Eine entschärfte Fliegerbombe liegt auf der Ladefläche eines LKW auf. Die Bombe wird von zwei Gurten festgehalten.
Die Beseitigung von Blindgängern ist ein aufwendiges Prozedere bei dem Rettungskräfte wie Sprengstoffexperten zusammenarbeiten müssen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Bomben und Munition Die Gefahr im Boden: Was mit Blindgängern in Sachsen passiert

12. Februar 2023, 08:00 Uhr

Jährlich werden in Sachsen mehrere Tonnen Kampfmittel entsorgt. Zu den gefährlichsten gehören Blindgänger: Bomben, die beim ursprünglichen Aufprall nicht detonierten. Diese Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs werden oft bei Bauarbeiten entdeckt. Anschließend müssen Fundorte abgesichert, angrenzende Gebiete evakuiert und die Bombe entschärft werden. Sachsen stehen für die spätere Entsorgung mehrere Bunker in Zeithain zur Verfügung, wo die Bomben endgültig vernichtet werden.

In der Nacht des 13. Februars 1945 werfen britische Maschinen der Royal Airforce rund 2.500 Tonnen Bomben und Luftminen über Dresden ab. Auch in den Folgetagen ist die Stadt weiter bombardiert worden. Nachdem zuvor die Wehrmacht Städte wie Plymouth, Coventry oder Rotterdam mit Luftangriffen bombardierte, richtet sich die Gegenreaktion der Alliierten vor allem auf dicht besiedelte Wohngebiete in Deutschland. Bis heute geht von den Bomben eine große Gefahr aus.

Die Stadtverwaltung Dresden schätzt, dass etwa 15 Prozent der Bomben, die zwischen 1944 und 1945 die Stadt trafen, als sogenannte Blindgänger aufgeschlagen sind. Sie sind nicht explodiert, dennoch können sie nach Jahrzehnten noch Menschenleben kosten, wenn Baggerschaufeln sie treffen oder wenn durch das zunehmende Alter im Inneren der Bombe eine chemische Reaktion stattfindet. Historiker Jens Wehner vom Militärhistorischen Museum Dresden spricht im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einer Blindergängerquote von zehn bis 20 Prozent während des gesamten Zweiten Weltkrieges.

Vor der Entschärfung muss evakuiert werden

Sobald ein Blindgänger in Sachsen gefunden wird, greifen verschiedene Maßnahmen. So kümmern sich Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste darum, einen Absperrbereich um den Fundort abzusichern sowie Anwohner und Anwohnerinnen über eine Evakuierung zu informieren. Wenn die Betroffenen nicht bei Freunden und Familie unterkommen können, stehen Notunterkünfte zur Verfügung.

Als im Oktober 2022 im Dresdner Stadtteil Friedrichstadt eine 250 Kilogramm schwere Bombe gefunden wurde, mussten über 3.000 Menschen ihre Wohnung verlassen. Wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage von MDR SACHSEN erklärte, beliefen sich die Kosten für diesen eintägigen Einsatz auf 4.048,67 Euro.

Laut "Sächsischer Zeitung" beziffert der Geschäftsbereich Ordnung und Sicherheit der Stadt Dresden die jährlichen Kosten für entsprechende Evakuierungen auf 20.000 Euro. Diese Zahl würde aber je nach Aufwand und Anzahl der Bombenfunde stark schwanken. 

Dresden mit Kommunikationsstrategie zufrieden

Mit der Art und Weise, wie die Evakuierung nach außen kommuniziert wurde, sei man sehr zufrieden, sagt Dresdens Pressesprecherin Diana Petters. Neben Social-Media-Plattformen und einer extra eingerichteten Webseite könnten sich Bürger und Bürgerinnen auch bei Einsatzkräften am Rand des Evakuierungsbereichs direkt informieren.

