Grünes Gewölbe Kunstsammlungen Dresden fordern Schadenersatz für Juwelendiebstahl
Hauptinhalt
12. Januar 2023, 17:48 Uhr
Nach fast einem Jahr Prozess wollen vier Angeklagte im Prozess um den Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in der kommenden Woche Geständnisse ablegen. Dafür sollen sie mildere Strafen erhalten. Doch daneben machen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden jetzt auch Schadenersatzansprüche gegen sie geltend, die in die Millionen gehen dürften. Der Deal zwischen den Parteien stößt außerdem auf viel Kritik.
- Der Freistaat Sachsen will im laufenden Strafprozess um den Juwelendiebstahl in Dresden Schadenersatz von den Angeklagten verlangen.
- Die zurückgegebenen Juwelen werden erst nach dem laufenden Prozess wieder ausgestellt.
- Der Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung verursacht viel Kritik.
Der Schaden, der den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) durch den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe entstanden ist, ist enorm. Die Kunstsammlungen machen deshalb im Prozess um den Juwelendiebstahl Schadenersatzansprüche geltend. "Die genaue Schadenshöhe wird derzeit auf Grund der im Dezember zurückgeführten Schmuckstücke noch festgestellt", sagte der Sprecher der Kunstsammlungen, Holger Liebs.
Freistaat fordert Schadenersatz im laufenden Strafprozess
Um die Ansprüche geltend zu machen, hat der Freistaat Sachsen beim Landgericht Dresden in dem laufenden Verfahren gegen sechs Angeklagte einen sogenannten Adhäsionsantrag gestellt. "Inhalt sind die durch den schweren Einbruchsdiebstahl in das Historische Grüne Gewölbe entstandenen Schäden. Dazu zählen der entwendete Schmuck und zum Beispiel Schäden am Gebäude und an den Vitrinen", betonte der SKD-Sprecher. In einem Adhäsionsverfahren können zivilrechtliche Ansprüche, die aus einer Straftat entstehen, unmittelbar im Strafprozess geltend gemacht werden.
Allein an den zurückgegebenen Schmuckstücken entstand nach einer ersten Überprüfung ein geschätzter Schaden von 22 bis 26 Millionen Euro, wie die Restauratorin Eve Begov im Prozess um den Einbruch in die Schatzkammer am Dienstag sagte. Noch nicht mitgerechnet sind dabei die noch fehlenden, kostbarsten Stücke, etwa das Brillantkollier der Königin Amalie Auguste, die Große Brustschleife und die Epaulette mit dem Sächsischen Weißen. Der Versicherungswert aller gestohlenen Stücke liegt bei knapp 117 Millionen Euro.
Juwelen des Grünen Gewölbes werden erst nach Prozessende ausgestellt
Die entstandenen Schäden an den zurückgegebenen Schmuckstücken können jedoch nahezu vollständig restauriert werden, wie die Kunstsammlungen jetzt mitteilten. Deren kunsthistorische Bedeutung sei gleichbleibend hoch und ihre internationale Strahlkraft ungebrochen. Die SKD werde aber eine Expertenkommission einberufen, "um den Zustand der Objekte und die Restaurierungsmaßnahmen zu diskutieren". Da die Schmuckstücke weiterhin Beweisstücke im Strafverfahren sind, dürften sie derzeit nicht öffentlich gezeigt werden. Sie waren im Zuge von Vorgesprächen zwischen der Staatsanwaltschaft und Verteidigern kurz vor Weihnachten zurückgegeben worden.
Kritik an ausgehandeltem Strafrabatt im Prozess
Die Verständigung von Staatsanwaltschaft, Verteidigern und Gericht im Prozess am Dresdner Landgericht verursacht unterdessen viel Kritik. Der Linke-Fraktionschef im Landtag, Rico Gebhardt, sagte, es gebe noch viele offene Fragen, wie die nach weiteren Beteiligten und dem Verbleib der restlichen Beute. Die Gerichte seien unabhängig und Verständigungen üblich in Strafprozessen. "Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack, wenn man bedenkt, wie viel Schaden die Täter angerichtet und dass sie mindestens mit ihrer Brandstiftung in der Tiefgarage Menschenleben gefährdet haben".
Die AfD-Fraktion kritisierte den "lukrativen Deal" und sprach von einem politischen Skandal. "Kriminelle Clans gehen in Sachsen auf Raubzug, liefern im Anschluss brav einen Teil der Beute wieder ab und werden dafür mit Zugeständnissen verhätschelt", sagte der kulturpolitische Sprecher, Thomas Kirsten.
Für die Herausgabe und "glaubhafte" Geständnisse sind mit dem Deal geringere Freiheitsstrafen für fünf der sechs Angeklagten in Aussicht gestellt. Für den Strafrabatt müssen die Beschuldigten auch Angaben zu Entschluss, Planung, Vorbereitung und Ablauf der Tat, ihrer Beteiligung und ihrem Tatbeitrag machen und Nachfragen beantworten. Vier Beschuldigte wollen in der kommenden Wochen davon Gebrauch machen, der fünfte hat sich noch nicht entschieden.
Gerichtssprecher: Gesetzlicher Strafrahmen wird selten ausgeschöpft
Bei einer Bewertung der vom Gericht genannten Strafunter- und -obergrenzen im Falle umfangreicher Geständnisse sei zu berücksichtigen, "dass der gesetzliche Strafrahmen in der Praxis nur in seltenen Fällen ausgeschöpft wird", sagte Gerichtssprecher Andreas Feron. Freiheitsstrafen über zehn Jahren würden in der Regel nur bei Tötungsdelikten oder schwerwiegenden Personenschäden verhängt. Und selbst ohne Verständigung müsse Schadenswiedergutmachung strafmildernd berücksichtigt werden.
Im Zuge von Vorgesprächen waren kurz vor Weihnachten Teile der Beute des Einbruchs in das Museum am 25. November 2019 zurückgegeben worden - aber beschädigt oder unvollständig, es gibt Kratzer, Verformungen und Feuchtigkeitsschäden. Zudem fehlten einige besonders prominente Stücke.
MDR (kbe)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 12. Januar 2023 | 17:00 Uhr