Missbrauchsvorwürfe Anzeige gegen ehemaligen Mönch des Klosters Wechselburg
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23. Februar 2023, 17:09 Uhr
2016 wurde ein ehemaliger Benediktinermönch in Bayern wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Durch MDR-Recherchen kam jetzt heraus, dass sich der Mann auch im sächsischen Kloster Wechselburg an Minderjährigen vergangen haben soll. Der Betroffenenbeirat für kirchliche Missbrauchsopfer kritisiert, dass dem Pater dort überhaupt Verantwortung für Kinder und Jugendliche übertragen wurde.
- Gegen einen früheren Benediktinermönch aus dem Kloster Wechselburg in Mittelsachsen gibt es Missbrauchsvorwürfe.
- Der Beschuldigte wurde bereits für Delikte im Kloster Ettal in Bayern rechtskräftig verurteilt.
- Der Betroffenenbeirat der ostdeutschen Bistümer kritisiert, dass das Bistum Meißen seiner Verantwortung bisher nicht nachgekommen sei.
Ein früherer Leiter des Jugend- und Familienhauses im Benediktiner-Kloster Wechselburg hat zwischen 2005 und 2010 offenbar mehrere Minderjährige missbraucht. Das haben Recherchen von MDR SACHSEN ergeben. Der Prior des Klosters, Pater Maurus Kraß, teilte nach einer entsprechenden Anfrage öffentlich mit, dass es derartige Vorwürfe gibt und forderte weitere mögliche Betroffene auf, sich zu melden und bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Das Kloster sei bereit, die Kosten für eine anwaltliche Erstberatung zu übernehmen.
In allen drei Fällen halte ich die Vorwürfe für sehr plausibel.
Im Gespräch mit MDR SACHSEN sagte der Prior, derzeit seien drei Fälle bekannt. Ein Betroffener habe sich im November 2022 direkt an ihn gewandt. In diesem Falle habe er mit Zustimmung des Mannes Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat die Anzeige auf Anfrage von MDR SACHSEN bestätigt. Die beiden anderen Betroffenen haben sich laut dem Prior über Dritte gemeldet. "In allen drei Fällen halte ich die Vorwürfe für sehr plausibel", erklärte Pater Maurus Kraß. Geschehen seien die Taten im Kinder- und Familienhaus des Klosters - einem Zentrum der katholischen Jugendarbeit im Bistum Dresden-Meißen, ein bei Jugendlichen bekannter und beliebter Wallfahrtsort.
Mutmaßlicher Missbrauch in der Zeit von 2005 bis 2010
Die Missbrauchsvorwürfe richten sich gegen den ehemaligen Benediktiner-Mönch Pater G., der das Haus von 2005 bis 2010 leitete. Das Brisante daran: Der Priester war nach Sachsen geschickt worden, nachdem an seiner vorherigen Wirkungsstätte, der Schule und dem Internat im bayerischen Kloster Ettal, intern Missbrauchsvorwürfe gegen ihn auftauchten. Diese seien damals aber nicht anzeigewürdig gewesen, erklärte Pater Maurus Kraß. "Ich habe auch damals die Kriminalpolizei informiert. Es galt allerdings als zu niederschwellig für eine Anzeige", sagte Kraß.
Zudem habe ein unabhängiges psychologisches Gutachten bestätigt, dass Pater G. weiter vollumfänglich für die Betreuung und Seelsorge Minderjähriger eingesetzt werden könne. Dass ihm die Leitung des Mutterklosters Ettal die Führung des Kinder- und Familienhauses in Wechselburg übertragen habe, sei aus heutiger Sicht ein schwerer Fehler gewesen, räumt der Prior ein.
Ehemaliger Mönch zu Haftstrafe verurteilt
Nachdem die Vorwürfe aus Bayern 2010 ans Licht der Öffentlichkeit kamen und strafrechtlich verfolgt wurden, zog das Kloster Pater G. von dem Posten ab. Später entzog ihm der Vatikan auch die Priesterwürde. Nach zwei Prozessen wurde der ehemalige Mönch im August 2016 vom Landgericht München zu sieben Jahren Haft verurteilt, wegen sexuellen Missbrauchs in zehn und schweren sexuellen Missbrauchs in fünf Fällen. Alle diese Taten beging er vor seiner Zeit in Wechselburg.
Kritik am Bistum Meißen
Bei der Aufklärung und Verfolgung der jetzt in Sachsen aufgetauchten Missbrauchsvorwürfe sieht der Betroffenenbeirat der ostdeutschen Bistümer das Bistum Meißen in der Pflicht. Sprecherin Sabine Otto kritisierte im Gespräch mit MDR SACHSEN, bisher sei es seiner Verantwortung für die Vorkommnisse überhaupt nicht nachgekommen, sondern schiebe sie vollständig dem Benediktinerkloster zu.
Ich denke, dass das Bistum seiner Verantwortung überhaupt nicht nachgekommen ist. Es versucht bis jetzt, die Verantwortung für das, was hier passiert ist, vollständig dem Benediktinerkloster zuzuschieben.
Betroffene brechen ungewöhnlich zeitig ihr Schweigen
Tatsächlich zeigte das Bistum erst nach einer Anfrage von MDR SACHSEN am Mittwoch den neu aufgetauchten Verdacht bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden an und verwies in einer Pressemitteilung auf die Aufklärungsbemühungen in Wechselburg.
Sabine Otto findet es besonders wichtig, dass Pater Maurus Kraß den Berichten des ersten Betroffenen Glauben schenkte: "So fühlen sich auch andere ermutigt und schaffen es, ihr Schweigen zu brechen", sagte die Sprecherin des Betroffenenbeirats. Es sei außergewöhnlich, dass Betroffene jetzt schon über die Vorfälle redeten. Oftmals dauere das Jahrzehnte. "Das typische Alter ist eigentlich zwischen 40 und 50 Jahren", sagte Otto.
Telefonberatung für Missbrauchsopfer Opfer von Missbrauch können sich anonym und kostenfrei beim Hilfeportal "Sexueller Missbrauch" melden. Die Telefonnummer ist 0800 22 55 530. Unter der Nummer sind Seelsorger montags, mittwochs und freitags zwischen 9 Uhr und 14 Uhr sowie dienstags und donnerstags zwischen 15 Uhr und 20 Uhr zu erreichen.
MDR (aro/stt/sth)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. Februar 2023 | 19:00 Uhr