Neuer Beauftragter für Großinvestitionen in Sachsen "Unser Interesse ist groß, eine Ansiedlung der Bundeswehr zu realisieren"
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02. Mai 2023, 13:32 Uhr
Sachsen hat nun einen Beauftragten für Großansiedlungen: Dirk Diedrichs (CDU). Er kommt aus dem Finanzministerium, war dort Amtschef. Im Interview spricht er über mögliche Investoren aus der Rüstungsbranche, sächsische Mikroelektronik und die Gefahr von Subventionswettläufen.
Herr Diedrichs, in Sachsen gibt es das Wirtschaftsministerium, die landeseigene GmbH Wirtschaftsförderung – warum braucht es noch einen Beauftragten für Großansiedlungen?
Das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft werben ständig um Investoren. Und wenn diese dann erfolgreich sind, kommt es zu einem Ansiedlungsprozess. Dann müssen Investitionen in Infrastruktur durchgeführt werden und Förderungen beantragt werden. Hinzukommen Baugenehmigungen, emissionsschutzrechtliche Regelungen und Visaverfahren für ausländische Arbeitgeber. Auch die Kommune vor Ort ist berührt.
Bei Großansiedlungen ist es wichtig, dass diese ganzen Verfahren gut koordiniert werden. Das wollen wir mit dieser neuen Struktur verstärken. Das ist auch gut und wichtig, weil wir zunehmend Anfragen haben von Großunternehmen, die Investitionen tätigen wollen und ausländische Unternehmen mit den hiesigen rechtlichen und institutionellen Richtlinien nicht so vertraut sind wie ein deutsches Unternehmen.
Wie ist Ihre Aufgabe konkret?
Zum einen die Betreuung konkreter Vorhaben, die Stellung eines Ansprechpartners für einen Investor, der auch die interne Kommunikation und Koordination übernimmt und zum Beispiel das Planungsverfahren begleitet.
150 Hektar, das ist auch Deutschlandweit schon eine besondere Größe.
Und das zweite sind die grundsätzlichen Voraussetzungen für neue Ansiedlungen zu schaffen. Da stellt insbesondere die Bereitstellung von entsprechenden Gewerbeflächen einen Engpass da. Wir haben eine wunderbare Gewerbefläche in Großenhain, die wir als Freistaat Sachsen schon seit geraumer Zeit sanieren und vermarkten. 150 Hektar, das ist auch Deutschlandweit schon eine besondere Größe. Und darüber hinaus müssen wir auch über weitere Flächen nachdenken, um Investoren auch entsprechende Angebote machen zu können.
Wen können Sie sich denn für Großenhain als Investor vorstellen?
Da ist erst mal vieles vorstellbar. Dort gibt es eine Fläche, die verkehrs- und infrastrukturtechnisch bereits gut erschlossen ist.
Es gibt ja Gespräche mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall über den Bau einer Pulverfabrik. Können Sie sich das gut vorstellen?
Das sind Gespräche, die das Unternehmen mit dem Bund führt. Da muss man mal abwarten, wie die sich weiter konkretisieren.
In Großenhain gibt es ja viele Bedenken von Kommune und Bürgern gegen die Ansiedlung von Rheinmetall. Sind Sie Ansprechpartner und Vermittler für die Beteiligten vor Ort und gleichzeitig für den Investor?
Sicherlich bin ich für die Gemeinde und den Oberbürgermeister jetzt ein Ansprechpartner, der zwischen dem Grundstückseigentümer – also dem Land Sachsen – der Wirtschaftsförderung und anderen Einrichtungen die Gespräche steuern kann.
Ich sehe mich eher im Maschinenraum, als jemand, der eine Investitionsentscheidung in eine Umsetzung bringt. Dazu gehört natürlich auch, dass die Menschen vor Ort mitgenommen und die Kommunalvertreter überzeugt werden. Diese Kommunikation ist eine Aufgabe von vielen, die auf mich und meine Einheit zukommt.
