Ein Wald im Gegenlicht.
Der Wald muss vielfältiger werden und sich dem veränderten Klima anpassen, sagen Experten. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Klimawandel Wie sich der Wald in Sachsen-Anhalt verändern wird

06. August 2023, 09:11 Uhr

Immer trockenere und heißere Jahre belasten den Wald in Sachsen-Anhalt. Im letzten Jahr waren so viele Bäume wie noch nie beschädigt oder abgestorben. Gleichzeitig wird der Waldumbau, also die Umgestaltung von Nadelwäldern zu Mischwäldern, weiter vorangetrieben. Der Naturschutzbund will mit einem Konzept zeigen, wie Wirtschaftlichkeit und Naturschutz im Wald künftig zusammengedacht werden können.

MDR San Mitarbeiterin Annekathrin Queck
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Wer in Sachsen-Anhalt in den Wäldern unterwegs ist, trifft vor allem auf Nadelbäume wie Kiefern und Fichten. Hier und da sieht man auch mal einen Laubbaum. Schnell wird klar: Hitze, Trockenheit, Stürme, Waldbrände und der Borkenkäfer haben ihre Spuren hinterlassen. Im Harz ragen auf großen Flächen abgestorbene Bäume in die Höhe. Andere Stellen sind komplett kahl.

Auch der "Waldzustandsbericht 2022" zeichnet kein positives Bild. Nur einer von fünf Bäumen in Sachsen-Anhalt ist demzufolge gesund. Alle Baumarten wiesen Schäden auf, insbesondere die Fichte. Die Hälfte dieser Bäume habe im letzten Jahr starke Schäden davongetragen. Darüber hinaus sei jede dritte der 2021 vorhandenen Fichten ein Jahr später abgestorben. Wie das Landeszentrum Wald berichtet, ist der Großteil der Bäume dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen.

NABU: Alle Baumarten leiden unter Trockenheit

Auch Buchen und Eichen hätten zunehmend mit der Trockenheit zu kämpfen. Selbst Arten wie die Traubeneiche, die als trockenresistent gelten, weisen demnach Schäden auf. Nach Aussage des Naturschutzbundes (NABU) Sachsen-Anhalt hängt das unter anderem damit zusammen, dass durch das Absterben der Fichten ehemals dichte Waldgebiete lichter werden. Dadurch verändere sich das Waldklima und das Risiko für Sturmschäden steige. Wenn Laubbäume wie Buchen plötzlich frei stünden, führe das auch zu Sonnenbrand an der Rinde. Bäume mit dünner Rinde können durch solche Schäden so sehr geschwächt werden, dass sie absterben.

Wie gesund Bäume sind, lässt sich anhand der sogenannte mittleren Kronenverlichtung nachvollziehen, die auch im Waldzustandsbericht eine zentrale Rolle spielt. Sie gibt das Verhältnis von aktueller und maximal Laubmenge an, also der Anzahl der Blätter bzw. Nadeln, die der Baum zum gemessenen Zeitpunkt trägt in Relation zu der Menge an Blättern oder Nadeln, die er maximal tragen könnte. Im langjährigen Mittel von 1991 bis 2022 hat dieser Wert dem Landeszentrum Wald zufolge unter vier Prozent gelegen. Im letzten Jahr sei die Kronenverlichtung dann bei allen Baumarten auf 27 Prozent angestiegen. Zum ersten Mal trugen die Bäume damit deutlich weniger Blätter und Nadeln als in den Vorjahren.

Ministerium: Forstwirtschaftliche Fehler führen zu Waldsterben

Wie das Landesforstministerium auf seiner Webseite schreibt, verzeichnen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aktuell besonders viele Schäden. Weil es im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich wenig geregnet habe, seien die Böden in den tieferen Schichten stark ausgetrocknet. Das bestätigt auch das Landeszentrum Wald. Seit 2018 litten die Wälder in Sachsen-Anhalt unter Trockenstress. Auch das Sturmtief Friederike im Januar 2018 habe vor allem den Bäumen im Harz geschadet.

