Statistisches Bundesamt Wohnungslose in Sachsen: Bund prüft per Stichprobe

01. Februar 2023, 13:50 Uhr

Manche langfristig, andere zeitweise: 178.000 Menschen gelten laut dem Statistischen Bundesamt als wohnungslos. Die Dunkelziffer könnte jedoch wesentlich höher sein, denn die Zahl wurde per Stichprobe am 31. Januar 2022 erstmals erfasst. Am Dienstag wurden erneut der aktuelle Stand abgefragt. Fachleute der Diakonie plädieren unterdessen für mehr Maßnahmen, die Wohnungslosigkeit verhindern.

1.673 Menschen in Sachsen galten im Jahr 2022 als wohnungslos. Ermittelt hat diese Zahl das Statistische Bundesamt, mit einer Stichprobe zum 31. Januar des Vorjahres. Ein bislang in der Bundesrepublik einmaliges Vorgehen, wie Alfred Mucha von der Stadtmission in Chemnitz erklärt. Der Leiter der Wohnungsnotfallhilfe in Chemnitz begrüßt die Datenerhebung.

Wie werden die Zahlen ermittelt?

Am 31. Januar, also am Dienstag, vermelden sämtliche Notunterkünfte in ganz Deutschland die Zahl derer, die an diesem Tag die Einrichtung aufsuchen und nutzen. Mit den Zahlen aus diesem Jahr kann nun erstmals ein Vergleich vollzogen, eine Tendenz abgelesen werden.

"Sachsen hat diese Zahlen zuletzt 2007 erhoben, seitdem erhebt die Diakonie selbst Zahlen. Wir wollen ja wissen, wie die Lebenslagen der Menschen sind, damit wir ihnen helfen können", sagt Alfred Mucha. Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Erhebung des Bundes per Stichprobe nur einen Teil der Lebenswirklichkeit wiedergeben kann: nämlich die Zahl derer, die an diesem Tag auch wirklich eine Notunterkunft aufsuchen. Aber ein Anfang sei gemacht.

Bis die aktuellen Zahlen veröffentlicht werden, könne es jedoch noch eine Weile dauern, teilte eine Diakonie-Sprecherin auf Anfrage mit. Im vergangenen Jahr waren zum Stichtag bundesweit rund 178.000 wohnungslose Menschen in Not- und Gemeinschaftsunterkünften sowie vorübergehenden Übernachtungsmöglichkeiten untergebracht.

Nach Zwangsräumung landen Betroffene meist im Hilfssystem

Wohnungslosigkeit ist teuer für den Staat, davon ist Alfred Mucha überzeugt. "Es ist preiswerter, Mietschulden zu übernehmen, als die Menschen wohnungslos werden zu lassen", sagt der Sozialarbeiter. Menschen ohne Mietschuldenfreiheitserklärung bekommen seiner Erfahrung nach kaum noch eine Wohnung in Sachsen.

"Sobald man die Leute zwangsräumen lässt, kann man damit rechnen, dass sie und ihre Familie ab dann im Hilfssystem landen", sagt Mucha. Allein in der "Haltestelle", einem Tagestreff für Wohnungslose in Chemnitz, haben derzeit 142 Menschen eine Postadresse, sind also wohnungslos. Nach eigenen Angaben nutzen die Beratungsangebote der Stadtmission etwa 250 Personen jährlich, wobei nicht alle von ihnen wohnungslos seien. Manche suchten auch Finanzberatungen, etwa weil sie Energieschulden haben.

Diakonie sieht Staat in der Pflicht und fordert mehr Präventionsstellen

Die Diakonie Sachsen, als Instanz, die mehrere Hilfsangebote im gesamten Freistaat bündelt, fordert im Kampf gegen Wohnungslosigkeit mehr Engagement von Bund, Ländern und Kommunen. "Es sind politische und behördliche (Fehl-)Entscheidungen im Bereich des Wohnungsmarktes, des Arbeitsmarktes, sowie der Gesundheits- und Sozialpolitik, die im Zusammenspiel mit eingeschränkten individuellen Möglichkeiten zu Armut und letztlich zum Verlust der Wohnung führen", sagt Dietrich Bauer, der Chef der Diakonie Sachsen.

Bund, Länder und Kommunen müssten wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Wohnungslosigkeit auf den Weg bringen. Hierbei könnten der Diakonie zufolge unter anderem sogenannte Präventionsstellen helfen.

Plurale Krisen: Problem der Wohnungslosigkeit wächst

"Gerade jetzt, mitten in der Inflations- und Energiekrise, spitzt sich das Thema noch einmal deutlich zu", so Bauer. Bezahlbarer Wohnraum sei eine der wichtigsten sozialen Fragen dieser Zeit. Im vergangenen Jahr habe es allein in Sachsen fast 2.700 Zwangsräumungen gegeben und mehr als 4.600 in Mitteldeutschland. Nach Angaben der Diakonie haben immer mehr Menschen keinen eigenen Mietvertrag und kein eigenes Zuhause. Zudem seien im Winter vergangenen Jahres mehr als 1.000 Menschen in Sachsen in Notunterkünften untergebracht worden. Wer ganz draußen war, sei erst gar nicht erfasst worden.

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