Umzugspläne gefährdet Lungenklinik Ballenstedt insolvent – immer mehr Mitarbeiter wollen Klinik verlassen

29. September 2023, 16:14 Uhr

Die Lungenklinik Ballenstedt im Harz musste Insolvenz anmelden. Das Krankenhaus hatte zuletzt mit gestiegenen Preisen und mangelnder Auslastung nach der Pandemie zu kämpfen. Nun sind auch die Umzugspläne nach Quedlinburg gefährdet, weil einige Mitarbeiter gekündigt haben. Auch wollen immer mehr Mitarbeiter die Klinik verlassen. Der SPD-Politiker Mario Henning befürchtet, dass weiteres Personal gehen könnte, was eine Rettung der Klinik unmöglich machen würde.

Die zum Harzklinikum gehörende Lungenklinik in Ballenstedt im Landkreis Harz hat Insolvenz angemeldet. Das hat der Aufsichtsratsvorsitzende und Landrat, Thomas Balcerowski (CDU), MDR SACHSEN-ANHALT am Mittwoch mitgeteilt. Das Amtsgericht habe dem Antrag stattgegeben.

Demnach wird die Insolvenz in Eigenverwaltung durchgeführt. Die Geschäftsführung bleibe bestehen. Als Sachverwalter habe man Lucas Flöther eingesetzt. Die 149 Beschäftigten seien am Mittwoch informiert worden.

Umzug nach Quedlinburg könnte scheitern

Die Lungenklinik Ballenstedt hatte zuletzt mit gestiegenen Preisen und mangelnder Auslastung zu kämpfen. Im April konnte das Krankenhaus die Insolvenz noch abwenden. Geplant ist ein Umzug der Lungenklinik ins Harzklinikum Quedlinburg. Demnach sollen die Mitarbeiter zum 29. November wechseln.

Nach Aussage des Landrates Thomas Balcerowski ist dafür zwar alles vorbereitet. Der Plan sei nun aber in Gefahr, weil vor einigen Wochen bereits der Betriebsleiter und die ärztliche Leitung gekündigt hätten. Mit fünf Fachärzten, die für den Weiterbetrieb essentiell seien, würden noch Gespräche geführt.

Thomas Balcerowski in einer Nahaufnahme auf einer Höhe stehend mit einem Tal hinter sich.
Landrat Thomas Balcerowski befürchtet, dass der Umzug nach Quedlinburg scheitern könnte. Bildrechte: MDR / Simon Köppl

SPD-Politiker äußert Kritik

Kritik kommt vom Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit der SPD, Mario Hennig, der sich bereits auf der Kreistagssitzung im Juni für den Erhalt der Lungenklinik ausgesprochen hatte. Hennig hatte seinerzeit bemerkt, dass sich durch die Umzugspläne Mitarbeiter "wegbewerben" würden.

Der SPD-Politiker sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Mittwoch, infolge der nun bekannt gewordenen Insolvenz würden sich weitere Fachkräfte mit einem Weggang befassen. Selbst wenn ein Investor einsteigen würde, um die Lungenklinik zu retten, wäre am Ende kein Personal mehr da, um den Betrieb gewährleisten zu können. Die Lungenklinik Ballenstedt ist eine pneumologische Fachklinik in Trägerschaft des Harzklinikums Dorothea Christiane Erxleben und der Evangelischen Stiftung Neinstedt.

Offenbar weitere Abgänge

Die Befürchtungen zunehmender Abgänge scheinen sich zu bewahrheiten. MDR-Informationen zufolge wollen immer mehr Mitarbeiter die insolvente Klinik verlassen. Der Konkurrent AMEOS bestätigte MDR SACHSEN-ANHALT am Freitag, dass es dazu bereits Gespräche gibt. Außerdem seien in den umliegenden AMEOS-Häusern Bewerbungen eingegangen. Man werbe aber die Leute nicht aktiv ab.

Zuletzt waren mehrere Werbe-Plakate in Ballenstedt aufgetaucht. Außerdem hatte AMEOS im März dieses Jahres auf einem riesigen Bildschirm direkt vor dem Harzklinikum in Wernigerode um Mitarbeiter geworben. Der Aufsichtsratschef des Harzklinikums und Landrat des Landkreises Harz, Thomas Balcerowski (CDU), sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Freitag, dass das Harzklinikum weiterhin für Personalgespräche zur Verfügung steht.

Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt fordert Anpassung der Hebesätze

Sachsen-Anhalts Krankenhausgesellschaft hat erneut gefordert, dass der Bund die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser sicherstellt, bis die geplante Reform umgesetzt ist. Der Geschäftsführer der Gesellschaft, Gösta Heelemann, wies im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag darauf hin, dass die Krankenhäuser von 2019 bis 2023 eine Kostensteigerung von 23 Prozent verzeichnet haben – aufgrund von Pandemie und Inflation. Mit dem gesetzlichen Hebesatz des Bundes könnten die Kliniken aber nur 13 Prozent refinanzieren.

In Berlin kamen mehrere hundert Angestellte und Mitarbeitende verschiedener Krankenhaeuser zur zentralen Kundgebung.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte Anfang September auf einem bundesweiten Protesttag unter anderem Inflationsausgleich gefordert. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO/Christian Ditsch

Heelemann forderte daher den Bund auf, den Hebesatz schnellstmöglich gesetzlich zu ändern. Der Satz legt zum Beispiel fest, wie viel eine Klinik für eine Blinddarm-Operation berechnen darf. Das System reagiere nicht so schnell, wie sich aktuell die Kosten aufgrund der Inflation entwickelten. Deshalb sei es nötig, die Hebesatz-Obergrenzen aufzubrechen. Heelemann geht auch davon aus, dass die geplante Krankenhausreform erst nach zehn Jahren vollständig umgesetzt ist, und plädiert deshalb für diese Übergangslösung.

Krankenhausreform Die Krankenhausreform sieht vor, die sogenannten Fallpauschalen abzuschaffen. Stattdessen sollen die Kliniken nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums für das Vorhalten von Personal, Technik, Notaufnahmen und für angebotene Leistungen vergütet werden.

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte Behandlungsangebote der Kliniken sein. Diese "Leistungsgruppen" sollen dafür sorgen, dass die Qualität der Behandlung einheitlich ist. Außerdem sollen sich die Kliniken stärker spezialisieren und darauf fokussieren, ob sie vor allem für die medizinische Grundversorgung verantwortlich sind oder auch komplizierte Behandlungen übernehmen.

MDR (Michel Holzberger, Christoph Dziedo, Tom Gräbe, Leonard Schubert, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. September 2023 | 09:30 Uhr

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