Die anhaltende Trockenheit ist nach Aussage des Ministeriums aber nur ein Teil des Problems. Die Folgen hätten deutlich gezeigt, dass in der Forstwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten Fehler gemacht wurden. Dazu zählten der Fokus auf Monokulturen mit gleichaltrigen Bäumen, sowie zum Teil eine falsche Baumartenwahl für bestimmte Standorte. Das sei vor allem bei der Fichte deutlich geworden, die weder Trockenheit noch Schädlinge gut toleriert und außerdem besonders sturmgefährdet ist. Durch die starke Verbreitung der Fichte käme es nun zu einem großflächigen Waldsterben, unter anderem im Harz.

Waldbesitzer: Weniger Einnahmen und fehlendes Saatgut

Damit haben auch die Waldbesitzer in Sachsen-Anhalt zu kämpfen, denen über die Hälfte der Waldgebiete im Land gehört. Wegen des Borkenkäfers müssen viele Bäume gefällt werden. Das bedeutet dem Waldbesitzerverband zufolge einen zusätzlichen Arbeitsaufwand. Es sei zwar noch möglich, Unternehmen und Holzeinkäufer zu finden, die die Bäume aus dem Wald holten und das Holz übernehmen würden, allerdings könne man mit dem Ertrag aktuell nur wenig Geld verdienen.

Ein weiteres Problem: Die durch Trockenheit, Borkenkäfer und Stürme entstandenen Freiflächen müssen wiederbewaldet werden. Laut Landesforstgesetz haben Waldbesitzer dafür bis zu drei Jahre Zeit. Dafür müsse die richtige Baumart ausgewählt und entsprechendes Saatgut oder Jungbäume gekauft werden. Mit steigender Nachfrage sei allerdings nicht immer zu garantieren, dass davon in den Baumschulen ausreichend zur Verfügung stünde. Das bestätigt auch das Landeszentrum Wald. Waldumbau und Wiederbewaldung liefen zwar wie geplant, bei großen geschädigten Flächen gebe es aber zum Teil Probleme, geeignete Samen oder Pflanzen zu beschaffen.

Fördergelder reichen nicht

Der Waldbesitzerverband kritisiert, dass die vorhandenen Förderprogramme mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden sind. Es zeichne sich außerdem bereits ab, dass die Gelder nicht für alle gestellten Anträge reichen würden. Sorgen bereitet den Waldbesitzern nach eigener Aussage auch, dass der Bund angekündigt hat, bestimmte Förderprogramme für Waldumbau und Wiederbewaldung auslaufen zu lassen. Stattdessen soll es künftig eine Bundesförderung geben, die im Umweltministerium angesiedelt ist. Der Verband befürchtet, dass das Ministerium wiederum eigene Kriterien für die Nutzung und den Umbau des Waldes formulieren wird.

Sachsen-Anhalt: Deutlich mehr Nadelbäume als Laubbäume

Sachsen-Anhalt verfügt landesweit über rund 520.000 Hektar Wald. Das entspricht etwas mehr als einem Viertel der Landesfläche. Die größten Waldgebiete befinden sich im Harz. Weitere zusammenhängende Waldflächen gibt es rund um aktive und ehemalige Truppenübungsplätze wie Colbitz-Letzlinger Heide, Klietz und Altengrabow. Rund 54 Prozent der Wälder in Sachsen-Anhalt sind in privater Hand.

Landesweit besteht der Wald überwiegend aus Nadelbäumen wie Fichten, Kiefern, Lärchen und Douglasien. Etwas weniger als die Hälfte des gesamten Waldes ist von Laubbäumen wie Eichen, Buchen, Birken und Ahorn bewachsen. Nach Angaben des Waldbesitzerverbandes ist der Norden und Osten des Landes besonders von Kiefern und Eichen geprägt, der Westen vor allem von Buchen und Fichten.

