Mitteldeutsche Regiobahn stellt neue Triebwagen vor
Wie die Mitteldeutsche Regiobahn müssen derzeit viele Verkehrsunternehmen in Sachsen Zugverbindungen wegen Personalmangels streichen. Bildrechte: MDR/L. Müller

Bahnverkehr Kein Zug, keine Leistung: Mitteldeutsche Regiobahn bekommt bei Zugausfall kein Entgelt

18. Oktober 2023, 16:59 Uhr

Mehr Lokführer braucht das Land – wegen Krankheit fallen immer häufiger zwischen Leipzig und Grimma und auf vielen anderen Zugstrecken Fahrten aus. Mehrere Verkehrsunternehmen haben deswegen ihre Fahrpläne ausgedünnt. Die Konsequenzen tragen Pendler und Reisende. Die Streichungen haben aber auch wirtschaftliche Folgen für die Bahnunternehmen, die die Strecken betreiben.

Die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) bekommt für nicht gefahrene Züge auch kein Geld vom Zweckverband. Das bestätigte ein Sprecher des Bahnunternehmens MDR SACHSEN auf Nachfrage. Zudem würden Vertragsstrafen fällig, wenn die Verkehrsverträge nicht eingehalten werden.

Was genau in den Verkehrsverträgen steht, wie hoch die Strafen sind und in welcher Höhe bereits Strafen gezahlt werden mussten, darüber machte die MRB keine Angaben. Auch der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) nannte auf Anfrage keine konkreten Zahlen. Es handle sich "um erhebliche Summen, die zu 100 Prozent auch wieder in den ÖPNV eingesetzt werden," hieß es.

Viele Zugausfälle der MRB wegen Krankheit und defekten Triebwagen

Zuletzt fielen auf vielen Strecken der MRB massiv Züge aus, vor allem zwischen Leipzig-Grimma (RB 110) und Leipzig-Chemnitz (RE 6). Als Grund nannte die MRB "einen aktuell sehr hoher Krankenstand der für diese Verbindung qualifizierten Triebfahrzeugführer" auf der Linie RB 110. Das Problem spitze sich zu durch die "spürbar höhere Nachfrage" aufgrund des Deutschlandtickets -  vor allem in den Hauptverkehrszeiten.

Verschärft werde die Situation laut MRB durch den Ausfall zwei großer Triebwagen. Nachdem Bäume ins Gleis gestürzt und die Triebwagen mit ihnen kollidiert waren, stünden die Wagen jetzt zur Reparatur. "Hier erwarten wir Ende Oktober die Rückkehr in den Betrieb", erklärt die MRB. "Allerdings können wir die Triebwagen aufgrund des kurzfristigen krankheitsbedingten Ausfalls der Lokführer nicht zügig an die Werkstatt-Orte bringen."

Eingleisige Strecke zwischen Leipzig und Chemnitz

Auf der Strecke RE 6 zwischen Chemnitz und Leipzig kommt es der MRB zufolge zusätzlich zum Personalproblem, oft zu Verspätungen und Störungen durch die eingleisige Strecke. "Störungen der Infrastruktur wirken sich hier besonders stark auf den Betrieb aus. Bei einem beispielsweise liegen gebliebenen Güterzug muss die Strecke vollständig gesperrt werden", hieß es.

Großbaustelle am Chemnitzer Bahnbogen

Zugausfälle gibt es auch auf der Linie des RE 3 zwischen Dresden und Hof. Wegen einer Großbaustelle der DB Netz AG am Chemnitzer Bahnbogen fahren aktuell keine Züge zwischen dem Chemnitz Hauptbahnhof und Chemnitz-Siegmar. "Hierfür haben wir Schienenersatzverkehr (SEV) eingerichtet", erklärt die MRB.

"Allerdings werden deutlich mehr Triebfahrzeugführer benötigt, als für den Regelbetrieb zur Verfügung stehen." Dadurch entfielen Verbindungen. Es gebe einen Ersatz für den Ersatzfahrplan. "Die Fahrgäste können aber von und nach Zwickau unsere Linie RB 30 nutzen", so die MRB.