Bei Ihrer Vorstellung hat Ministerpräsident Michael Kretschmer die Fläche in Großenhain hervorgehoben, wo es Gespräche mit Rheinmetall gibt. Erwähnt hat er auch die geplante Ansiedlung eines Bundeswehrbataillons in der Oberlausitz. Zudem hat sich Sachsen bei Rheinmetall als Standort für die Fertigung von Rumpfteilen für den neuen F-35-Kampfjet beworben. Sehen Sie die Zukunft für Sachsen in Großinvestitionen im Rüstungs- und Bundeswehrbereich?
Ich denke, dass jede Chance, genutzt werden sollte, hochwertige Arbeitsplätze in einer komplexen Produktion zu schaffen, die sich auch einfügen in die bestehende Forschungs- und Hochschullandschaft. Und die nachhaltig sind. Sachsen hat hervorragende Standortbedingungen in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in der Automobilindustrie und Mikroelektronik. Gerade bei der Mikroelektronik kommt man bei Investitionen an Sachsen, am Silicon Saxony, nicht vorbei. Das ist eine große Erfolgsgeschichte. Und das wollen wir weiter fördern. Denn wir haben zwar stark aufgeholt gegenüber dem Westen, sind aber vom Bruttoinlandsprodukt im Westen noch weit entfernt.
Denn wir haben zwar stark aufgeholt gegenüber dem Westen, sind aber vom Bruttoinlandsprodukt im Westen noch weit entfernt.
Bei Delitzsch gibt es ja eine große Fläche, die potenziell für die Ansiedlung von Großinvestoren interessant wäre. Wie ist dort der Stand?
Dort stehen wir noch ganz am Anfang. Zu spekulieren, wer dort hinkommen könnte, ist aber verfrüht.
Schon vor mehreren Jahren wurde zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Land Sachsen eine Vereinbarung geschlossen, dass ein Bundeswehrbataillon in der Oberlausitz angesiedelt wird. Wann kommt es?
Die Entscheidung trifft das Bundesverteidigungsministerium. Unser Interesse ist groß, eine Ansiedlung der Bundeswehr zu realisieren.
Intel hat sich ja nicht für Sachsen, sondern für Sachsen-Anhalt entschieden. Wie enttäuscht waren Sie?
Ich persönlich war sehr enttäuscht. Welche Gründe die Entscheidung genau hatte, kann ich nicht sagen. Dem Vernehmen nach spielte aber auch die Verfügbarkeit von geplanten Grundstücken eine Rolle.
Was für Defizite hat Sachsen denn noch bei der Attraktivität für Investoren?
Wir haben Stärken, die wir weiter entwickeln müssen. Zum einen den Ausbau unserer Hochschullandschaft, zum anderen die Koordination in der Verwaltung. Das hat zwar schon gut funktioniert, ist aber auch eine große Herausforderung, damit der Investor im Zeitplan bleiben kann. Und dazu kommen die Fragen der Flächenverfügbarkeit und das Mitnehmen der Menschen vor Ort. Denn häufig sind es ja Vorbehalte, die dort im Raum stehen und die wir auch ernst nehmen müssen. Wir müssen auch sehen, dass solche Investitionen den Keim legen für den zukünftigen Wohlstand.
Bei der Intel-Ansiedlung wird gerade über die Höhe der Subventionen diskutiert. Wie weit muss man und darf man Unternehmen bei Förderungen entgegenkommen?
Die Gefahr steht natürlich im Raum, dass man hier in einen Subventionswettlauf gerät. Es ist nie gut, wenn Staaten in eine ruinöse Konkurrenz geraten, sei es über Zollschranken oder über Steuererleichterungen. Aber wir müssen natürlich auch feststellen, dass wir mit den anderen Regionen der Welt im Wettbewerb sind, mit den USA, auch mit China, mit Asien.
Für uns ist es eine Chance, dass es nun eine Wende gegeben hat. Mit der Globalisierung dachte man ja, man könne grenzenlos produzieren und liefern. Mit Corona sind die Lieferketten plötzlich gestört worden und man hat gemerkt, dass es sicherer ist, in der Nähe des Abnehmers zu produzieren. Wenn man nun mit anderen Regionen in der Welt konkurriert, muss man den rechtlichen Rahmen für Förderungen ausschöpfen. Der Freistaat Sachsen muss die Chancen, die sich nun bieten, auch nutzen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. April 2023 | 06:09 Uhr