Landeszentrum Wald: Waldumbau vorantreiben

Das Landeszentrum Wald ist sich in Sachen Klimawandel sicher: "Wenn sich die Veränderungen in dem Maße fortsetzen, ist es ausgeschlossen, dass sich langlebige Systeme wie Wälder natürlicherweise daran anpassen können." Selbst wenn eine natürliche Anpassung gelänge, würde es etliche Waldgenerationen dauern, was mehreren Tausend Jahren entspreche. Deshalb berücksichtige man die aktuellen Klimaprognosen beim Waldumbau und bei der sogenannten Waldverjüngung.

Stichwort: Waldverjüngung Bei der Waldverjüngung werden einzelne alte Bäume gefällt und so die Möglichkeit geschaffen, dass junge Bäume nachwachsen können. Das hat den Vorteil, dass in der Folge ein Wald mit unterschiedlich alten Bäumen entsteht, der deutlich resistenter gegenüber Klimaveränderungen ist als ein Wald aus gleichaltrigen Bäumen.

Das Landeszentrum Wald erwartet, dass es in Sachsen-Anhalt künftig Mischwälder aus Laub- und Nadelbäumen geben wird, die sich in ihrer Zusammensetzung je nach Standort unterscheiden werden. Wenn große Waldflächen absterben, könne es hundert Jahre oder länger dauern, bis ein Umbau vollzogen sei. Schon seit den 1990er-Jahren gebe es landesweit das Ziel, den Anteil der Laubbäume im Wald zu erhöhen. Große Hoffnung sei dabei auf die Buche gesetzt worden. In den letzten Jahren habe sich allerdings gezeigt, dass auch sie unter der Trockenheit leidet, vor allem die älteren Bäume.

Fremde Baumarten als Lösung?

Eine Lösung könnte die Ansiedlung fremder Baumarten sein, die besser an das aktuelle und künftige Klima angepasst sind. Diesem Ansatz stimmt der NABU Sachsen-Anhalt nur bedingt zu. "Das gelegentlich erwähnte Einbringen 'exotischer' Arten kann helfen, sollte aber stets vorsichtig und nicht als Standardlösung erfolgen." Diese Bäume könnten zwar kurzfristig einen positiven Einfluss auf die Klimabilanz des Waldes haben, langfristig würden sie aber wenig dazu beitragen, das ökologische Gleichgewicht zu erhalten oder die Artenkrise zu lösen.

Der Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt hält es dagegen für wichtig, beim Thema Baumarten über den "deutschen Tellerrand" zu schauen. Die Folgen des Klimawandels hätten gezeigt, dass es nicht mehr möglich ist, nur mit einheimischen Baumarten zu arbeiten. Wichtiger als das Anpflanzen heimischer Arten sei die Anpassung an den Standort. Brauche es zum Beispiel Ersatz für einen Wald, der bisher von Buchen geprägt war, sei es nicht immer möglich, stattdessen Eichen zu pflanzen.

Diese kämen zwar besser mit Wärme und Trockenheit zurecht, litten dafür aber zum Teil schwer unter Schädlingsbefall. Deshalb lohne es sich, mit alternativen Baumarten zu arbeiten, insofern diese auch winterlichen Temperaturen, Frost und Schnee tolerierten. Gute Erfahrungen habe man bereits mit Roteiche, Douglasie, Küstentanne und Hybridlärchen gemacht.

Das Landesforstministerium spricht sich ähnlich wie der NABU eher dafür aus, in Zukunft vor allem auf heimische Baumarten zu setzen. Diese Vorgabe ist Teil des Plans "20 Punkte für den Wald der Zukunft", der helfen soll, den Wald klimagerecht umzugestalten.

