Bestattung von Haustieren Experten-Interview: "Tiergräber weisen hohe Ähnlichkeit zu Kindergräbern auf"
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08. Oktober 2022, 18:12 Uhr
Ob Hund, Katze oder Hamster – Haustiere haben heutzutage einen hohen Stellenwert in Familien und bei weitem nicht nur die einsame Rentnerin wünscht sich für sie ein Grab. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Tierbestatter und ein Diplom-Theologe erklären die aktuellen Entwicklungen – und berichten unter anderem von heimlich auf Friedhöfen beigesetzten Haustieren.
Herr Struck, wer lässt sein Haustier bestatten?
Martin Struck, Tierbestatter: Das Tier hat sich absolut zum Familienmitglied entwickelt, im Gegensatz zu früher. Es kommen junge Familien genauso wie ältere Familie zu uns, trauern um das Tier, möchten das Tier gerne beisetzen. Das ist auch der Grund, warum zu den Beisetzungen eines Haustiers Mutter, Vater, Oma, Opa und Enkel kommen. Sie trauern auf dem Tierfriedhof und übernehmen nachher auch die Grabgestaltung, stecken regelmäßig eine Kerze an.
Weshalb haben Tiere heutzutage oft ein Grab, Herr Kühn?
Jakob Kühn, Theologe: Die Akzeptanz ist gestiegen, dass ein Haustier ein wichtiger Sozialpartner sein darf. Damit geht einher, dass die Akzeptanz steigt, dass sich um so ein Tier nicht nur zu Lebzeiten gekümmert wird, sondern auch nach dem Tod – und dass darum getrauert werden darf. Die Vorbehalte, dass Menschen um Haustiere trauern, sind immer noch gegeben. Gleichzeitig ist es so, dass es viel selbstverständlicher geworden ist. Ausdruck dieser Entwicklung ist natürlich, dass es entsprechende Möglichkeiten geben muss, ein Tier zu bestatten.
Im Interview
Tierbestatter Martin Struck ist 1. Vorsitzender des Bundesverbands der Tierbestatter. Mehr als 30 Jahre lang war er Geschäftsführer der Friedhofsgärtnergenossenschaft in Dortmund. 2004 hat er dort das Portfolio erweitert und einen Tierfriedhof eröffnet, seit 2019 sind Humanbestattungen mit Tier möglich. Mittlerweile ist er in Rente.
Diplom-Theologe Jakob Kühn beschäftigt sich seit sechs Jahren mit dem Thema Tierbestattung. Er arbeitet am Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Rostock. Dort ist das Thema Forschungsschwerpunkt. An kaum einer Universität in Deutschland wird sich derart intensiv mit dem Thema beschäftigt.
MDR SACHSEN-ANHALT hat mit beiden Experten einzeln gesprochen.
Es gibt sogar Trauerfeiern für Tiere. Was ist da möglich?
Martin Struck, Tierbestatter: Wir bieten grundsätzlich den Familien an, den Sarg selbst zu gestalten und den Sarg dann auch auf den Friedhof zu tragen und dort beizusetzen, das Grab selbst zu schließen. Das ist ein Stück der Trauerbewältigung, die die Tierbesitzer gern annehmen.
Ähnlich ist es mit Angehörigen, die ein Tier kremieren lassen und dann die Asche bzw. die Urne entgegengennehmen. Sie nehmen die Urne entweder mit nach Hause in ihre Wohnung oder ihren Garten oder wohin sie möchten. Das sind heute Trauerbegleitungen, die vor 20 Jahren noch nicht so denkbar waren.
Warum werden Gräber von Haustieren so liebevoll gepflegt?
Jakob Kühn, Theologe: Wenn man sich die Gestaltung von Tiergräbern anschaut, ist auffällig, dass sie in der Regel sehr aufwendig gestaltet sind. Dazu ist deutlich zu sehen ist, dass sich Menschen regelmäßig darum kümmern. Die Deutung ist, dass die Gestaltung von Tiergräbern auf Tierfriedhöfen Ausdruck für die Beziehungsqualität zu Lebzeiten zwischen Mensch und Tier ist. Wobei man sagen muss, dass wir an dieser Stelle nur einen Ausschnitt wahrnehmen. Die Anzahl der Heimtiere, die nicht auf Tierfriedhöfen bestattet werden, ist wahrscheinlich viel größer.
Tiergräber weisen in der Gestaltung hohe Ähnlichkeit zu Kindergräbern auf.
