Studie Wie Unternehmer mit rechtem Gedankengut Einfluss in Sachsen nehmen
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14. April 2023, 14:14 Uhr
Forscher der Universität Leipzig sehen einen zunehmenden Einfluss von Unternehmerinnen und Unternehmern mit rechten Einstellungen in Ostsachsen. In einer Studie nennen sie Namen und konkrete Beispiele. Einer der genannten Unternehmer widerspricht vehement.
- Eine Studie der Uni Leipzig analysiert den Einfluss von Unternehmern in der Oberlausitz mit mutmaßlich rechten Einstellungen.
- Demnach soll ihr Engagement Folgen für die Verbreitung und Normalisierung extrem rechten Gedankenguts haben.
- Wirtschaftsverbände und Unternehmervereinigungen sollten hier klare Kante zeigen, sagen die Extremismusforscher.
Politische Positionen einflussreicher Firmenchefs lassen sich nicht als persönliche Meinung abtun, sondern haben maßgebliche Folgen für eine ganze Region. Das sagen Forscher der Universität Leipzig in einer neuen Studie. Rechtes politisches und soziales Engagement von Unternehmen trage wesentlich zur Normalisierung antidemokratischer Positionen sowie zur Vernetzung extrem rechter Akteure bei, so die These der Studie. Sie ist jetzt mit dem Titel "Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen" von dem Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung (EFBI) an der Uni Leipzig veröffentlicht worden.
Thematisiert wird in der Studie unter anderem das politische Wirken des Bautzeners Jörg Drews, Geschäftsführer von Hentschke Bau. Er habe in der Vergangenheit beispielsweise das alternative Medium "Denkste?!" unterstützt sowie Ostsachsen.TV teilfinanziert. Letztgenannter Sender habe auch extrem Rechten wie dem Identitären Maximillian Thorn und dem Herausgeber des extrem rechten Compact-Magazins Jürgen Elsässer sowie dem Reichsbürger Peter Fitzek eine Plattform gegeben. Auch sei im Jahr 2017 von Hentschke Bau GmbH im fünfstelligen Euro-Bereich an die AfD geflossen.
Drews widerspricht den Studienmachern
Den Aussagen der Studie widerspricht der Geschäftsführer von Hentschke Bau GmbH, Jörg Drews, ausdrücklich. Er betont, dass er "zu keinem Zeitpunkt selbst der AfD gespendet hat, sondern dass es eine einmalige Spende des Unternehmens gab, die sechs Jahre zurückliegt". Gleichzeitig verweist er darauf, in der Vergangenheit Spenden auch an andere Parteien und politische Initiativen geleistet zu haben, etwa an die CDU oder die Bürgerinitative Bürger Bündnis Bautzen (BBBz). Auch förderte das Unternehmen nach eigenen Angaben in den letzten Jahren insgesamt mehr als 120 verschiedene soziale Einrichtungen und Vereine.
Den Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit weist der Unternehmer zurück. Er weist vielmehr darauf hin, dass er "seit Jahren aktiv kommunalpolitisch tätig ist". Hentschke ist seit vier Jahren Stadtrat für das Bürger Bündnis Bautzen e.V. (BBBz). Der Unternehmer sieht sich selbst als "Demokratiefreund", der sich "in der Demokratie als Politiker aktiv in einem demokratisch legitimierten Bürger Bündnis in Opposition zur AfD kommunalpolitisch einsetzt".
Beispiele zeigen Einfluss der Unternehmer in der Oberlausitz
Neben Jörg Drews von Hentschke Bau werden in der Uni-Studie unter anderem Aktivitäten und Vernetzungen von Dietrich Kuhn von Kuhn Kies+Sand in Oberneudorf, vom Garten- und Landschaftsbauer Helge Hilse aus Oybin - Mitbegründer des extrem rechten Netzwerkvereins "Ein Prozent" - und vom Eigentümer des Görlitzer Jugendstil-Kaufhauses Winfried Stöcker anhand konkreter Beispiele in der Studie beschrieben und analysiert.
