Interview Meteorologe zu Blitzeinschlag in Dresden: "Es war schwer vorherzusehen"

21. Mai 2024, 17:29 Uhr

Bei einem Blitzeinschlag am Dresdner Elbufer sind zehn Menschen verletzt worden, vier von ihnen schwebten in Lebensgefahr. Zwei Personen mussten reanimiert werden. Der Blitz war in der Nähe des Rosengartens auf den Elbwiesen eingeschlagen. MDR SACHSEN hat dazu mit Karsten Haustein, Meteorologe und Klimawissenschaftler an der Uni Leipzig, gesprochen.

Was waren Ihre ersten Gedanken, nachdem sie von dem Blitzeinschlag in Dresden gehört haben?

Karsten Haustein: Das ist ein sehr seltenes Ereignis. Insbesondere, dass dabei auch Menschen getroffen werden, kommt sehr selten vor. Man ertappt sich selbst dabei, über die Gefahren nachzudenken und wie man beim nächsten Mal handelt.

Karsten Hausstein - Meteorologe Uni Leipzig
Karsten Haustein ist Klimaforscher und Meteorologe an der Uni in Leipzig. Bildrechte: picture alliance/dpa/Karsten Haustein | John Cairns

Was war das Besondere am Gewitter und den Blitzen am Montag in Dresden?

Spannend war, dass es nur schwer vorauszusehen war in dem Augenblick. Es gab am Montag zwar Warnungen vor Gewitter allgemein. Zunächst kam nur eine relativ langweilig aussehende Wolke daher - und dann hat sich plötzlich über der Stadt dieses Gewitter gebildet. Das kann man aus meteorologischer Sicht schwer vorhersagen.

Wenn die ersten Blitze in der Wolke stattfinden und den Boden nicht erreichen, dann denkt man meistens, dass man noch Zeit hat. Das war gestern gar nicht der Fall. Es war alles sehr plötzlich. Dann muss man sehr schnell reagieren.

Wie kann es sein, dass Blitze auf einer freien Fläche - wie an den Elbwiesen - einschlagen?

Blitze schlagen überall ein. Je höher desto einfacher, soviel ist klar. Aber auf einer freien Fläche wie an der Elbe ist das nicht außergewöhnlich - das sollte jeder auf dem Schirm haben. Die ist dafür geradezu prädestiniert. Am Ende gibt es dann wenig, was einen an einem solchen Ort schützt, wenn man nicht vorher drüber nachdenkt.

Wie "wandert" so ein Blitz? Die Feuerwehr hat ja auch darum gebeten, dass sich Personen aus dem Umfeld mit möglichen Symptomen melden sollen.

Es gibt bei Blitzen schon einen klaren Punkt, an dem er einschlägt. Die Verästelungen, die man so sieht, die finden in der Atmosphäre statt. Aber wenn es zum Beispiel schon geregnet hat, dann kann sich die Elektrizität natürlich über die Feuchtigkeit ausbreiten.

Der zweite Punkt ist natürlich der Einschlag und die Druckwelle, die auch Leute treffen kann. Das ist dann von der Stärke abhängig.

Blitzeinschlag 5 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
5 min

MDR um 2 Di 21.05.2024 14:00Uhr 04:44 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Werden Gewitter durch den Klimawandel intensiver?

Ja, die Intensität steigt schon durch den Klimawandel. Aber die Lage gestern ist dann doch eher eine normale Wetteraktivität. Was wir allerdings beobachten ist, dass es in Sachsen weniger Gewitter in den letzten Jahren gibt, durch die trockenen Phasen im Frühjahr und Sommer. Und wenn es seltener passiert, dann geht natürlich das Bewusstsein für mögliche Gefahren etwas verloren.

Da kommt auch ein weiterer Punkt ins Spiel, der aber auch nichts mit dem Klimawandel zu tun hat: Gewitter ziehen meistens an dem Ort vorbei, an dem man sich befindet. Egal, wo das ist. Das ist die Natur von Gewittern. In einem Fünftel der Fälle trifft es dann.

Warum sind so viele von Gewittern überrascht?

Es ist selten, es passiert selten, es trifft selten direkt. Selbst wenn, denkt man oft "Was soll schon passieren?". Die Wahrscheinlichkeit getroffen zu werden, ist gering. Deutlich geringer als im Straßenverkehr einen Unfall zu erleiden. Deshalb ist es wichtig, sich des öfteren mal dran zu erinnern, dass es die Gefahr gibt.

Wie sollte man sich denn bei Gewitter verhalten?

Wenn es grummelt und ich sehe das Gewitter aufziehen, dann sollte man sich einen Schutz suchen. Und zwar in Gebäuden. Nicht daran, davor, sondern hinein. Wenn es direkt über mir steht, dann sollte man tatsächlich rennen.

Im schlimmsten Fall, wenn es kein Gebäude gibt, dann unter eine Brücke. Und auf freiem Feld, wenn es einen beim Wandern überrascht in einer absoluten Notsituation: In einen kleinen Graben legen. Aber im Normalfall, in der Stadt: in ein Gebäude.

MDR (ben)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. Mai 2024 | 19:00 Uhr

Mehr aus Dresden und Radebeul

Mehr aus Sachsen