Tiergräber weisen in der Gestaltung hohe Ähnlichkeit zu Kindergräbern auf. Bei Gräbern für Kinder ist es oft so, dass Spielzeug oder Kuscheltiere dazu gelegt werden. Das Verhältnis zwischen Heimtier und Mensch ist so, dass diesen Tieren oft eine Fürsorge wie bei Kindern zukommt. Zeitgleich ist das Tier nicht mündig. Das Tier wird umsorgt wie ein Kind. Entsprechend sind dann die emotionale Nähe bzw. der Verlustschmerz hoch.
Das kostet eine Tier-Beisetzung auf dem Tierfriedhof
Für ein 60x100 Zentimeter großes Grab müssen durchschnittlich 125 Euro für die Beisetzung und jährlich 75 Euro Pflegekosten gezahlt werden. Bei einer Einzelkremierung fallen für eine Katze oder einen kleinen Hund rund 200 bis 300 Euro an. Dazu kommt die Urne. Deren Preis liegt abhängig von Material und Machart zwischen 80 und 1.000 Euro.
Quelle: Bundesverband der Tierbestatter
Welche emotionalen Momente haben Sie bei der Tierbestattung erlebt?
Martin Struck, Tierbestatter: Wenn ich beispielsweise bei einer Dame, 80 plus, gewesen bin, die eine ältere Katze gehabt hat, dann tut es schon weh, die Katze mitzunehmen und zu wissen: Ab diesem Zeitpunkt ist die ältere Dame alleine. Sie hat ihre geliebte Katze verloren, die nicht mehr am Katzenbaum heraufklettert und nicht mehr schnurrt. Für diese ältere Person hat sich wieder ein Stück des Lebensabschnitts geschlossen und das macht schon betroffen. Das sind Momente, die mich auch nach Jahren noch begleiten.
Meine "Musterkundin" war immer meine Mutter. Sie war 85 plus und hatte ihren West Highland Terrier als täglichen Begleiter. Meine Mutter war eine sehr belesene und eine sehr fromme Frau. Sie hatte auch einen gewissen Abstand zum Tier, aber die beiden waren eine Sozialgemeinschaft. Morgens standen sie zur selben Zeit auf und abends gingen sie gleichzeitig schlafen. Es war eine sehr persönliche Begleitung, wo der eine auf den anderen eingeht. Wenn die beiden spazieren gingen, guckte sich der Hund immer um, ob meine Mutter noch da war.
Hälfte der verstorbenen Tiere wird privat beerdigt
Die Lieblingstiere der Deutschen sind Katzen und Hunde. Mehr als 8 Millionen Katzen und 5,5 Millionen Hunde leben hier. Jährlich versterben rund 1,3 Millionen Hunde und Katzen. Die Hälfte davon werden auf Privatgrundstücken beerdigt. Der Großteil der verbleibenden Tiere wird in Tierkrematorien verbrannt. Rund 10.000 werden auf einem Tierfriedhof bestattet, Tendenz steigend.
Ungefähr 160 Tierbestatter gibt es in Deutschland und ihre Auftragsbücher sind gut gefüllt. Auf 15 bis 20 Friedhöfen deutschlandweit ist mittlerweile auch die gemeinsame Beisetzung von Mensch und Tier möglich, für Sachsen-Anhalt in Aschersleben und Magdeburg.
Quelle: Bundesverband der Tierbestatter
Welche Veränderungen gibt es bei der Bestattung von Mensch bzw. Tier?
Jakob Kühn, Theologe: Wenn man sich die Bestattungskultur bei menschlichen Gräbern anschaut, ist ein starker Wandel über die letzten Jahrzehnte zu verzeichnen. Grob fassen kann man das unter Pluralisierung und Individualisierung. Es differenziert sich extrem aus – von den sehr aufwendig gestalteten Gräbern bis hin zu anonymen Bestattungen. Dass es das mittlerweile alles gibt und ein Friedhof alle Varianten anbieten muss, ist Kennzeichen des Wandels der Bestattungskultur.
Wenn man den Vergleich zum Menschen zieht, ist auffällig, dass bei Tiergräbern die pflegeleichten Formen noch nicht gefordert sind. Bei Gräbern für Menschen ist das aber die absolute Tendenz: pflegeleichte Bestattungen. Ausdruck des Wandels ist auch, dass zunehmend Tiergräber bzw. Mensch-Tier-Gräber angeboten werden.