Der Kernsatz der wissenschaftlichen Arbeit: Rechtes Denken, das sich in zivilgesellschaftlichem Engagement von Unternehmerinnen und Unternehmern zeigt, habe Folgen für die Verbreitung und Normalisierung extrem rechten Gedankenguts. "Wenn Menschen, die in der Region etwas darstellen, völkisches, extrem rechtes Gedankengut äußern und sich gegen die Demokratie stellen, ist das etwas anderes, als wenn das Bürger XY auf der Straße sagt", betont der Soziologe Johannes Kiess, einer der Verfasser der Studie.
Wenn Menschen, die in der Region etwas darstellen, völkisches, extrem rechtes Gedankengut äußern und sich gegen die Demokratie stellen, ist das etwas anderes, als wenn das Bürger XY auf der Straße sagt.
Mitarbeiter berichtet über nationalistische Ideologie im Pausenraum
Im Betrieb, in der Kneipe, im Verein seien durch solch gewichtige Fürsprecher Orte entstanden, an denen nationalistische Ideologie vorherrschend ist, führt Kiess weiter aus. "Das ist für alle, die anders denken, anders aussehen oder sonst wie nicht reinpassen extrem schwierig und auch gefährlich." Die Wissenschafter der Uni Leipzig berufen sich in ihrer Studie auch auf einen ehemaligen Mitarbeiter von Hentschke Bau, der eine Situation am Hauptstandort der Firma in Bautzen so wiedergibt: "Im Pausenraum wurde durch ein[en] Gabelstaplerfahrer vom Vergasen geredet und rechtsradikale Positionen geäußert. Kein Widerspruch in dem […] kleinen Pausenraum. Die circa 15 Mitarbeiter im Raum haben sich scheinbar durch die Äußerungen nicht gestört gefühlt."
Das Interview wurde vom Görlitzer Recherchekollektiv "15 Grad Research" geführt, das den Leipziger Extremismusforschern auch Bilder und Videos rechter Veranstaltungen beisteuerte. Das Recherchekollektiv verfügt nach eigenen Angaben über eine Chronik zu rechter Gewalt und symbolischer Raumnahme in der Oberlausitz mit mehr als 800 Einträgen in den Jahren 1990 bis 2020.
Drews bestreitet angeblichen Vorfall im Pausenraum
Den in der Studie genannten Vorfall im Pausenraum nennt die Hentschke Bau GmbH einen "behaupteten Vorfall". Der sei intern geprüft worden. Es seien jedoch keine Hinweise ermittelt worden, "dass es tatsächlich zu einer solchen (oder einer vergleichbaren) Äußerung gekommen ist und damit erst recht nicht, dass eine solche widerspruchslos geblieben ist". Auch gebe es keinerlei Hinweise auf einen vermeintlichen ehemaligen Mitarbeiter, der in Folge das Unternehmen verlassen haben soll. Der Geschäftsführer betont, dass er und sein Unternehmen einen solchen Vorfall auch nicht geduldet hätten.
Forderung: Wirtschaftsverbände müssen aktiv werden
Die Leipziger Forscher wollen mit ihrer Studie nicht nur den Finger in Wunden legen, sondern auch Handlungsempfehlungen geben. "Es braucht eine ganz klare Kante gegenüber extrem rechten und völkischen Positionen", fordert Kiess. So seien Unternehmervereinigungen und Wirtschaftsverbände in der Pflicht, für dieses Thema zu sensibilisieren und selbst aktiv zu werden.
Demokratische Parteien sollten sich eindeutiger positionieren. Schließlich profitierten einige Unternehmen von regionalen Wirtschaftsförderungsprogrammen des Bundes, der Landes- und EU-Förderungen sowie Denkmalschutzförderungen. "Steuergelder des in der Szene verhassten demokratischen Staates tragen so indirekt zur Konsolidierung und Stärkung antidemokratischer Strukturen in der Region bei."
Redaktionshinweis: Die erste Fassung des Berichts ist um eine Stellungnahme von Herrn Drews bzw. der Firma Hentschke Bau GmbH ergänzt worden.
Gegen die in diesem Artikel erwähnten Text-Passagen der Studie hat sich Hentschke Bau juristisch gewehrt. Dem Recherchekollektiv wurde daraufhin vom Landgericht Dresden verboten, die streitgegenständlichen Aussagen weiterhin zu verbreiten.
MDR (mak/ama)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 16. März 2023 | 14:30 Uhr