Schlesisches Museum Kunst und Krieg: Tagung und Ausstellung in Görlitz
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15. November 2023, 04:00 Uhr
Das Schlesische Museum in Görlitz zeigt Bilder und Objekte aus seinem Bestand, die sich mit dem Thema Krieg auseinandersetzen. Der Fokus der Sonderausstellung liegt auf Künstlerinnen und Künstlern mit Bezug zur Region Schlesien. Die Schau "Kunst und Krieg. Zwischen Euphorie und Anklage" begleitet außerdem eine internationale Tagung, die ab dem 15. November in Görlitz und Jelenia Góra stattfindet.
- Die neue Sonderausstellung im Schlesischen Museum in Görlitz widmet sich dem Thema Kunst und Krieg.
- Die Darstellung von Krieg in der Kunst hat sich nach den Weltkriegen stark verändert.
- Eine internationale Tagung widmet sich parallel zur Ausstellung der Frage, was der Krieg für Künstler bedeutet.
Fast könnte man sie für prähistorische Höhlenzeichnungen halten: Die Figuren, die auf dem dicken, weißen Druckpapier durcheinander eilen, so stilisiert und dabei so eindrücklich in Bewegung. Ein Mann zerrt eine Kuh an ihrem Horn neben sich her. Seine Pickelhaube führt aus der vermuteten Stein- in die Kaiserzeit. Auf einem anderen Blatt Männer mit Koffern in der Hand. Ihr Schritt scheint alles andere als frohgemut. Der harte Schwarz-Weiß-Kontrast verstärkt die Beklemmung, die einen beim Betrachten der einfachen Szenen beschleicht. Linolschnitte, geschaffen im Jahr 1915 vom schlesischen Künstler Heinrich Tischler.
Vom Kriegsfreiwilligen zur Spielfigur
Tischler hatte sich als Student freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet, erzählt Kuratorin Johanna Brade. "Wenig später hat er dann Bilder gemacht, auf denen man sieht, dass er sich wie so eine kleine Spielfigur in einer gigantischen Kriegsmaschinerie gefühlt hat." Derart kritische Bilder vom Krieg waren neu zu jener Zeit, meint die Kunsthistorikerin. Viele Künstler hatten kein Problem damit, Teil der Propagandamaschinerie zu sein und in ihren Werken patriotische Gefühle von Unbesiegbarkeit und Heldentum zu transportieren.
Krieg mit allen seinen Folgen ist für diese Region einfach prägend.
In der Ausstellung erzählen davon die Porträts von Herrschern in schimmernder Rüstung. Johanna Brade verweist auch auf kleine Grafiken von historischen bedeutsamen Schlachten. "Die haben die Zeichner wahrscheinlich gar nicht selbst gesehen, haben sich das nur aus Überlieferungen zusammengepuzzelt und dann versucht, sich ein Bild davon zu machen."
Gesinnungswandel nach den Weltkriegen
Diese idealisierten Darstellungen, wie sie zum Beispiel im 19. Jahrhundert während des Historismus en vogue waren, prägen für Brade bis heute unser Geschichtsbild. "Pseudodokumentarisch" nennt sie sie, verglichen mit dem, was im Ersten und Zweiten Weltkrieg passierte. "Da sind Künstler wirklich an der Front gewesen und haben haben ganz viel miterlebt und dann auch ihre Meinung geändert."
Die Ausstellung zeigt mehrere Beispiele dieses Gesinnungswandels. Auch der in Breslau tätige Max Wislicenus war, als offizieller Kriegsmaler, anfangs vom Ersten Weltkrieg begeistert. Sein großformatiger Gobelin aus dem Jahr 1917 gehört zu den Glanzstücken der Ausstellung – im durchaus wörtlichen Sinn. Denn die Farben der im Stil des Expressionismus gestalteten Szene strahlen in kräftigem Rot, Orange, Blau und Grün.
Kämpft der abgebildete Drachentöter St. Georg hier noch farbenfroh im Dienst des Patriotismus, so zeigen die gleichen, nun eher giftig schimmernden Farben wenig später auf Ölgemälden des Künstlers versehrte Körper und Ruinen. "Krieg mit allen seinen Folgen ist für diese Region einfach prägend", sagt Museumsleiterin Agnieszka Gąsior. "Der Auftrag unseres Museums leitet sich auch von den Folgen des Zweiten Weltkrieges ab. Und daher ist dieses Thema auch für unser Haus sehr wichtig."
Davon zeugen Bernhard Hönigs Zeichnungen von Kriegsgefangenen im sowjetischen Lager Hirschfelde bei Zittau oder die abstrahierten Gemälde in Grautönen, mit denen Artur Bonk seine Fluchterfahrungen aus dem nach 1945 zu Polen gehörenden Teil Schlesiens verarbeitet hat.
Internationale Tagung ergänzt Ausstellung in Görlitz
Vor welche Aufgaben der Krieg Künstler stellt, dieser Frage widmet sich auch die internationale Tagung, die parallel zur Ausstellung ab dem 15. November im Schlesischen Museum in Görlitz und im polnischen Jelenia Góra stattfinden wird. Agnieszka Gąsior geht es auch um die Frage, was Kunst in den Krieg hineintragen könne, indem sie an Propaganda beteiligt ist uns unsere visuelle Vorstellung von Krieg sehr stark prägt.
"Das war im 17.Jahrhundert so und das ist auch heute so. Die Medien haben sich geändert, aber bestimmte Mechanismen, die dahinterstehen, visuelle Mechanismen – das ist eben unsere Frage: Sind das die gleichen?" Der Arbeitskreis deutscher und polnischer Kunsthistoriker und Denkmalschützer bemüht sich seit 30 Jahren darum, ein Bewusstsein für das gemeinsame kulturelle Erbe Schlesiens zu schaffen. Bei der Konferenz wird es auch darum gehen, wie Künstlerinnen und Künstler bis heute ihre Kriegserlebnisse verarbeiten – von Fürsprache, Anklage bis hin zum Schweigen, sagt Gąsior: "Also zum Beispiel nach traumatischen Erlebnissen, die manchmal über Jahrzehnte dauern und bei denen erst viel später eine Reaktion erfolgt."
Informationen zur Ausstellung:
"Kunst und Krieg. Zwischen Euphorie und Anklage"
12. November 2023 bis 30. Juni 2024
Schlesisches Museum zu Görlitz
Brüderstraße 8
02826 Görlitz
Konferenz "Kunst und Krieg"
15.-18. November 2023
Schlesisches Museum zu Görlitz & Muzeum Karkonoskie Jelenia Góra
Redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 15. November 2023 | 07:40 Uhr