Medizinische Versorgung Beispiel Reichenbach: Wie Patienten unter Klinik-Schließungen leiden
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19. Oktober 2023, 10:51 Uhr
Wenn Kliniken schließen, wird es oft schwerer, Termine bei Fachmedizinern zu bekommen. So erging es auch einer Ärztin aus Netzschkau nach der Schließung der Paracelsus-Klinik in Reichenbach bei der Suche nach Kollegen, um ein Röntgenbild und ein MRT für eine Patientin zu bekommen.
Gerätemedizin in immer weniger Zentren
Immer mehr Kliniken schreiben rote Zahlen, Facharzttermine sind nur schwer zu bekommen – die gesundheitliche Versorgung wird in einigen Gebieten immer schlechter. Was das für Patienten bedeutet, zeigt ein Fall aus dem Vogtland, dem das MDR-Magazin "Hauptsache Gesund" nachgegangen ist: Nachdem dort die Klinik in Reichenbach mit dem ansässigen ambulanten Versorgungszentrum geschlossen wurde, war es für die Hausärztin Janine Berauer in Netzschkau schwierig, ihre schwer gestürzte Patientin bei Gerätemedizinern unterzubringen, die über MRT- oder Röntgen-Apparate verfügen.
Ihre Patientin Roselinde Weinhold leidet an Osteoporose, auch Knochenschwund genannt. Ihre behandelnde Ärztin wollte daher prüfen, ob es durch den Unfall zu Knochenbrüchen gekommen ist – was bei Knochenschwund schneller passieren kann.
Neue Kontakte müssen gefunden werden
Früher hätte die Medizinerin die Patientin ins medizinische Versorgungszentrum nach Reichenbach geschickt, dort einen Röntgen- und MRT-Termin vermittelt. Das ambulante Zentrum arbeitete dort Hand in Hand mit dem angebundenen Krankenhaus, der Paracelsus-Klinik. Doch die gesamte Einrichtung wurde im März dieses Jahres geschlossen. Der Grund: Insolvenz. Ihre Patientin anderweitig unterzubekommen, gestaltete sich schwierig.
"Wir haben bestimmt sechs, sieben, acht, neun Mal probiert, jemanden zu erreichen. Ich und auch die Schwestern. Das macht einen wütend und hilflos", erklärt die Medizinerin. Roselinde Weinhold musste schließlich nach Thüringen fahren in das Krankenhaus Greiz-Ronneburg. Durch das schnelle Handeln der Ärztin konnte offenbar Schlimmeres vermieden werden: Es wurde ein Mehrfachbruch der Wirbelsäule diagnostiziert.
Das macht einen wütend und hilflos.
Schließung der Paracelsus-Klinik in Reichenbach kein Einzelfall
Laut sächsischem Sozialministerium ist der Vogtlandkreis mit Fachärzten überversorgt. Das kann Janine Berauer aus ihrer Erfahrung heraus nicht bestätigen. "Wir haben lediglich einen Chirurgen in Reichenbach, mittlerweile keinen Radiologen mehr, der röntgen kann. Das ist keine Überversorgung, die existiert für uns nicht.
Die Paracelsus-Klinik in Reichenbach zählt bundesweit zu 34 Krankenhäusern, die innerhalb eines Jahres Insolvenz anmelden mussten. Die Schließung des ambulanten Zentrums und des Krankenhauses erschwert die Versorgung im Vogtlandkreis. Viele weitere sind in Not, bestätigt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß: "Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das ist ein Riesenproblem für Patientinnen und Patienten."
Experte: 80 Prozent der Kliniken bundesweit machen Minus
Bundesweit würden 80 Prozent der Kliniken rote Zahlen schreiben, so Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft – mittlerweile auch in den neuen Bundesländern, obwohl in den 1990er-Jahren dort bereits eine Krankenhaus-Strukturreform durchgeführt wurde: "In der Tat ist es so, dass Standorte (Anm. der Redaktion: in den neuen Bundesländern) zusammengelegt wurden. Damit wurden Aufgaben erledigt, die in den westlichen Standorten noch anstehen." Aber "die wirtschaftliche Notlage" zeige sich nun auch an den Standorten, "die eigentlich auch ihre Hausaufgaben schon gemacht haben".
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 19. Oktober 2023 | 21:00 Uhr