehr in großem Stile durchführen, weil wir eine Konkurrenz zur Innenstadt bekommen", erklärt Professor Maier.
Stationärer Handel wird mit Onlineverkauf kombiniert
Zugleich betonte der Handelsexperte, dass stationärer Handel in den Städten weiterhin relevant bleibe. Die Nachfrage sei aber endlich. Maier geht dennoch davon aus, dass es in zehn oder 20 Jahren noch immer Läden in Einkaufsstraßen geben werde - allerdings zunehmend eingebunden in den Onlinehandel als sogenannter Mehrkanalhandel mit verschiedenen Vertriebswegen. Allerdings werde es wohl weniger Vielfalt, also einen geringeren Branchenmix, geben.
Kaufhauskonzepte hätten es wegen der großen Verkaufsfläche hingegen schwer, da viel Umsatz erzielt werden müsse, sagt der Handelsexperte. Stattdessen setzten Händler auf kleinere Flächen und würden einen Teil der Ware eben ausliefern. "Ich muss nicht mehr jeden Kühlschrank in allen Farben da haben. Es reicht im Prinzip ein Modell und den Rest kann ich dann bestellen und zu mir nach Hause liefern lassen."
MDR (lam/mur)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 28. Oktober 2024 | 19:00 Uhr