Was berichten Ihnen Friedhofsmitarbeiter?
Jakob Kühn, Theologe: Was Menschen auf Friedhöfen tun, deckt sich nicht immer mit den rechtlichen Vorgaben. Ein Aspekt ist Folgender: Wenn Gräber eingeebnet bzw. neu belegt werden, werden mitunter Urnen oder Grabbeigaben gefunden, die darauf hinweisen, dass dort Tierasche wiederrechtlich hinzugefügt worden ist. Also dass die Praxis der Mensch-Tier-Bestattung in Einzelfällen besteht, obwohl sie rechtlich noch nicht ermöglicht war oder ist. Das deutet wiederum darauf hin, dass das Bedürfnis schon länger besteht.
Seit wann gibt es Mensch-Tier-Bestattungen in Deutschland?
Martin Struck, Tierbestatter: 2015 war die erste Bestattung in Deutschland. Maßgeblich kommt das aus dem Betrieb "Unser Hafen" in Rheinland-Pfalz, der auch Mitglied in unserem Verband ist. Das ist ein Betrieb, der die Beisetzung von Mensch und Tier nach vorne getrieben hat. Er hat die rechtlichen Voraussetzungen geklärt und hat so an verschiedenen Stellen in Deutschland die gemeinsame Beisetzung ermöglicht.
Wir haben in Deutschland sehr viele freie Friedhofsflächen und es ist auf jeden Fall begrüßenswert, solche Initiativen zu machen – sicherlich immer ortsangepasst und in besonderen Bereichen auf den Friedhöfen, das ist gar keine Frage. In Deutschland dürfen Mensch-Tier-Bestattungen nur als Asche-Beisetzungen erfolgen, also in Urnen. Auf einem Tierfriedhof ist die Bestattung des Tieres per Sarg oder Urne möglich, je nach Friedhof.
Warum gibt es diesen Wandel bei den Bestattungsmöglichkeiten?
Jakob Kühn, Theologe: Mein Erklärungsmuster: Es sind mindestens drei Punkte. Das Thema wird im öffentlichen Diskurs nicht mehr als völlig abwegig angesehen. Dann gibt es zweitens seit Jahren die Möglichkeit, sein Tier als Privatperson kremieren zu lassen. Und Unternehmen im Bestattungsbereich müssen sich drittens neue Betätigungsfelder erschließen. Friedhofsbetreiber sind seit Langem schon unter Kostendruck. Tierfriedhöfe oder Mensch-Tier-Bestattungen sind natürlich eine Möglichkeit, das Portfolio zu erweitern. Dazu nimmt das Bestattungsgesetz in Sachsen-Anhalt keine Einschränkung bei diesem Thema vor. Dadurch kann eine konkrete Friedhofsordnung diese Dinge ermöglichen.
Welche Vorbehalte gibt es gegen die gemeinsame Bestattung des Tieres mit dem Menschen?
Jakob Kühn, Theologe: Meines Erachtens lassen sich drei Themenkreise ausmachen: Da wäre erstens eine mehr oder minder diffuse Vorstellung des Unhygienischen, wenn Menschen mit Tieren zusammen bestattet werden. Das führt durchaus zu Vorbehalten. Zweitens wird oft die Notwendigkeit nicht gesehen. Der Vorwurf lautet: Wie kannst du um ein Tier trauern, es ist ja kein Mensch. Wer die Trauer um ein Tier nicht nachvollziehen kann, wird auch den Wunsch nach einer gemeinsamen Bestattung nur bedingt nachvollziehen können.
Drittens ist eine Zurückhaltung auch theologisch zu erklären. Die Hoffnung auf Auferstehung galt und gilt in erster Linie dem Menschen. Erst in jüngerer Zeit werden andere theologische Perspektiven entwickelt, die eine Mensch-Tier-Bestattung nicht ausschließen.
Wenig Forschung zur Bestattung von Tieren Das Thema Tierbestattung steht an den Universitäten im deutschsprachigen Raum nicht im Fokus. Wissenschaftlich wird sich damit erst seit einigen Jahren beschäftigt. Forschungsschwerpunkt ist es vor allem an den Universitäten in Passau (Soziologie) und Rostock (Theologie). Im englischsprachigen Raum ist die Bestattung von Tieren schon deutlich länger Thema.
Die Interviews führte Luise Kotulla.
MDR (Luise Kotulla)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Oktober 2022 | 09:30 Uhr
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