Frauen bei der Kommunalwahl 2024
Sabrina Baumann kandidiert in diesem Jahr erstmals für die Kommunalwahlen. Sie will in den Kreistag von Bautzen. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Frauen in der Politik "Jetzt reicht's": Warum eine Oberlausitzerin bei den Kommunalwahlen kandidiert

19. Februar 2024, 05:00 Uhr

In Sachsen liegt der Anteil der Frauen in den kommunalen Parlamenten nur bei rund 20 Prozent. Viel zu wenig, sagt die Initiative "Frauen.Wahl.Lokal" aus der Oberlausitz. Sie unterstützt Frauen bei den kommenden Wahlen dabei, für Kreistag oder den Gemeinderat zu kandidieren. Denn viele Frauen scheuen noch davor zurück, sich in ein politisches Amt wählen zu lassen. Aber einige wagen den Schritt.

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Sabrina Baumann ist Mitte dreißig, voll berufstätig und Mutter zweier Kinder. Schon lange hat sie darüber nachgedacht, für den Stadtrat oder den Kreistag zu kandidieren. In diesem Jahr will sie es nun endlich wagen. Ein Grund sei auch das gesellschaftliche Klima, das sie gerade in der Region erlebe, erzählt die Sozialarbeiterin. Es sei für sie persönlich sehr schwierig, die vielen demokratiefeindlichen Tendenzen im Alltag zu hören. "Deshalb habe ich für mich einfach gesagt, jetzt reicht's. Jetzt ist jeder gefragt, sich dazu zu verhalten und was zu machen." In ihrem Fall ist es die Kandidatur für den Kreistag in Bautzen.

Deshalb habe ich für mich einfach gesagt, jetzt reicht's. Jetzt ist jeder gefragt, sich dazu zu verhalten und was zu machen.

Sabrina Baumann Kandidatin

Initiative unterstützt Frauen bei Kandidatur

Unterstützung bekommt sie dabei vom "Frauen.Wahl.Lokal". Die Oberlausitzer Initiative gibt es seit dem Jahr 2018. Sie ist überparteilich und will mehr Frauen in die Kommunalpolitik holen. Dafür organisiert sie Weiterbildungen, in denen sie praktisches Wissen vermittelt. Die Seminare drehen sich um Rhetoriktraining bis hin zur Frage, wie ein kommunaler Haushaltsplan funktioniert. Außerdem bringt sie erfahrene Kommunalpolitikerinnen mit dem weiblichen politischen Nachwuchs zusammen. Dieser Austausch sei wichtig, sagt Mitarbeiterin Rebecca Jakob. So würden die Frauen sehen, wie andere die vielen Herausforderungen gemeistert haben.

Viele Hürden für Frauen in der Kommunalpolitik

Denn Hürden gibt es viele. Seien es späte und lange Sitzungen, weite Wege auf dem Land oder die Kinder, die noch betreut werden müssen. Deshalb hat auch Sabrina Baumann lange mit ihrer Kandidatur gezögert. Sie habe sich nur aufstellen lassen wollen, als sie sicher war, dass sie das Amt auch schaffe. "Bei der letzten Kommunalwahl 2019 wäre es bei mir aus familiären Gründen tatsächlich auch nicht möglich gewesen." Jetzt aber habe sie genügend Zeit und Menschen, die sie dabei unterstützen. Außerdem habe sie durch die Veranstaltungen der Initiative viel darüber erfahren, wie Kommunalpolitik funktioniert, welche gesetzlichen Grundlagen es gibt.

Geholfen habe auch der Austausch mit Frauen, die schon Kreis- oder Gemeinderätin sind: "Früher war für mich Politik oder Kommunalpolitik etwas sehr Abstraktes, weit weg vom eigenen Leben. Das ist es durch das Frauen.Wahl.Lokal nicht mehr, weil ich inzwischen viele Frauen kenne und schätze, die kandidieren oder schon im Gemeinderat sind."

Früher war für mich Politik oder Kommunalpolitik etwas sehr Abstraktes, weit weg vom eigenen Leben. Das ist es durch das Frauen.Wahl.Lokal nicht mehr, weil ich inzwischen viele Frauen kenne und schätze, die kandidieren oder schon im Gemeinderat sind.

