Unterbringung von Flüchtlingen Konflikt um Flüchtlingsunterkunft in Hirschfelde: Wie geht es weiter?

05. April 2023, 17:02 Uhr

Im Zittauer Ortsteil Hirschfelde soll eine Unterkunft für bis zu 150 Asylbewerber entstehen. Doch dagegen protestieren Anwohner und Rechte von außerhalb. Am vergangenen Donnerstag drängten aggressive Teilnehmer einer Demonstration ins Zittauer Rathaus. Der Landkreis verspricht ein besonderes Sicherheitskonzept.

Dass es im Zittauer Ortsteil Hirschfelde brodelt, wurde spätestens am vergangenen Donnerstag klar, als aufgebrachte Demonstranten in das Zittauer Rathaus drängten und "Nein zum Heim" skandierten. Mit Heim meinten sie die Unterkunft für Asylbewerber, die der Landkreis Görlitz in der alten Flachsspinnerei in Hirschfelde für bis zu 150 Personen einrichten will. Ab Mitte Juli sollen nach den Plänen des Landkreises dort die ersten Menschen einziehen.

Rechtsextreme instrumentalisieren das Thema

Zwar waren auch Rechtsextreme von außerhalb auf das Thema aufgesprungen und hatten die Stimmung weiter angeheizt: Die Demonstration in Zittau vor dem Rathaus hatte die rechtsextreme Kleinstpartei Freie Sachsen angemeldet. Es waren auch Redner und Demonstranten aus der rechtsextremen Szene aus Chemnitz und anderen Teilen Sachsens angereist. Die Situation sei deshalb "sehr bedrohlich" gewesen, sagte der Zittauer Oberbürgermeister Thomas Zenker. Doch es sei auch "ein großer Anteil" an Menschen dabei gewesen, "die berechtigte Diskussionen führen wollten", sagte er.

Offenbar ist die Unzufriedenheit im Ort auch ohne die Rechtsextremen groß, die die Stimmung der Hirschfelder für ihre Zwecke zu nutzen verstehen. Der parteilose Hirschfelder Ortsbürgermeister Bernd Müller berichtet, dass er häufig auf der Straße angesprochen werde von Bürgern, die gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft sind. Von Befürwortern aus seinem Ort habe er bisher noch nichts gehört.

Bürgermeister ist gegen die Pläne des Landkreises

Und auch Müller selbst sagt, er könne die Pläne "unter den derzeitigen Bedingungen" nicht gutheißen. Dabei ist ihm wichtig zu betonen, dass er nicht per se gegen die Unterbringung von Flüchtlingen im Ort sei. Er berichtet, dass in Hirschfelde einige ukrainische Familien leben "und das Zusammenleben mit den Bürgern vor Ort bringt keine Probleme". Und er erinnert daran, dass 2015/16 einige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der alten Flachsspinnerei untergebracht waren, unter anderem aus Afghanistan.

Damals hätten die Einwohner die Unterbringung akzeptiert und es habe eine gute Zusammenarbeit mit dem Landratsamt gegeben. Man habe gemeinsam das Konzept für die Betreuung erarbeitet. Wie die Kommunikation vonseiten des Landkreises diesmal gelaufen sei, sei aber "kein Miteinander" gewesen. Der Kreis habe nicht versucht, mit ihm gemeinsam zu klären, welche Probleme es vor Ort gibt und wie man sie lösen kann.

Sicherheitsbedenken bei den Anwohnern

Für 150 Asylbewerber habe der kleine Ort gar nicht die Infrastruktur und es sei auch nicht klar, wie die Menschen dort beschäftigt werden sollen, sagt Ortsbürgermeister Müller. Vor allem aber scheint sich ein großer Teil der Einwohner Sorgen um die Sicherheit zu machen. Das wurde bei einer Informationsveranstaltung am Montag vergangener Woche deutlich, zu der der Landkreis die Bürger eingeladen hatte. Diese nutzten die Gelegenheit, um ihre Sicherheitsbedenken vorzubringen und um ihrem Ärger Luft zu machen.