NABU: Andere Bewirtschaftung der Wälder nötig

Der NABU fordert mit Blick auf die Zukunft, dass sich die Bewirtschaftung der Wälder verändern muss. In erster Linie bedeute das, dass Wasser im Wald zurückzuhalten und auf großflächiges Baumfällen für die Holzgewinnung zu verzichten. Wichtig sei auch sogenannte Verjüngungsverfahren im Wald kritisch zu hinterfragen. Eines dieser Verfahren sei der Großschirmschlag, bei dem durch das Fällen einzelner Bäume das Kronendach des Waldes lichter wird. Weil in der Folge aber Schäden an den Bäumen entstehen könnten, setzt sich der NABU dafür ein, solche Maßnahmen künftig zu unterlassen.

Auch der Waldbesitzerverband spricht sich dafür aus, dass im Wald künftig anders gewirtschaftet wird. Statt neue Monokulturen anzupflanzen, arbeite man aktuell daran, die bestehenden Waldflächen mit anderen Baumarten zu durchmischen und vielfältiger zu gestalten. Dafür müsse der alte Baumbestand zunächst weiterwachsen, um mit dem späteren Erlös den weiteren Waldumbau finanzieren zu können. Dazu gehöre auch, waldbauliche Regeln zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen sowie andere Ansätze auszuprobieren.

Wenn allerdings durch Stürme, Trockenheit oder Borkenkäferbefall große Waldflächen absterben würden, könne es passieren, dass die Holzpreise sinken und die Einnahmen zu gering seien, um den Waldumbau zu finanzieren. In solchen Fällen gibt es dem Verband zufolge zum Beispiel die Möglichkeit, Windräder auf den entstehenden Freiflächen zu bauen. Denkbar sei auch ökologisch wichtige Funktionen des Waldes wie das Speichern von CO2 und Wasser in finanzieller Form anzuerkennen, ohne die Vergütung an weitere Bedingungen zu knüpfen.

Forderung: CO2-Speicherfunktion der Wälder honorieren

Das hält auch der NABU Sachsen-Anhalt für eine gute Idee. Er hat gemeinsam mit der Forsthochschule Göttingen ein Konzept erarbeitet, bei dem der Fokus auf der Fähigkeit von Wäldern liegt, Kohlenstoff zu speichern. Würde man diese Leistung erfassen und honorieren, könne das dazu beitragen, das im Klimaschutzgesetz angestrebte Ziel zu erreichen den CO2-Ausstoß bis 2045 zu verringern.

Deshalb setzen sich der NABU und die Forsthochschule Göttingen dafür ein, den Forstsektor dabei miteinzubeziehen. Dafür habe man in dem gemeinsamen Konzept Zukunftsszenarien analysiert, wie zum Beispiel die Wälder in Sachsen-Anhalt bewirtschaftet werden könnten und daraus konkrete Vorschläge abgeleitet, wie das im Einklang mit dem Naturschutz möglich wäre. Der NABU betont, dass besonders die Politik gefragt ist, an dieser Stelle zu investieren.

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Alte Bäume speichern besonders viel CO2

Aktuell sei das Problem, dass in der Forstpraxis argumentiert werde, dass schnell nachwachsende junge Wälder das CO2 kompensieren könnten, das beim Fällen von Bäumen freigesetzt werde. Das ist dem NABU zufolge aber falsch. Alte Bäume speicherten einen unverhältnismäßig großen Teil des Kohlenstoffs. Wie eine 2018 durchgeführte Untersuchung ergab, enthält ein Prozent der größten Bäume die Hälfte des oberirdischen Kohlenstoffs. Deshalb würden bei der Umwandlung von alten in junge Wäldern beträchtliche Mengen CO2 freigesetzt.

Der NABU Sachsen-Anhalt und das NABU-Projektbüro Mittel-Ostdeutsche Waldökosysteme fordern, dass in den Wäldern künftig weniger Bäume gefällt werden und genau gemessen wird, wie viel CO2 gespeichert und freigesetzt wird. Es sei wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie viel Kohlenstoff durch eine begrenzte Waldnutzung eingespart werden könne.

MDR (Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. August 2023 | 12:00 Uhr

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