Sabrina Baumann Kandidatin

Weibliche Perspektive wichtig

Rebecca Jakob vom Frauen.Wahl.Lokal kennt die Vorbehalte der Frauen für eine Kandidatur. Sie versuche deshalb, ihnen klar zu machen, wie wichtig auch ihre Meinungen und Perspektiven sind. Zum Beispiel beim Thema Mobilität: Frauen seien im Alltag sehr viel mobiler, würden viel mehr Orte erreichen: "Sie gehen zur Arbeit, sie gehen zur Kita, sie gehen einkaufen, sie gehen nach Hause, sie bringen ein Kind wieder zum Sportverein, sie holen es wieder ab. Dementsprechend sind zum Beispiel Frauen Expertinnen darin, was das Thema Mobilität angeht. Also sollte diese Perspektive in den kommunalen Gremien auch eingebracht werden." Das passiere einfach viel zu wenig.

Es müssen einfach die Perspektiven aller Menschen, die hier leben, mit einfließen, damit wir hier gemeinschaftlich gut leben können.

Rebecca Jakob Frauen.Wahl.Lokal

Frauen in der Oberlausitz bilden 51 Prozent der Bevölkerung In den beiden Landkreisen Bautzen und Görlitz leben etwas mehr Frauen als Männer. Laut Zahlen des Statistischen Landesamtes vom Jahr 2022 sind von den rund 547.000 Einwohnern in der Oberlausitz 51 Prozent weiblich.

Dieses Verhältnis spiegelt sich jedoch nicht in den kommunalen Parlamenten wider. Hier liegt der Frauenanteil im Schnitt bei 20 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Gleichstellungsatlas des Bundesfamilienministeriums hervor.

In den beiden Kreistagen in Bautzen und Görlitz ist das Verhältnis noch schlechter: In Bautzen sitzen 84 Männer und nur 15 Frauen im Kreistag, in Görlitz sind es 73 Männer und 13 Frauen - jeweils ein Frauenanteil von 15 Prozent.

"Es ist in Ordnung, Fragen zu stellen"

Sabrina Baumann hofft, dass mehr Frauen den Mut finden, sich für die Wahl aufstellen zu lassen. Viele hätten den Anspruch, alles perfekt machen zu müssen. "Wahrscheinlich suggeriert das Amt oft, dass man schon auf alles eine Antwort haben und alles wissen muss." Aber es sei in Ordnung, dass man Fragen stelle und sich rückversichere, bevor man eine Entscheidung treffe.

Es hat nichts mit Schwäche zu tun, auch mal zu sagen: 'Nein, da will ich erst einmal noch darüber nachdenken.'

Sabrina Baumann Kandidatin

Frauen bei der Kommunalwahl 2024
Sabrina Baumann (re.) hat viel Unterstützung von Rebecca Jakob vom Frauen.Wahl.Lokal bekommen. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Noch ist Zeit für Kandidatur

Sabrina Baumann hat deshalb ihre Entscheidung für eine Kandidatur getroffen. Sie hat sich als parteilose Kandidatin auf der Liste der Linken für die Kreistagswahl in Bautzen aufstellen lassen. Wer bei der Frage der Kandidatur noch zögert, dem empfiehlt Rebecca Jakob von der Initiative "Frauen.Wahl.Lokal", sich anzuschauen, welche Frauen im örtlichen Gemeinderat sitzen. Dann könne man über die Fraktionen der Parteien zu ihnen Kontakt aufbauen. "Unsere Erfahrung ist, wenn Frauen auf Frauen zugehen, dass da eine sehr große Offenheit herrscht zu sagen: Ich erzähl dir mal, wie das ist, ich nehme dich mit und wir treffen uns mal."

Noch ist Zeit, sich für eine Kandidatur zu entscheiden, zumindest für die Stadt- und Gemeinderatswahlen. Während für unabhängige Kandidatinnen die bürokratischen Hürden bei der Kreistagswahl relativ hoch sind, reicht bei Gemeinderatswahlen eine bestimmte Anzahl von Unterstützungsunterschriften aus. Für die Kommunalwahlen im Juni müssen die Wahlvorschläge spätestens bis zum 4. April vorliegen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 27. Februar 2024 | 16:30 Uhr

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