Pro Bahn hält Ersatzverkehr für "nicht hinnehmbar"

Diesen Vorschlag hält der Fahrgastverband "Pro Bahn" für eine Zumutung: "Durch den Schienenersatzverkehr verlängert sich die Reisezeit zwischen Hof und Chemnitz um etwa 20 Minuten", sagte der Vize-Chef von Pro Bahn Mitteldeutschland, Markus Haubold. Schon die Bauarbeiten an der Sachsen-Magistrale seien für Pendler eine Zumutung. "Das Ersatzkonzept so auszudünnen, dass sich die Reisezeiten auf ein unzumutbares Maß verlängern, ist nicht hinnehmbar", kritisierte Haubold. Anschlussverbindungen seien nicht mehr gegeben.

Durch den Schienenersatzverkehr verlängert sich die Reisezeit zwischen Hof und Chemnitz um etwa 20 Minuten.

Markus Haubold Vize-Chef von Pro Bahn Mitteldeutschland

Man benötige jetzt von Frankenberg bis Zwickau zwei Stunden und 15 Minuten. Zum Vergleich: Die gleiche Strecke lege man mit dem Auto in etwa einer Stunde zurück. "Wir verlangen als Fahrgastverband Pro Bahn von der MRB eine sofortige Rückkehr zum ursprünglichen Ersatzkonzept, um die ohnehin bestehenden Einschränkungen für die Fahrgäste auf ein Minimum zu reduzieren."

Ausfälle flächendeckend

Haubold kann über die aktuelle Situation nur den Kopf schütteln: "Die immensen Ausfälle im Regionalverkehr sind gerade flächendeckend." Offenbar sei die Personaldecke so dünn, dass man die krankheitsbedingten Ausfälle nicht auffangen könne – "und da sind wir noch längst nicht auf dem Höhepunkt der Erkältungswelle, die jeden Herbst auf uns wartet". Hinzu kämen wieder mehr Corona-Erkrankungen. 

Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Menschen wieder für Berufe wie Triebfahrzeugführer und Lokführer zu begeistern. "Toleranz braucht es aber auch von den Fahrgästen. Wir können dankbar sein, dass Menschen aus anderen Ländern kommen, die die Busse im Nah- und Schienenersatzverkehr fahren."

MRB: Quereinsteiger nicht sofort einsetzbar

Die MRB hat nach eigenen Angaben derzeit offene und zum Ausgleich für Langzeitkranke zusätzlich geschaffene Stellen nachbesetzt. "Bei den neuen Mitarbeitern handelt es sich zum Großteil um Quereinsteigende, die aufgrund der notwendigen Ausbildung nicht sofort einsatzfähig sind." Somit entstehe ein Zeitverzug, "den wir versuchen, mit Leih-Lokführern zu überbrücken." Doch personelle Engpässe gebe es auch bei anderen Verkehrsunternehmen, wodurch sich nicht alle Ausfälle kompensieren ließen, hieß es von der MRB.

Sorge vor Blamage im Kulturhauptstadtjahr

Pro Bahn-Vize-Chef Haubold wagte einen sorgenvollen Blick in die Zukunft. "Große Sorgen machen wir uns darüber, wie das erst zum Kulturhauptstadtjahr werden soll. Wir haben große Angst, uns als Region zu blamieren." Theoretisch gebe es eine Lösung, das habe der Sommer gezeigt. Wegen Bauarbeiten an der Strecke sei die IC-Verbindung von Berlin über Riesa direkt nach Chemnitz geleitet worden. Das wäre schon "ein großer Teil der Lösung".

Wir haben große Angst, uns als Region zu blamieren.

Markus Haubold Vize-Chef von Pro Bahn Mitteldeutschland

MDR (tom/kbe)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 16. Oktober 2023 | 08:30 Uhr

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