Kulturhauptstadt 2025 Strampeln für das Filmvergnügen: mit dem Fahrradkino Chemnitz in den Garagenhof
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03. September 2024, 11:28 Uhr
Das Fahrradkino ist die klimafreundliche Alternative zum Autokino. In Chemnitz wird seit 2020 gestrampelt, um Strom für ein energie-autarkes Kino zu erzeugen. Zugleich sollen auf diesem Weg unbekannte Orte der Kulturhauptstadt 2025 erschlossen werden. Unsere Autorin hat die sportliche Film-Vorstellung in einem alten Garagenhof besucht.
- Das Fahrradkino Chemnitz sucht für seine Vorstellungen gezielt nach ungewöhnlichen Orten.
- Entstanden ist es als Mikroprojekt im Rahmen der Kulturhauptstadt 2025.
- Das Kino funktioniert komplett energie-autark, nur mit Beinkraft.
Beinkraft ist gefordert beim Fahrradkino Chemnitz, denn ohne die geht die Vorführung nicht los. Seit 2020 ruft der Verein Fahrradkino Chemnitz e.V. dazu auf, in die Pedalen zu steigen und die Projektion herbeizutreten.
Schauplatz ist an diesem Abend ein alter Garagenhof im Stadtteil Sonnenberg. Die Fahrradenthusiasten sind beim Kulturhauptstadtprojekt #3000Garagen zu Gast, das den Mikrokosmos der Garagen für die Allgemeinheit erschließt. Denn das sind schließlich nicht nur Orte, wo Fahrräder oder Autos parken. Hier werden Garten- und Sportgeräte aufbewahrt, wird geschraubt und gebastelt, gefeiert und musiziert, und in Regalen lagert kistenweise Nützliches. Wieso also nicht auch ein Kino aufschlagen?
Beamer, Leinwand, Liegestühle im Garagenhof
Ann-Kathrin Ntokalou von #3000 Garagen findet, "das passt wunderbar zusammen, weil wir in diesen Garagen, die ja zum Teil fast 50 Jahre alt sind, gar keinen Strom haben. Jetzt hier alles mitzubringen und selbst das Licht und den Film und das ganze Ambiente zu erzeugen mit den Fahrrädern, das ist natürlich super!“
Zwischen zwei Garagenzeilen auf dem Sonnenberg stehen Leinwand, Soundsystem und Beamer, bunte Strandstühle, dazu acht Fahrräder, die den Strom liefern sollen. Und natürlich ein Grill, passend zum lauschigen Spätsommerabend.
Das Fahrradkino bespielt Orte in und um Chemnitz
Um kulturelle Erlebnisse für jeden und überall zugänglich zu machen, sucht das Fahrradkino Chemnitz gezielt Orte, die weniger im Fokus stehen und die es noch zu entdecken gilt, sagt Vereinsmitglied Julia Kasperczak.
"Es sind manchmal historisch bedeutsame Orte, abgelegene Orte, Wohngebiete. An einer Schlucht haben wir beispielsweise schon einmal einen Film gezeigt, denn wir sind ja energie-autark. Wir brauchen also keine Steckdose, und damit können wir überall hingehen, wo es schön ist", schwärmt Kasperczak.
Damit können wir überall hingehen, wo es schön ist.
Seit das Fahrradkino 2020 im Rahmen der Chemnitzer Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas als Mikroprojekt gegründet wurde, versucht es, mehr Menschen aufs Rad zu locken.
Den Strom erzeugen die Zuschauer selbst
An diesem Sommerabend verwandelt sich der alte Garagenhof in eine Raum-Zeit-Maschine und transportiert die Filmzuschauer zurück in die Wendezeit. Zu sehen gibt es als Überraschungsfilm eine turbulente Sommerkomödie. Acht Filmzuschauer, Männer wie Frauen, treten dazu kräftig in die Pedale.
Wer möchte, bringt zum Event sein eigenes Fahrrad mit, um mitzustrampeln. Die meisten aber, vom Kleinkind bis zum Rollator-Fahrer, kommen ohne Rad und freuen sich einfach nur auf einen schönen Filmabend vor ungewöhnlicher Kulisse.
Als die Sonne untergeht, finden sich alle auf Strandstühlen und Bierbänken ein. Und die Bewegungsfreudigen, wie Vereinsmitglied Julia Kasperzak, schwingen sich auf die Fahrräder. Die sind in einen Rollentrainer eingespannt und durch das Treten entsteht kinetische Energie. Die wird über eine Rolle am Ende des Rollentrainers in Strom umgewandelt. Der speist dann den Akku und der wiederum die technischen Geräte.
Kein Flackern des Films, kein Schwächeln des Tons – die Sommerkomödie läuft tadellos über die Leinwand. Dafür muss ordentlich gearbeitet werden.
Klingeln, bevor man vom Sattel fällt
So mancher Fahrradenthusiast in Sportklamotten sieht es als körperliche Herausforderung, andere halten nicht so lange durch. Wer erschöpft ist (und das geht ohne Fahrtwind schneller als gedacht), betätigt die Fahrradklingel und wird sogleich abgelöst.
Das latente Surren der acht Fahrräder und Rollentrainer legt sich wie ein einlullender Teppich unter den Filmsound. Unzählige Kerzen und Lämpchen beleuchten die Szenerie zwischen Wellblech und Beton und machen Lust auf den nächsten Filmabend mit dem Fahrradkino Chemnitz.
Redaktionelle Bearbeitung: lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. September 2024 | 14:15 Uhr