Dresdner Reden Narren an die Macht: Charly Hübner begeistert mit Rede in Dresden
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17. März 2025, 10:39 Uhr
Zum Abschluss der diesjährigen Reihe der Dresdner Reden hat Charly Hübner einen klaren Blick auf die Deformationen unserer heutigen Welt gezeigt – mit Bezügen zu Trump, Merz und Narrenfiguren. Der 1972 geborene Schauspieler ist für seine Rollen im Polizeiruf 110, in Spielfilmen wie "Bornholmer Straße“, aber auch als Regisseur und Autor bekannt. Im Staatsschauspiel Dresden zeigte sich Hübner am Sonntag von einer neuen Seite: Als Kabarettist begeisterte er das Publikum.
- Die Dresdner Reden 2025 sind am Sonntag mit einem Auftritt von Charly Hübner zuende gegangen.
- Der Schauspieler hielt eine unkonventionellen Rede mit vielen Verweisen auf die aktuelle Politik.
- Hübners Beitrag widmete sich der "Narrenfigur und Öffentlichkeit im Wandel".
Was geschieht, wenn die Mächtigen sich wie Narren verhalten oder Narren an die Macht gelangen? Solche Fragen hatten das Staatsschauspiel Dresden und die "Sächsische Zeitung" zum Abschluss der diesjährigen Reihe "Dresdner Reden" dem bekannten Schauspieler Charly Hübner gestellt. Der reihte sich am Sonntag im Dresdner Schauspielhaus selber bei den kommentierenden Narren ein. Satirisch forderte er sogar, der weise Narrenstand solle zur fünften Gewalt im Staate neben Legislative, Exekutive, Judikative und den Medien erhoben werden. In einer launigen Performance teilte Hübner auf höchstem kabarettistischen Niveau auch gegen Deformationen deutscher oder US-amerikanischer Politik aus.
Charly Hübner hält in Dresden seine erste Rede
Nach eigenem Bekunden war die Einladung, bei den seit 1992 laufenden jährlichen "Dresdner Reden" zu sprechen, die erste zu einer offiziellen Rede in seinen 52 Lebensjahren. Bei der schauspielerischen Leidenschaft des in Neustrelitz geborenen Carsten Johannes Marcus Hübner und bei seinem Mutterwitz und Improvisationstalent aber konnte aus diesem Auftritt keine herkömmliche Rede am Pult werden. Noch weniger durfte sie elf Tage nach Aschermittwoch als eine verspätete sterile Büttenrede gelten.
Hübner gewann das Publikum im erneut ausverkauften Dresdner Schauspielhaus durch sein unkonventionelles Auftreten, gepaart mit hellwacher Beobachtung des Zeitungeistes. Nur sein Outfit erschien mit Weste, Anzug und Krawatte ungewohnt bürgerlich. Seine Ausstrahlung auf der Dresdner Bühne aber entsprach vielen Rollen, die ihn populär machten, beispielsweise als Grenzpolizist an der Berliner Bornholmer Straße, der in der Nacht des 9. November 1989 die Grenze öffnete. Brillant, aber nicht arrogant, unaffektiert und verbindlich maß er den weltweiten Trend zu Irrationalität und Fanatismus am gesunden Menschenverstand.
"Wahnsinn in Tüten" begeistert das Publikum in Dresden
Die ersten Lacher im begeisterten Publikum erntete Charly Hübner schon bei seinem Gang auf die Bühne. Zwei Papierbeutel trug er mit sich und packte sie auf dem Rednerpult aus, darunter lose Manuskriptseiten. Bei der Absprache mit Chefdramaturg Jörg Bochow sei ihm die Äußerung "Das wird der Wahnsinn in Tüten" spontan herausgerutscht, erklärte der Schauspieler. Mehrere Minuten lang begrüßte er hinterhältig alle guten Geister dieser Welt von Bürgertum bis Arbeiterklasse, den Tieren des Waldes bis hin zu anwesenden Geheimdienstagenten. Das Publikum animierte er anschließend zu einem Wechselgesang "Wir wollen alle artig sein".
Man erlebte den Schauspieler von einer bislang wenig bekannten Seite, als einen Kabarettisten der Spitzenklasse.
Trump, Merz und ein gefährlicher Stuhl
Er selbst hielt sich nicht daran. In 80 Minuten wechselten meist spontan und frei vorgetragene Anekdoten und Spitzen in alle möglichen Richtungen mit vorbereiteten Textpassagen auf den Manuskriptfetzen diverser Tüten. Erinnerungen an seinen Dresden-Besuch 1986 ausgerechnet im Plattenbauviertel Prohlis oder an den kürzlich verstorbenen Regisseur Wolfgang Engel kamen ebenso vor wie parodistische Attacken auf Selbstinszenierungen des US-Präsidenten Donald Trump, stets nur "der Bräunling" genannt. Zeitweise trug Hübner selbst ein rotes Basecap, reckte schutzsuchend hinter dem Rednerpult die Faust in die Höhe.
Hübner sinnierte über den Sinn der Wendung "richtige Zeit" im deutschen Wahlkampf, für die Friedrich Merz angeblich der richtige Mann sei. Mit Blick auf die anstehende Koalitionsbildung ätzte er gegen die wahren Schwesterparteien CDU und SPD, während der CSU eher die Rolle der Cousine zukomme. Sprachlicher und szenischer Höhepunkt war ein geradezu gleichnishafter, metaphorischer Dialog mit einem auf der Bühne stehenden Stuhl. Ein gefährlicher Stuhl, denn er steht für das Faktische, für den Gegen-Stand. Andere aber wollen ihm einreden, er sei nur ein Gefühl, eine Meinung. Eine subtile Attacke gegen die Inflation des Anti-Faktischen und Irrationalen.
Spitzensatire mit Tiefgang
Das vom Staatsschauspiel angekündigte närrische Thema kam spät, aber umso nachhaltiger zur Sprache. Hübner unterschied zwischen den kommentierenden Hofnarren aller Zeiten, zu denen er sich selber und seine geschätzten Comedy-Kollegen zählte. Ihnen stehe gewissermaßen der weise, bleibende Weisheiten verkündende Narr wie in Shakespeares "König Lear" gegenüber. Solche brauche das Land als den fünften Stand.
Das vom Staatsschauspiel angekündigte närrische Thema kam spät, aber umso nachhaltiger zur Sprache.
Das Dresdner Bildungsbürgertum im Saal wollte Charly Hübner nicht von der Bühne lassen. Zwei glänzend erzählte Witze musste er nachschieben. Man erlebte den Schauspieler von einer bislang wenig bekannten Seite, als einen Kabarettisten der Spitzenklasse. Er offenbarte aber dabei nicht weniger Tiefgang als Natalie Amiri und Steffen Mau an den vorausgegangenen Sonntagen. Alles scheinbar beiläufig Hingeworfene fußte auf mindestens doppeltem Boden und stimulierte das Grübeln.
Redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. März 2025 | 08:40 Uhr