Zwei Männer laufen an der Elbe entlang.
Egal ob es regnet oder schneit: Alle zwei Wochen treffen sich Läufer an der Neustädter Fährstelle, um mit Bewegung gegen ihre Depression anzukämpfen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Depression Laufen gegen die innere Nacht

28. Dezember 2023, 09:00 Uhr

Statistisch betrachtet erkrankt laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe jeder Fünfte einmal im Leben an einer Depression. Das Spektrum reicht von leichten, saisonal auftretenden Verstimmungen über lang anhaltende, seelische Tiefs und große Schwermut bis hin zur Suizidgefahr. Eine Sportgruppe in Dresden bietet Unterstützung in solchen schweren Zeiten an.

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Rhythmisch klopfen die Schuhsohlen auf den Asphalt. Vorbei geht es auf dem Elberadweg an Spaziergängern, während sich wiederum Radfahrer vorbeidrängeln - eilig auf dem Weg in den Feierabend. Mit dem Mikrofon in der Hand jogge ich zwischen Michael und André. Sie sind die Initiatoren einer ungewöhnlichen Selbsthilfegruppe. Es handelt sich um die Dresdner Laufgruppe für Menschen mit Depression, die sich jeden zweiten Montag an der Neustädter Fährstelle zum dynamischen Gespräch trifft.

Sportschuhe an und los

Kaum gestartet, dauert es nicht lange, dass sich unter den Läufern und Läuferinnen Zweier- oder Dreiergrüppchen bilden und sich mal hier, mal da ausgetauscht wird. "Das ergibt sich einfach so, man will ja nicht stumm nebeneinander herlaufen", sagt Michael im Gespräch mit MDR SACHSEN. Und eine alte Läuferweisheit besage ja, dass man in dem Tempo laufen solle, in dem man sich noch unterhalten kann. Sonst überfordere man sich, vor allem als Anfänger.

Das Laufen hat mir über sehr schwere Zeiten hinweggeholfen.

Michael Initiator der Laufgruppe gegen Depression

Es gehe auch nicht darum, besonders sportlich zu sein, meint Michael, sondern man orientiere sich an dem oder der Langsamsten. Das Laufen habe ihm über sehr schwere Zeiten hinweggeholfen, sagt der Dresdner. Wenn es ihm schlecht geht, ziehe er seine Sportschuhe an und läuft los. Dann sei es, als würden seine Beine Antidepressiva produzieren. "Das hat sich so gut angefühlt, dass ich gedacht habe: Das muss man Leuten erzählen, was das bewirken kann", so der 52-Jährige.

Frau schaut traurig auf ihr Mobiltelefon 16 min
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MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Do 12.10.2023 12:00Uhr 16:03 min

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Ähnlich ging es André. Der 49 Jahre alte Dresdner hatte nach einer schweren Depression eine Selbsthilfegruppe aufgesucht. Doch der Gesprächskreis sei für ihn ernüchternd gewesen. "Es ist da schwierig, in den Austausch zu treten. Es kann ja immer nur einer sprechen und letztendlich ist auch das Sitzen nicht so förderlich", findet er.

Bei Wind und Wetter, ohne Unterbrechung

Über die Ortsgruppe der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention vernetzten sich die beiden Männer und starteten im April 2022 ihr Laufprojekt. Vom Fähranleger geht die Runde elbaufwärts über die Waldschlösschenbrücke und dann wieder über die Albertbrücke zurück. "Wir machen das alle zwei Wochen - bei Wind und Wetter, ohne Unterbrechung", sagt Michael.

Jeder sei herzlich willkommen, auch mal nur zum Schnuppern. "Einige haben es mittlerweile als regelmäßigen Treff schätzen gelernt", beobachtet der Dresdner. Er selbst empfinde es als sehr befreiend, sich in der Sportgruppe nicht verstecken zu müssen. Jeder habe seine Erfahrungen und könne was erzählen und zusammen mit dem Laufen sei das stärkend.

Ab nächstem Jahr wird die Laufgruppe gegen Depression auch an Sportveranstaltungen teilnehmen, kündigt André an. Die Anmeldung für den Lauf eines Discounters ist bereits gemacht.

Am Neujahrsmontag, dem 1. Januar, wird die Sportgruppe ihre erste Runde im Jahr 2024 drehen. Die Termine sind fix. Denn niemand, dem es schlecht geht, soll im Stich gelassen werden. "Wir sind auch im Finstern bei Schnee und Regen unterwegs", bekräftigt Michael und ergänzt: "Wir sind auf dem Weg, wir tun was und das fühlt sich gut an."

"Bündnis bewegt" Offene Laufgruppe für Menschen mit Depression und Angehörige: jeden zweiten Montag (ungerade Wochen) 17 Uhr am Elbufer unterhalb des Diakonissenkrankenhauses

Hilfe bei Suizid-Gedanken Sie haben suizidale Gedanken oder eine persönliche Krise? Die Telefonseelsorge hilft Ihnen! Sie können jederzeit kostenlos anrufen:
0 800 111 0 111
0 800 111 0 222
0 800 116 123.

Auf der Webseite www.telefonseelsorge.de finden Sie weitere Hilfsangebote, etwa per E-Mail oder im Chat.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 18. Dezember 2023 | 16:30 Uhr

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