Zu dem Gefühl der Verunsicherung bei den Einwohnern trägt offenbar bei, dass die alte Flachsspinnerei in einem etwas abgelegenen Teil von Hirschfelde liegt, in Rosenthal. Dort wohnen zurzeit etwa 120 Menschen. Dass in der Ortslage temporär bald mehr Flüchtlinge leben könnten als Einheimische, bereitet vielen Sorgen. Zumal im Ort die meisten davon auszugehen scheinen, dass nicht Frauen oder Familien, sondern alleinstehende Männer kommen werden. So auch Müller. Man könne den 120 Rosenthalern nicht 150 junge Männer gegenüberstellen, sagt er. "Das geht beim besten Willen nicht".

Landkreis plant Sicherheits- und Betreuungskonzept

Der Landkreis werde gemeinsam mit dem zukünftigen Betreiber, dem Ortschaftsrat, der Stadtverwaltung Zittau, der Ortspolizei, Vertretern von Bundes- und Landespolizei sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern ein ortsspezifisches Sicherheits- und Betreuungskonzept erstellen, teilte ein Sprecher des Landratsamtes mit.


Fragen und Antworten zur geplanten Flüchtlingsunterkunft

Woher kommen die Menschen, die in Hirschfelde untergebracht werden sollen?

Die Einwohner von Hirschfelde befürchten, dass nur alleinstehende Männer in dem Ort untergebracht werden sollen. Der Landkreis bestätigte das nicht. "Die Zuweisung erfolgt durch die Landesdirektion Sachsen. Daher kann zum derzeitigen Stand keine Auskunft gegeben werden, wer dem Landkreis Görlitz zugewiesen wird". Die Menschen, die nach Hirschfelde kommen sollen, werden also aus anderen Regionen Sachsens in den Landkreis Görlitz umverteilt. Zurzeit sind sie nach Angaben des Landratsamtes in Erstaufnahmeeinrichtungen in Chemnitz, Leipzig und Dresden untergebracht.

Weshalb fiel die Wahl des Landkreises auf Hirschfelde?

Eigentlich habe der Landkreis die Flüchtlinge dezentral unterbringen wollen, erklärte ein Sprecher des Landratsamtes. Die Landkreisverwaltung habe aber keine entsprechenden Wohnungen gefunden. Auch habe der Landkreis andere eigene Immobilien geprüft, die 2015/16 bereits für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzt worden waren. Letztlich sei aber keines dieser Gebäude in Frage gekommen: Sie werden inzwischen entweder anderweitig genutzt, waren abgerissen worden oder die "Kosten-Nutzen-Analyse" sei negativ gewesen. Deshalb sei der Landkreisverwaltung nur die Reaktivierung der landkreiseigenen Liegenschaften in Boxberg und Hirschfelde geblieben. Inzwischen plant der Landkreis auch in Görlitz eine zentrale Unterkunft.

Wie könnte eine Lösung des Konfliktes aussehen?

Die Emotionen seien so hochgekocht, dass es inzwischen schwer sei, überhaupt noch über das Thema zu diskutieren, sagt Ortsbürgermeister Bernd Müller. "Wir müssen jetzt erstmal deeskalierend wirken". Dazu sollen Gespräche mit dem Landratsamt, dem Ortschaftsrat, mit ihm und mit den Bürgern geführt werden, sagt er. Auch der Zittauer Oberbürgermeister Zenker hat angekündigt, eine Einwohnerversammlung gemeinsam mit Landkreis und Ortsbürgermeister Müller machen zu wollen.

Entscheidung des Landkreises endgültig?

Die Entscheidung an sich, Flüchtlinge in dem Gebäude unterzubringen, dürfte der Landkreis nicht mehr rückgängig machen. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN teilte ein Sprecher mit, der Landkreis nehme unabhängig von den Protesten, "die berechtigten Sorgen und Bedenken" sehr ernst. Aus diesem Grund werde die Landkreisverwaltung "die Einrichtung schrittweise nach Bedarf belegen".

Für Bernd Müller ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Das Land habe nur vorgegeben, dass der Landkreis Görlitz die Menschen unterbringen muss, nicht, dass sie in Hirschfelde unterkommen müssen, sagt er und fügt hinzu: "Der Landkreis sollte nach Möglichkeiten suchen, wo es günstiger ist."

MDR (jwi)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 31. März 2023 | 12:46 Uhr

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