Landwirtschaft Bauernverband will neuen Schlachthof in der Region Chemnitz

24. Januar 2023, 18:59 Uhr

Mehr als 28.000 Schweine und Rinder im Monat könnten in einem neuen Schlachthof bei Chemnitz künftig geschlachtet und zerlegt werden. Das hat eine Machbarkeitsstudie des Sächsischen Landesbauernverbandes ergeben, die der Freistaat maßgeblich finanziert hat. Ein solcher Schlachthof würde das Tierwohl und die Regionalität stärken. Ob und wann ein solches Projekt umgesetzt wird, hängt nun an den Landwirten, Verarbeitern, Händlern, Verbrauchern und an der Unterstützung durch die Politik.

Für die regionale Produktion von Schweine- und Rindfleisch in Sachsen ist nach Einschätzung des Sächsischen Landesbauernverbandes ein großer Schlachthof im Freistaat notwendig. Dieser ist laut einer Studie für regionale Schlachtkapazitäten, die anlässlich der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wurde, auch machbar. Empfohlen wird dabei ein Pilotstandort in Chemnitz, der später durch eine zweite Niederlassung in Bautzen ergänzt werden könnte. Mehr als 5.700 Schweine und Rinder sollen dort pro Woche geschlachtet werden. Ein Zeitplan für die Errichtung eines solchen Schlachthofes gebe es aber noch nicht, hieß es vom Bauernverband.

Genossenschaft als Geschäftsmodell angestrebt

Als Geschäftsmodell schlagen die Studienautoren eine Genossenschaft vor, an der sich Erzeuger, Verarbeiter und der Handel beteiligen. Um den neuen Schlachthof zu ermöglichen, seien mindestens 35 Millionen Euro zuzüglich Kosten für Grundstückserwerb und Erschließung notwendig. Dafür brauche es auch eine staatliche Förderung. Aktuell existiert in Sachsen nur ein größerer Schlachtbetrieb in Belgern, nördlich von Riesa. Dieser hat aber nicht ausreichend Kapazitäten, weshalb zehntausende Tiere nach Hof in Oberfranken oder zu Tönnies in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) transportiert werden.

Bauernverband: Fleisch bleibt langfristig auf dem Speiseplan

Eine Sprecherin des Bauerverbandes sagte MDR SACHSEN, trotz eines Trends zu mehr vegetarischer oder veganer Ernährung werde auch weiterhin Fleisch konsumiert. Der Verbrauch sei zwar rückläufig, dafür würden die Konsumenten mehr auf Qualität und regionale Herkunft setzen. Genau diesem Trend trage eine regionaler Schlachtbetrieb Rechnung.

Laut Bauernverband würden beispielsweise aktuell nur 30 Prozent des sächsischen Schweinefleischverbrauchs aus sächsischer Schweinemast gedeckt. Im vergangenen Jahr wurden nach vorläufigen Erhebungen in Sachsen - trotz Einschränkungen durch die Afrikanische Schweinepest (ASP) - rund 480.000 Schweine gemästet und für den Konsum geschlachtet. Im Jahr zuvor waren es noch 610.000. Allerdings müssen die Tiere auf ihrem letzten Weg hunderte Kilometer in Viehtransportern zurücklegen, da es nur in Schleswig-Holstein ein Schlachthof mit Zertifizierung für Schlachtvieh aus ASP-Gebieten gibt.

Schlachthof soll kleine und große Betriebe bedienen

Ein neuer Schlachthof in Sachsen soll laut Bauernverband offen für alle Landwirte sein und beispielsweise auch als Dienstleistung nur wenige Tiere schlachten können. Außerdem soll es einen Bereich für biozertifizierte Schlachtung geben. Ergänzend sei die Einbindung einer mobilen Schlachtung vor Ort sinnvoll, um Tierwohl- und Qualitätsstandards einzuhalten. Bei der mobilen Schlachtung werden die Tiere in ihrer natürlich Umgebung fachgerecht getötet und umgehend zur Zerlegung in einen Schlachtbetrieb gebracht.

