Lernen für die Arbeitswelt Evangelische Werkschule Milkau: Christlicher Arbeitsethos auf der Schulbank
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10. Januar 2023, 05:00 Uhr
Die Evangelische Werkschule Milkau führt Schüler schon früh ins Arbeitsleben ein: mit Werkunterricht und einem festen Arbeitstag in der Wirtschaft pro Woche. Dafür nehmen die Schüler weniger Freizeit in Kauf. Sie schätzen den praktischen Ansatz sowie die frühe Berufsorientierung der Oberschule, sagen sie.
- Das Schulkonzept an der Werkschule Milkau sieht vor, Lernen und Lehren mit christlichen Glaubenssätzen miteinander zu verbinden.
- Zum Schulalltag gehören ein zusätzlicher Werktag pro Woche und später Praktika in Betrieben.
- Viele Jugendliche verlassen die Schule mit konkreten Vorstellungen von der späteren beruflichen Laufbahn.
In der Evangelischen Werkschule Milkau bei Mittweida läuft der morgendliche Schulbeginn anders ab als in vielen anderen Schulen. Denn vor dem Unterrichtsbeginn stehen feste Rituale an.
Zuerst geht es den Handys an den Kragen: Sobald die Kinder in die fünfte Klasse der staatlich anerkannten Oberschule kommen, erhalten sie eine von ihren älteren Mitschülern liebevoll gestaltete Handytasche. In diese legen sie dann jeden Morgen ihre Mobiltelefone und erhalten sie erst nach Schulschluss wieder zurück.
Erst die Andacht, dann der Unterricht
Jeder Schultag an der Werkschule beginnt mit einer Andacht. Diese wird von den Lehrenden individuell im Klassenzimmer abgehalten. Für den Tag, an dem das MDR-Team die Schule besucht, hat sich Ralph Bennemann eine Andacht zum Thema Regeln erdacht. Warum sind sie notwendig? Sowohl im menschlichen Umgang, im Gesellschaftsleben (Verkehrsregeln), aber auch in Bezug auf die zehn Gebote, auf denen der evangelische Glaube basiert.
Letzterer ist wichtig in der Evangelischen Werkschule Milkau. "Neben den Andachten feiern wir auch christliche Feiertage, feiern Gottesdienste auch in der Kirche und vieles mehr", sagt Schulleiterin Mandy Dießner. Das Fach Ethik steht an der Privatschule nicht auf dem Lehrplan, alle Kinder und Jugendlichen besuchen den Religionsunterricht. Obgleich, wie Mandy Dießner erklärt, nur knapp die Hälfte aller rund 200 Schülerinnen und Schüler konfessionell gebunden sei.
Die meisten Eltern würden sich vor allem für den praktischen Ansatz der Werkschule entscheiden, sagt die Schulleiterin. Dafür zahlen sie auch Schulgeld.
Privatschule auf Initiative von Handwerkern
Als die damalige Oberschule in Milkau vor einigen Jahren geschlossen werden sollte, wurden die Menschen vor Ort aktiv. "Damals haben viele gesagt: 'Die Schule muss im Ort bleiben!'", erinnert sich Dießner. Sie selbst lehrte damals noch an der evangelischen Grundschule in Döbeln und wechselte nach deren Gründung als Schulleiterin an die Evangelische Werkschule in Wilkau.
Mandy Dießner erzählt, Handwerker vor Ort seien damals auf die Idee einer Werkschule gekommen. "Es ist wichtig, dass die Handwerke im Ort erhalten und auch die Arbeitskräfte in der Region bleiben", gibt Mandy Dießner den damaligen Grundgedanken für eine neue Schule wieder, der die Werkschule noch heute prägt.
Von den Werkbänken der Schule an die der Wirtschaft
Praxis und Berufsorientierung ziehen sich als roter Faden schon durch die jüngeren Schulklassen der Oberschule. Sie beginnen mit einem Werktag pro Woche, an dem sie sich nicht nur künstlerisch mit Bastelprojekten ausprobieren können. Dort werden schon früh Methoden und Fähigkeiten gelehrt, die es im späteren Berufsleben braucht.
Die sechste Klasse etwa, die den Unterricht von Ralph Bennemann besucht, baut an einem Spielturm aus Holz. Die unfertigen Werkstücke werden zu Beginn des Unterrichts ausgeteilt, dazu gehören einerseits Bauteile, die montiert werden müssen, andererseits ein Arbeitsheft - und auf dieses kommt es an. Dort tragen die Schülerinnen und Schüler nämlich akribisch ihre Messwerte und Arbeitsschritte ein, dokumentieren ihr Vorgehen und arbeiten mit Arbeitsanweisungen und technischen Zeichnungen. Spiel und Arbeit liegen stets nah beieinander.
Konzept geht auf: Viele Schüler beginnen Lehre in der Nähe
Ab der 8. Klasse wird der Werktag in die Wirtschaft der Region ausgelagert. Dann arbeiten die Lernenden je einen Tag der Woche in einem Betrieb der Region. "Es ist wichtig, den Schülern das Arbeitsleben früh nahezubringen", sagt Mandy Dießner. So könnten sie schon früh ihre Stärken und Schwächen erkennen und in der Praxis eine klarere Vorstellung von den Möglichkeiten bekommen, die das spätere Berufsleben bietet.
Bis zu fünf Praktika absolviert jedes Kind bis zum Realschulabschluss an der mittelsächsischen Schule. Das Konzept der Schule geht auf. Viele Absolventinnen und Absolventen beginnen eine Lehre in den Betrieben der Umgebung, sagt Mandy Dießner mit Stolz.
