Ehrenamt Warum sich ein "wildgewordener Haufen Senioren" in Rochlitz engagiert
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09. März 2024, 14:40 Uhr
Mit einem Durchschnittsalter von 51,1 Jahren (Stand 2022) ist Rochlitz eine der ältesten Städte im Landkreis Mittelsachsen. Das ist aber kein Grund Langeweile, beweist seit fünf Jahren der ehrenamtliche Seniorenrat der Stadt. MDR SACHSEN hat die aktiven Rentner in ihrem Generationentreff direkt am Markt getroffen und gestaunt.
Aufgeregt haben sich ein Mann und drei Frauen des Seniorenrats Rochlitz an einem Tisch im Genrationentreff versammelt. Der weißgestrichene und großzügig geschnittene Raum ist gemütlich mit Tischen, Stühlen und Sofas eingerichtet. Fast hat man das Gefühl im Wohnzimmer seiner Oma zu sitzen. Elly Martinek, die Vorsitzende, sprüht geradezu vor Energie, als sie ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen vorstellt. Ihre Augen blitzen und ihre freundliche und zupackende Art lässt sie viel jünger wirken als ihre 76 Jahre.
"Wir sind ein wildgewordener Haufen von Seniorinnen und Senioren", sagt sie lachend. "Wir sind nicht gewählt worden oder so. Wir haben uns einfach zusammengefunden, um in Rochlitz etwas für Jung und Alt zu schaffen." Insgesamt machen derzeit 14 Menschen beim Seniorenrat mit.
Wir sind ein wildgewordener Haufen von Seniorinnen und Senioren.
Gemeinsame Projekte mit Jugendladen
Obwohl Rochlitz mit einem Durchschittsalter von 51,1 Jahren (Stand 2022) eine der ältesten Städte des Landkreises Mittelsachsen ist, ist es der Gruppe sehr wichtig nicht nur "für alte Leute da zu sein". "Wir haben zum Beispiel eine enge Kooperation mit dem Jugendladen", so Martinek. Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen werden verschiedene Projekte und Veranstaltungen auf die Beine gestellt.
So gibt es eine Koch-AG der Jugendlichen, bei der zum Beispiel die 68 Jahre alte Seniorin Sieglinde Schmidt immer mithilft. "Außerdem gibt es alle zwei Monate einen gemeinsame Spieleabend hier in unserem Generationentreff", erzählt sie mit leuchtenden Augen. "Die Jungen fühlen sich inzwischen hier schon wie Zuhause."
Die gemeinsamen Projekt würden sehr gut angenommen, erzählt Sozialarbeiterin Peggy Lorenz, die für den Jugendladen zuständig ist. Sie erzählt von einem Projekt, bei dem gemeinsam Bänke gebaut und aufgestellt wurden. "Es gibt einen großen Bedarf an Sitzgelegenheiten in Rochlitz", sagt sie. "Allerdings haben Junge und Alte unterschiedliche Vorstellungen davon, was sie haben wollen." Am Ende habe man sich auf zwei normale und zwei Lümmelbänke geeinigt und diese gemeinsam mit einem Tischler gebaut.
"Gemeinsam gegen einsam"
Sozialarbeiterin Lorenz sitzt ganz entspannt in der Seniorenrunde. Man merkt, dass sie öfter im Generationentreff zu Besuch ist. "Ich gebe hier auch ehrenamtlich Yoga-Kurse", verrät sie lächelnd.
Das aktuelle gemeinsame Projekt nennt sich "gemeinsam gegen einsam". Betroffene können sich melden und würden dann zu einem Gespräch eingeladen. Rita Kunze kennt Einsamkeit aus eigenem Erleben. "Nach einigen Schicksalsschlägen war ich von heute auf morgen allein", erzählt die 72-Jährige. "Ich wollte eine Möglichkeit finden, raus unter Leute zu kommen." Da ihre Schwägerin bereits im Seniorenrat aktiv war, ließ sich Kunze zu einem Treffen mitnehmen. "Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden und bin sehr froh, hier dabei zu sein", sagt sie.
"Es ist natürlich schwierig, vor allem mit dem Datenschutz", sagt Elly Martinek. "Eigentlich darf uns ja niemand sagen, dass jemand anderes einsam ist." Sie hofft, dass Betroffene selbst auf sie zukommen.
Flyer wirbt in Internet und Zeitung für Aktion
Dazu hat Felix Müller einen Flyer gestaltet, der nun im Internet für die Aktion wirbt. Der 67-jährige Müller ist "das Küken" des Seniorenrates, wie seine Mitstreiterinnen am Kaffeetisch lachend verkünden. Er kümmert sich um alles, was mit Computern oder Design zu tun hat. "Als ich vor kurzem in Rente gegangen bin, wollte ich das nutzen und der Gesellschaft etwas zurückgeben", erzählt er. "Und eben auch Dinge in die Hand nehmen, die nicht nur mit 'Senioren' zu tun haben."
Für ihn ist "gemeinsam gegen einsam" kein Projekt, sondern eine Einstellung. "Es ist ein dauerhaftes Angebot ganz ohne Teilnahmepflichtzwang", sagt er. "Wer gern zu unseren Veranstaltungen oder einfach so vorbeikommen möchte, kann das einfach machen."
Als ich vor kurzem in Rente gegangen bin, wollte ich das nutzen und der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Oberbürgermeister will Seniorenrat nicht missen
Oberbürgermeister Frank Dehne (parteilos) spricht mit MDR SACHSEN begeistert über das Engagement des Seniorenrates in seiner Stadt. "Es ist eine sehr große Bereicherung und Hilfe für die Stadt." Die Seniorinnen und Senioren würden viele Dinge für die knapp 5.800 Einwohnerinnen und Einwohner tun, die die Stadt selbst nicht leisten könne.
"Außerdem werden dort auch Probleme und Wünsche von den Bürgern diskutiert, die dann an die Stadt herangetragen werden", so Dehne. Deswegen unterstützt Rochlitz die Senioren, indem sie Mieter des Generationentreffs ist und auch die Kosten bezahlt. "Es gibt andere Städte, die uns um unseren Seniorenrat sehr beneiden", verrät der Oberbürgermeister noch am Ende.
Am Kaffeetisch im Generationentreff wird noch lange von Projekten und Angeboten erzählt. Ständig fällt den Aktiven noch etwas ein, was sie in den vergangenen fünf Jahren in ihrer Stadt auf die Beine gestellt haben. Fast klingt es, als würden die Rentnerinnen und Rentner einen Vollzeitjob ausüben. "Aber jeder macht so viel, wie er möchte", sagt Müller. "Wer da ist, ist da und wer nicht, der nicht." Mit dieser entspannten Einstellung wollen die Mitglieder des Seniorenrates in Rochlitz in den nächsten Jahren noch einiges bewegen.
MDR (ali)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 20. Februar 2024 | 08:30 Uhr