Sinkende Nachfrage führen die Bauern auf die Corona-Pandemie mit geschlossener Gastronomie zurück, auf strenge Auflagen und Exportstopps durch die Afrikanische Schweinepest, gestiegene Futterpreise durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie den Trend zur fleischarmen oder fleischlosen Ernährung.

Bauernverband fordert weitere Hilfe von der Politik

Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk sieht jetzt die Politik am Zug. "Nun muss die Politik zeigen, dass sie Willens ist, den notwendigen Lückenschluss der Wertschöpfung Fleisch in Sachsen zu ermöglichen", sagte er.

Der Ausbau und die Verbesserung regionaler Wertschöpfungsketten seien für das sächsische Landwirtschaftsministerium ein zentrales Anliegen, hieß es auf Anfrage. "Die Machbarkeitsstudie (zum Schlachthof, Anmerkung der Redaktion) ist dazu ein weiterer Baustein." Man werde die Machbarkeitsstudie nun prüfen und anschließend vertieft mit dem Bauernverband und allen anderen Beteiligten diskutieren. "Errichten und betreiben müssen solche neu geplanten Schlachtkapazitäten die Beteiligten aus der Wirtschaft", stellt das Ministerium klar.

Beim "Schlachthofgipfel" Anfang Februar 2021 habe das Ministerium auf Fördermöglichkeiten im Schlachtbereich hingewiesen. Auch die nun vorgelegte Studie sei vom Land gefördert worden - mit 257.040 Euro. "Der Sächsische Landesbauernverband hat die Fördermöglichkeit zur Erstellung der gestern übergebenen Machbarkeitsstudie genutzt."

Breiter Parteienkonsens für mehr Regionalität

Die Fraktionen von CDU, Grünen und SPD hatten im November 2021 einen Antrag im Landtag eingebracht, um die regionale und hofnahe Schlachtung in Sachsen zu stärken. Dieser wurde im breiten Konsens einstimmig angenommen. Künftig wolle man wieder auf regionale Schlachthöfe setzen, um den Tieren lange Transportwege zu ersparen.

Bäuerliche Familienbetriebe sehen Schlachthof kritisch

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Familienbetriebe vertritt, sieht die Pläne einer zentralen Schlachthofkapazität kritisch. Es sei fraglich, ob ein solcher Betrieb krisensicher arbeiten oder nach Auslaufen staatlicher Förderung fortbestehen kann. Wichtiger sei die Schaffung von nachhaltigen Schlachtstrukturen in der Fläche nahe an Erzeugern, sagte der sächsische Landesgeschäftsführer Clemens Risse. Er verwies auf sogenannte Gemeindeschlachthäuser in Baden-Württemberg. Zudem sollte das regionale Fleischerhandwerk gestärkt werden.

Umweltschützer plädieren für weniger Fleisch

Umweltschützer nutzen die Vorstellung der Schlachthof-Studie dazu, um abermals für deutlich weniger Fleischkonsum zu werben – im Sinne des Klima- und Umweltschutzes, des Tierwohls und auch der eigenen Gesundheit. "Klimaschutz gelingt jedoch nur mit einer Reduzierung tierischer Produkte, erklärte der Vorsitzende des BUND Sachsen, Felix Ekardt. Die Tierhaltung müsse global um rund drei Viertel reduziert werden. Sie beanspruche für Futtermittelproduktion und Weiden bislang rund vier Fünftel der Agrarflächen weltweit. Ekardt bezeichnete die tierische Nahrungsmittelproduktion als ineffizient. "Die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft, wie etwa der massenhafte Einsatz von Pestiziden und die Überdüngung, hängen also primär an Fleisch, Milch und Käse."

MDR (tom/lam)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 24. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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