Problematisch sei allerdings die fehlende Vorbereitung der Menschen. Petters beschreibt die Erfahrungen der städtischen Feuerwehr bei Evakuierungen nach Bombenfunden: "Dabei mangelt es vor allem an Kenntnissen, was in das Notgepäck gehört oder wie man sich in solchen Fällen richtig verhält."

Blindgänger werden in Zeithain zerstört

Sobald die Menschen in Sicherheit sind, übernimmt der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Polizei Sachsen (KMBD) und kümmert sich um die Entschärfung der Bombe. Ein sofortiger Abtransport der Bombe ist oft nicht möglich, da die Gefahr einer Explosion zu hoch ist. Sprengstoffexperten des KMBD müssen den Zünder nun herausdrehen. Dabei hilft ein Wasser-Granulat-Schneidegerät, mit dem der Schlagbolzen vom Rest der Bombe entfernt wird. Anschließend muss noch der Sprengstoff innerhalb der Bombe vernichtet werden.

Sichergestellte und entschärfte Objekte vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Sachsen. Zu sehen sind Bomben, Granaten und Munition in einem Bunker in Zeithain, in dem Lehrgänge stattfinden. 26 min
Bildrechte: Sven Kochale
26 min

MDR AKTUELL Fr 24.06.2022 08:00Uhr 26:20 min

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Das kann entweder unter hohen Sicherheitsvorkehrungen noch vor Ort passieren oder aber in speziell dafür präparierten Öfen der KMBD. In der Nähe von Zeithain, auf dem Gelände der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt der Wehrmacht, greift der Kampfmittelbeseitigungsdienst dafür auf mehrere Bunker zurück. Die entschärften Bomben werden zunächst in kleinere Teile zersägt und später im Abbrandofen endgültig zerstört.

Im Jahr 2021 war der KMBD an insgesamt 670 Einsätzen beteiligt. Über 120 Tonnen an Kampfmitteln wurden dabei gefunden und entsorgt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Artilleriemunition, Abwurfmunition und Granaten. Aber auch fünf Blindgänger wurden 2021 erfolgreich entschärft. 

Wer die Kosten für die Kampfmittelbeseitigung trägt

Die Kosten für die Vernichtung der Kampfmittel übernimmt der Freistaat Sachsen. Jährlich stehen dafür Gelder von rund sechs Millionen Euro zur Verfügung, erklärte das sächsische Innenministerium. Die Ausgaben für mögliche Evakuierungen werden hingegen von der Gemeinde oder Kommune selbst getragen.

Die Kostenübernahme gilt übrigens auch auf privaten Grundstücken. Sowohl für die Suche nach Kampfmitteln als auch für das spätere Bergen, den Transport und die Vernichtung kommt der Staatshaushalt auf.

Bürger und Bürgerinnen bekommen nur bei rein vorsorglichen Suchmaßnahmen ohne Gefahrenverdacht und bei der Bearbeitung von Anträgen eine Rechnung gestellt. Oder aber wenn zusätzlich zur Bombenbeseitigung private Unternehmen beteiligt waren, wenn beispielsweise der Boden durch die Bombe kontaminiert wurde.

Bei Schäden durch einen hochgegangenen Blindgänger greifen in der Regel Gebäude- und Hausratsversicherungen. Zwar könnten Versicherungen derlei Schäden durch eine Weltkriegsbombe durch die sogenannte Kriegsklausel theoretisch umgehen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schreibt, dass ihnen aber kein Fall bekannt sei, bei dem sich eine Versicherung einer Zahlung verweigert habe. 

Finanzielle Probleme können sich dennoch für Kommunen ergeben, wie das Beispiel Königshain zeigt. Im Oktober 2022 wurde bei Bauarbeiten am Dorfbach eine Phosphorbombe gefunden. Die Haushaltskasse der 1.200-Einwohner-Gemeinde kann die geforderten Lohnersatzleistungen der Freiwilligen Feuerwehr und andere Kosten für verbrauchte Materialien während des Einsatzes derzeit nicht selbst bezahlen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 12. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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