Ältere Frau, jüngere Frau und drei Kinder an einem Tisch
Michelle Stegmann, Katharina Seidel, Mira Muckta und Damon-Joel Weigel (v.l.) lassen sich von Sigrid Klemm ihre Erinnerungen zur Bombardierung von Chemnitz im Zweiten Weltkrieg erzählen. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Demokratie und Umwelt Müllsammeln und Älteren zuhören - Chemnitzer Schüler für Friedenspreis nominiert

05. März 2025, 14:11 Uhr

Seit fünf Jahren engagieren sich Schülerinnen und Schüler der Unteren Luisenschule, einer Oberschule in Chemnitz, nach dem Unterricht freiwillig für ihre Schule und ihre Stadt. Aktuell sind es rund 15 Kinder aus der fünften bis zehnten Klasse. Die Projekte sind dabei so unterschiedliche wie die Schülerinnen und Schüler: Müllsammeln, Gespräche mit Politikern, die Erneuerung des grünen Klassenzimmers oder auch Gespräche mit Zeitzeugen.

Es ist still in dem kleinen Konferenzraum in einem Chemnitzer Hotel. Ergriffen lauschen drei Schülerinnen und Schüler der Unteren Luisenschule und ihre Lehrerin der Zeitzeugin Sigrid Klemm. Klemm erzählt von ihrer Kindheit, in der sie mit drei Jahren die Bombardierung von Chemnitz im Zweiten Weltkrieg überlebte. Als sie beschreibt, wie die Bombe im Nachbarhaus einschlägt und sie aus dem Keller fliehen musste, kann sie kaum mehr sprechen. Tränen rollen ihre Wangen hinunter und den Kindern geht es nicht anders.

Historischer Hintergrund

Am 5. März 1945 fand der schwerste der zehn Luftangriffe auf Chemnitz im Zweiten Weltkrieg statt. Über 2.100 Menschen starben. Die Innenstadt wurde fast vollständig zerstört. Bei den Bombenangriffen vom 6. Februar bis 11. April 1945 kamen insgesamt 4.000 Menschen ums Leben.

Klemms Geschichte nehmen Michelle Stegmann, Mira Muckta und Damon-Joel Weigel auf Video auf. Es soll am Ende für den Unterricht genutzt werden und auch mit anderen Zeitzeugen-Gesprächen auf Youtube gestellt werden. "Ich habe geheult", sagt die 13-jährige Mira. "Es war dramatisch." Auch der 13 Jahre alte Damon-Joel hat innerlich geweint. "Ich habe daran gedacht, wie es wäre, wenn ich sowas erleben würde", sagt er.

Schüler wollen etwas gegen das Vergessen tun

Die Idee zu den Zeitzeugen-Gesprächen kam vor einigen Jahren direkt von den Schülern, erzählt Lehrerin Katharina Seidel. "Sie wollten etwas gegen das Vergessen machen." Dabei gehe es nicht nur um die Erinnerung an die Bombardierung von Chemnitz, sondern insgesamt um Umbrüche und kritische Situationen. So wurden auch Menschen, die aus Syrien nach Chemnitz geflüchtet sind, befragt oder ältere Menschen zur Wendezeit.

"Ziel ist es, am Ende eine Ausstellung für Klassenräume zu haben", erklärt Seidel. "Dass sie dann nur noch einen QR-Code scannen und dann sind sie in dem Interview drin und können dadurch die Geschichte hautnah miterleben." Damit solle den Kindern auch der Demokratiegedanke näher gebracht werden.

Ältere Frau an einem Tisch, jüngere Frau und drei Kinder stehen dahinter. 1 min
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Die Demokratiegruppe der Unteren Luisenschule in Chemnitz engagiert sich seit Jahren für ihre Schule und die Stadt. Dafür wurden sie nun für den Chemnitzer Friedenspreis nominiert.

MDR FERNSEHEN Mi 05.03.2025 12:11Uhr 00:29 min

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Vielfältige Projekte engagierter Schüler

Doch die Gruppe rund um Seidel macht noch viele andere Dinge. So werden Bäume gepflanzt, Gespräche mit städtischen Politikern geführt oder das grüne Klassenzimmer der Schule, das Sitzplätze für den Unterricht an der frischen Luft bietet, erneuert. "Wir wollen auch einen Zebrastreifen an der Schule", sagt Damon-Joel. "Weil es viele Autos gibt und viele von den Grundschülern unbegleitet kommen."

Mehrere Personen beim Müllsammeln
Die Demokratiegruppe der Unteren Luisenschule bei einer Müllsammelaktion. Bildrechte: Katharina Seidel

Er engagiert sich in der Gruppe, weil er etwas bewegen will, vor allem an seiner Schule. Deswegen sind für ihn die Politikergespräche auch am interessantesten. "Da kann ich direkt meine Fragen stellen", sagt er. Für Mira sind es die Müllsammelaktionen, die ihr am meisten Spaß machen. "Ich tue gern etwas Gutes", sagt sie. Die Ausrichtung der Projekte ändert sich laut Seidel je nach Gruppenzusammensetzung.

Junge, braunhaarige Frau mit einem blauen Blazer an. 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nominierung für Chemnitzer Friedenspreis

Nun wurde die Gruppe sogar für den Chemnitzer Friedenspreis nominiert, der jährlich rund um den Chemnitzer Friedenstag am 5. März verliehen wird. Er wird mit einem kleinen Geldpreis dotiert. Ausgezeichnet werden Projekte und Persönlichkeiten der Stadt, die für Toleranz und Demokratie eintreten. "Das ist sehr aufregend", sagt Seidel. "Ich gönne es den Jugendlichen gern, weil sie so viel leisten und so viel ehrenamtliche Zeit investieren." Das werde oft nicht gesehen. Allein schon die Nominierung sei eine große Belobigung für die Kinder. "Manchen Kindern fällt der Unterricht nicht so leicht, aber in der Gruppe blühen sie richtig auf."

MDR (ali)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 04. März 2025 | 19:00 Uhr

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