Carolabrücke Stadträte: Rathaus soll Brückengutachten öffentlich zugänglich machen
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25. September 2024, 05:00 Uhr
Nach dem Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden überpüfen nun andere Städte zur Vorbeugung ähnliche Brücken aus Spannbeton. Zum Check der Talbrücke Oelsa bei Löbau durch das Landesamt für Straßenbau und Verkehr waren Journalisten eingeladen und erfuhren aus erster Hand von ihrem Zustand. In Dresden dagegen sind die Brückenprüfungen und die daraus folgenden Gutachten nicht öffentlich. Das wollen einige Stadträte ändern.
- Der Linken-Fraktionschef im Stadtrat Dresden sieht keinen Sachgrund dafür, die Brückengutachten unter Verschluss zu halten.
- Die SPD-Fraktion verlangt von der Stadt die Einsicht in die Akten zur Carolabrücke.
- Auf Anfrage gab die Stadtverwaltung die Prüfnoten für ihre großen Brücken an den Stadtrat.
Die Mängelliste der Carolabrücke war stets lang. Dass Betonteile verschlissen und Eisenteile verrostet waren, kommunizierte die Stadtverwaltung auf Anfragen von Stadträten. Linken-Ratsfraktionschef André Schollbach fragte seit 2013 vier Mal den Zustand der Carolabrücke ab. Die Prüfgutachten bekam er nicht zu Gesicht. "Darüber entscheidet allein der Oberbürgermeister", sagte Schollbach MDR SACHSEN. Die SPD-Ratsfraktion verlangte nun von der Stadt Dresden die Offenlegung der Zustandsanalysen sowie Protokolle, Briefe und Einladungen zur Carolabrücke aus den letzten zehn Jahren.
Dass es in Sachen Brücken nach dem Einsturz in Dresden eine neue Transparenz gibt, hat das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) gezeigt. Im Beisein von Journalisten prüften dort Ingenieure die in ähnlicher Spannbeton-Bauweise wie die Carolabrücke errichtete Talbrücke in Oelsa und klopften sie auf Risse ab.
SPD beantragt Akteneinsicht
Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion Stefan Engel ist dafür, dass die Prüfgutachten "zeitnah zugänglich" gemacht werden. Engel zufolge hat die SPD nach dem Einsturz der Carolabrücke eine umfangreiche Akteneinsicht beantragt. "Wir möchten wissen, welchen Prüfauftrag und welche konkreten Ergebnisse es gab." Auch André Schollbach zufolge gibt es keinen Sachgrund, das Gutachten im Verborgenen zu lassen. "Es wäre angezeigt, es öffentlich zu machen, damit sich jeder ein eigenes Bild vom Zustand der Carolabrücke machen kann."
Die Stadt sollte die Prüfgutachten zur Carolabrücke zeitnah zugänglich machen.
Brückengutachten bei Staatsanwalt
MDR SACHSEN fragte im Dresdner Rathaus nach: Weshalb sind die wichtigen "Brücken-TÜV"-Prüfgutachten nicht öffentlich einsehbar, beispielsweise im Stadt-Portal www.dresden.de oder im Ratsinfo-System mit den wichtigen Stadtrats-Anfragen und -Beschlüssen? Wie eine Stadtsprecherin sagte, ist der Prüfbericht aktuell Teil weiterer Untersuchungen, auch der Staatsanwaltschaft. Das brauche Zeit, die Ergebnisse lägen noch nicht vor.
Wie Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt MDR SACHSEN sagte, prüft die Staatsanwaltschaft Dresden zusammen mit der Polizeidirektion, ob es zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts gibt.
Was ist der Brücken-TÜV? Brücken und andere Ingenieurbauwerke wie Tunnel werden alle sechs Jahre bei einer Hauptprüfung nach der DIN 1076 durch speziell ausgebildete Bauwerksprüfer inspiziert. Bei dem Verfahren werden die Standsicherheit, die Verkehrssicherheit und die Dauerhaftigkeit ausgewertet und zu einer Zustandsnote von 1 (sehr guter Zustand) bis 4 (ungenügender Zustand) zusammengefasst. Des Weiteren finden alle drei Jahre sogenannte Einfache Prüfungen und jährlich Sichtprüfungen durch Fachpersonal der Stadtverwaltung statt. Stadtverwaltung Dresden
Dem früheren Linke-Stadtrat und Bauingenieur Thilo Wirtz zufolge konnten Stadträte die Einsichtnahme in die Brückengutachten beantragen. Er habe sich jedoch auf die veröffentlichten Prüfnoten verlassen. Der später eingestürzte Brückenstrang C erhielt die Note 3, so die Stadt 2023 auf Wirtz' Anfrage. "Das klang nicht katastrophal."
MDR (wim)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. September 2024 | 19:00 Uhr