Christine Lehnert und Frank Jünger haben für die Ausstellung in der Alten Schmiede Obergurig zahlreiche historische Fotos und Modelle von Landmaschinen zusammengetragen.
Christine Lehnert und Frank Jünger haben für die Ausstellung in der Alten Schmiede Obergurig zahlreiche historische Fotos und Modelle von Landmaschinen zusammengetragen. Bildrechte: MDR/Lutz Günther

Ehemaliges Fortschritt-Werk Ausstellung in Obergurig zeigt Geschichte des Mähdrescherbaus in der Oberlausitz

13. Juni 2024, 08:30 Uhr

Jedes Jahr zur Erntezeit waren sie auf Straßen und Feldern zu sehen – die Blauweißen aus Singwitz. Gemeint sind Mähdrescher, die von dem kleinen Ort bei Bautzen fast in die ganze Welt gingen. Die Tradition des Landmaschinenbaus in der Oberlausitz reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Eine kleine Ausstellung in Obergurig erinnert nun an diese Industriegeschichte.

Die Mähdrescher aus Singwitz. Sie waren die robusten Arbeitstiere bei jeder Ernteschlacht auf den Feldern der DDR. Doch die Geschichte des Landmaschinenbaus in der Oberlausitz begann schon 1856. Aus einem Werk, in dem nach der Jahrhundertwende noch Strohpressen gebaut wurden, entwickelte sich 1951 das Volkseigene Kombinat Fortschritt. Seitdem wurden in Singwitz die bekannten Mähdrescher gebaut.

DDR-Mähdrescher noch heute im Einsatz

Die Erntemaschinen aus dem Werk nahe Bautzen wurden in 50 Länder der Erde exportiert. Christine Lehnert leitete im Fortschrittwerk den Verkauf in die nordeuropäischen Staaten. Die 78-Jährige hat gemeinsam mit vielen Helfern eine Ausstellung gestaltet, in der die Geschichte der Singwitzer Mähdrescher erzählt wird.

Zur Eröffnung ihrer Ausstellung am Samstag lässt sie zwei Originalmaschinen vorfahren. "Da gibt es in Obergurig einen Mann, der ist auch voller Leidenschaft für Mähdrescher und der stellt uns hier zwei Mähdrescher hin, die wir besichtigen können und die auch noch auf dem Feld arbeiten", kündigt Lehnert an.

Historische Aufnahme aus Singwitz: Zu Spitzenzeiten waren im Mähdrescher-Werk bis zu 2.500 Menschen beschäftigt.
Historische Aufnahme aus Singwitz: Zu Spitzenzeiten waren im Mähdrescher-Werk bis zu 2.500 Menschen beschäftigt. Bildrechte: MDR/Lutz Günther

Der Verkaufsschlager E 512

In den Ausstellungsräumen der alten Schmiede in Obergurig haben die Mähdrescher-Enthusiasten viele Fotos, Erinnerungsstücke und auch Mähdrescher-Modelle zusammengetragen. Unter den fast 100.000 Mähdreschern, die über die Jahrzehnte in Singwitz gebaut wurden, gab es zwei ganz besondere Exemplare, erinnert sich Ortschronist Frank Jünger. Auch er hat einst im Fortschrittwerk gearbeitet.

"Der E 512 kam 1968 heraus. Das war der größte und am meisten produzierte Mähdrescher", berichtet Jünger. Nach der Wende gingen die Konstrukteure aus Singwitz in alle Welt und schauten sich an, wie woanders Erntemaschinen gebaut wurden. So kam der "Arcus" zustande. Im Gegensatz zur Konkurrenz hatte die Maschine die Lenkung vorn, die starren großen Räder hinten. "Dadurch konnte der auf Landstraßen mit Tempo 40 km/h fahren. Bei der Ernte bedeutete das Geld, wenn man schnell unterwegs sein konnte", erklärt Frank Jünger. Der Arcus habe weltweit für Furore gesorgt, war aber der letzte in Singwitz entwickelte Mähdrescher.

Ein Modell des Mähdreschers "Arcus". Von dieser Erntemaschine wurden nur 12 Stück gebaut.
Ein Modell des Mähdreschers "Arcus". Von dieser Erntemaschine wurden nur zwölf Stück gebaut. Bildrechte: MDR/Lutz Günther

Die modernste Maschine bringt das Mähdrescherwerk in Schieflage

Denn die Entwicklung des Arcus hatte viel Geld gekostet und das brachte das Werk in finanzielle Schwierigkeiten. Die Mitarbeiter bauten in der Folge nur noch Modelle anderer Marken. 2009 verließ der letzte Mähdrescher die Hallen in Singwitz. Bis 2016 wurden hier noch andere Landmaschinen gebaut. Dann kam das endgültige Aus und das Ende der Industriegeschichte in Singwitz.

Für Christine Lehnert ist es eine Herzensangelegenheit daran zu erinnern. In Singwitz wurden fast 100.000 Mähdrescher gebaut. In Spitzenzeiten waren im Werk 2.500 Leute beschäftigt. "Ich möchte den Leuten ins Bewusstsein bringen, ihr habt was geschafft und ihr seid wer", betont Lehnert.

Im Obergeschoss der Alten Schmiede in Obergurig ist die Mähdrescher-Ausstellung bis Ende des Jahres zu sehen.
Im Obergeschoss der Alten Schmiede in Obergurig ist die Mähdrescher-Ausstellung bis Ende des Jahres zu sehen. Bildrechte: MDR/Lutz Günther

Am kommenden Sonnabend wird die Ausstellung mit einem Hoffest an der Alten Schmiede in Obergurig eröffnet. Sie soll dann bis Ende des Jahres zu sehen sein.

MDR (lgü/mak)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 14. Juni 2024 | 14:30 Uhr

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