Kinder haben mehr und länger Unterricht als anderswo
Wird zugunsten der Praxis an der Werkschule weniger "normaler" Schulstoff vermittelt? Mandy Dießner verneint dies vehement. "Die Kinder haben definitiv mehr und länger Unterricht als an anderen Schulen", sagt die Schulleiterin. Protest gebe es ob dieses Umstandes nicht.
Die Kinder haben definitiv mehr und länger Unterricht als an anderen Schulen.
Bei der Evangelischen Werkschule in Milkau handelt es sich um eine Privatschule mit staatlicher Anerkennung. Eltern bezahlen 75 Euro Schulgeld jeden Monat. "Sozial schwache Familien haben die Möglichkeit, das Schulgeld zu reduzieren", erklärt die Schulleiterin.
Elemente aus der Corona-Zeit übernommen
Geboten wird den Schülerinnen und Schülern neben einem kleinen Jugendclub auf dem Schulhof ein umfassendes Beratungsangebot, Berufsorientierung und ein motiviertes Kollegium. Dies, so Dießner, habe sich etwa während der Lockdown-Zeiten der vergangenen Jahre deutlich gezeigt. Man sei etwa sehr schnell zum Online-Unterricht übergegangen und das habe super funktioniert.
Einige Elemente haben sich sogar im Schulalltag durchgesetzt - etwa im Hauswirtschaftsunterricht von Katja Göbel. Die kocht mit den Schülern nämlich nicht nur frisch in der kleinen Lehrküche der Schule (am Ende werden die Werkstücke gemeinsam verspeist), sondern nimmt manchmal auch kleine Lehrvideos auf und lässt die Lernenden an den heimischen Herden mitkochen.
Lehrkräfte als Quereinsteiger aus der Wirtschaft
Um den Lernenden einen guten Einblick geben zu können, greift die Schule in einigen Fächern auf Lehrkräfte aus der Praxis zurück. Etwa auf Ralph Bennemann. "Ich habe gemerkt, dass Verdienst alleine kein Beweggrund ist, um morgens aufzustehen", sagt er. Der Lehrer arbeitete vor seiner aktuellen Stelle 17 Jahre lang in der freien Wirtschaft im Bereich der Holzverarbeitung.
Nun betreut er als Quereinsteiger das Projekt "Arbeitswelt", also die Vermittlung der Schülerinnen und Schüler an Firmen für Praktika und deren Betreuung, und unterrichtet Werken. "Es geht darum, sich auszuprobieren, in die Arbeitswelt hineinzuschnuppern", sagt er, dabei wolle er den Heranwachsenden helfen.
Das Handwerk sieht Bennemann trotz zunehmender Technisierung und Wandel der Arbeitswelt als sicheren Hafen, den er auch den Schülerinnen und Schülern empfehlen kann: "Es wird immer jemanden geben, der die Steckdose anbringt und das verstopfte Rohr reinigt. Das kann der Theoretiker vom Schreibtisch aus einfach nicht." Ihm gefalle zudem die geringe Klassengröße, der Teiler liegt den Angaben zufolge bei 20, und das familiäre Miteinander an der Schule. Man kenne die Kinder und Jugendlichen und deren Umfeld noch persönlich, betont auch Mandy Dießner.
Es wird immer jemanden geben, der die Steckdose anbringt und das verstopfte Rohr reinigt. Das kann der Theoretiker vom Schreibtisch aus einfach nicht.
Wie gefällt es Schülerinnen und Schülern?
Die Schülerschaft wird an der Evangelischen Werkschule Milkau von einer weiblichen Doppelspitze vertreten. Konkret sind das die Neuntklässlerinnen Johanna Lange und Leonie Grafe. Erstere lobt: "Man hat hier christliche Grundlagen und praktische Erfahrungen." Sie selbst habe sich durch mehrere Praktika entschieden, künftig mit Menschen zu arbeiten, vielleicht in der Altenpflege. Derzeit absolviert sie ihren Praktikumstag in einem evangelischen Kindergarten.
Leonie Grafe ist vor allem von den Ganztagsangeboten der Schule begeistert, also Aktivitäten nach Schulschluss. "Ich bin im Kurs Bogenschießen und mache 3D-Druck", sagt sie. Auch Leonie Grafe glaubt, das Interessengebiet für ihre spätere berufliche Laufbahn gefunden zu haben: Sie will Programmieren lernen und sucht dafür nach geeigneten Praktikumspartnern.
Alle befragten Schülerinnen und Schüler schätzten den praktischen Ansatz ihrer Schule, probierten sich nach eigener Aussage gerne aus. Wie Mandy Dießner erklärt, sind einige sogar so begeistert, dass sie erste kleine Arbeiten nach der Schule für Betriebe in der Region übernehmen. "Natürlich im Rahmen des Jugendschutzes", betont die Schulleiterin.
Zahlen und Fakten zur Evangelischen Werkschule in Milkau
- 200 Schülerinnen und Schüler werden von der 5. bis zur 10. Klasse an der Oberschule unterrichtet.
- Es handelt sich um eine staatlich anerkannte Oberschule.
- Träger ist der Verein Evangelische Werkschule Milkau e.V..
- Glaube oder konfessionelle Gebundenheit sind keine Zugangsvoraussetzung.
- Der Klassenteiler liegt bei 20 Schülerinnen und Schülern.
- Das Schulgeld beträgt 75 Euro pro Monat.
- Zur Schullaufbahn gehören fünf Praktika ab der 8. Klasse, diese werden an je einem Tag pro Woche ausgeführt.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 10. Januar 2023 | 20:00 Uhr
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