Ulrich Kalmbach verabschiedet sich nach 37 Jahren als Direktor des Danneil Museums Salzwedel. 4 min
36 Jahre lang hat Ulrich Kalmbach das Danneil-Museum im altmärkischen Salzwedel geleitet. Jetzt verabschiedet er sich in den Ruhestand. Katharina Häckl hat mit ihm über seine Arbeit und die Zukunft des Museums gesprochen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Im Danneil-Museum Salzwedel geht eine Ära zu Ende: Nach 36 Jahren im Dienst als Direktor geht Ulrich Kalmbach in den Ruhestand. Anlass für ihn, auf seine Arbeit und das Museum zurückzuschauen.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 07.02.2025 13:15Uhr 03:59 min

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Danneil-Museum in Salzwedel Vom Hausmeister zum Direktor: Scheidender Museumchef im Porträt

07. Februar 2025, 11:03 Uhr

Das Danneil-Museum in Salzwedel steht vor einem Generationenwechsel: Nach 36 Jahren gibt Ulrich Kalmbach die Leitung des Heimatmuseums im Norden von Sachsen-Anhalt ab und geht in Rente. Vorher arbeitete der gebürtige Madeburger im Opernhaus Chemnitz und war Hausmeister im Bördemuseum. Nach einem Studium in Leipzig kam er schließlich in die Altmark. Ein Porträt.

  • Der Museumsdirektor des Johann-Friedrich-Danneil-Museums Salzwedel geht in den Ruhestand – seine Karriere begann er als Techniker im Opernhaus Chemnitz.
  • Laut Ulrich Kalmbach denkt ein Museum in Jahrhunderten. Dadurch verändere sich der Blick auf aktuelle Probleme.
  • Auch im Ruhestand will er sich weiter mit Gedenkorten in der Altmark beschäftigen.

Fast vier Jahrzehnte hat Ulrich Kalmbach in seinem großen Büro im Danneil-Museum in Salzwedel verbracht. Eigentlich, erzählt der schlanke Mann mit den grauen Haaren und den schmunzelnden Augen, hätten er und seine Frau damals lieber ins Gebirge ziehen wollen. Nach Salzwedel hätte es die beiden im September 1989 aber aus ganz pragmatischen Gründen gezogen.

"Von den vielen Stellen, die ich mir damals zu DDR-Zeiten hätte aussuchen können, war Salzwedel der einzige Ort, wo auch eine Wohnung für eine Familie mit zwei Kindern dranhing." Das sei das ausschlaggebende Argument für Salzwedel gewesen.

Vom Studium direkt nach Salzwedel

Im Herbst 1989 kamen die Kalmbachs in eine aufgebrachte, aufgewühlte Stadt, nur wenige Kilometer vom innerdeutschen Todesstreifen entfernt. Auch in Salzwedel trafen sich Menschen in Kirchen und demonstrierten auf den Straßen für eine bessere, freiere Gesellschaft.

Ulrich Kalmbach, frisch vom Studium der Museologie in Leipzig in die alte Hansestadt gekommen, war hin- und hergerissen zwischen dem Einrichten mit der Familie, dem Zurechtfinden am neuen Arbeitsplatz und der Pflicht, materielle Zeitzeugnisse der historischen Ereignisse für das Museum zu sichern. Es gelang: "Quasi direkt aus dem Pfarrhaus" hätten er und die Kollegen und Kolleginnen damals Transparente ins Museum gebracht, außerdem wichtige Dokumente des regionalen Neuen Forums, Schriften, die im Umlauf waren, die ersten freien Zeitungen.

Danneil-Museum in Salzwedel: Blick auf ein Fachwerkgebäude mit Türmchen unter strahlend blauem Himmel
Das Johann-Friedrich-Danneil-Museum in Salzwedel wurde nach einem Prähistoriker und Gymnasialprofessor benannt. Es zeigt historische Fundstücke aus der Altmark. Bildrechte: picture alliance/ZB/Jens Wolf

Familie Kalmbach war aus der damaligen Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, über Ummendorf nach Salzwedel gekommen. In Karl-Marx-Stadt hatte Kalmbachs Frau ihre erste Anstellung als Lehrerin gefunden. Kalmbach selbst, damals Facharbeiter für Elektronik, arbeitete als Techniker im Opernhaus. Die Sehnsucht nach mehr Ruhe brachte die beiden nach Ummendorf in Sachsen-Anhalt. Kalmbach als gebürtiger Magdeburger kannte und schätzte das dortige Börde-Museum. Er arbeitete dort als Hausmeister, ging dann zum Studium der Museologie nach Leipzig. Danach: Salzwedel.

Neue Heimat Salzwedel: Spannend für den Historiker

Die Altmark bot und bietet andere spannende Seiten für Historiker und Museumskundler: In der Nähe siedelten vor tausenden Jahren die sagenhaften Langobarden, die Stadt selbst hat einige bekannte Söhne und Töchter. Den Prähistoriker und Pädagogen Johann Friedrich Danneil zum Beispiel, nach dem auch das Museum benannt ist. Die einschneidende Zeit der deutsch-deutschen Trennung, als ein paar Kilometer von Salzwedel entfernt Dörfer im Grenzstreifen geschleift, ihre Bewohner vertrieben wurden, als Menschen auf der Flucht in den Westen ihr Leben lassen mussten.

Das, sagt Ulrich Kalmbach, sei das Spannende an seinem Job: Er betreue keine monothematische Sammlung, sondern Exponate und Erinnerungen aus dem gesamten bunten Leben der Menschen vor Ort – im Guten wie im Schlechten. Das färbe auch auf den Charakter ab, sagt der Mann, der meist ein Lächeln auf den Lippen hat und Optimismus verbreitet.

Historische Siedlung: hoher Holzzaun, zwei niedrige Häuser mit spitzen Strohdächern und ein hohes Holzhaus.
Die Altmark bot dem Museologen Ulrich Kalmbach spannende Historie: In Zethlingen gibt es heute noch ein Freilichtmuseum zu den Langobarden, die in der Region siedelten. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Museum verändert Blick auf aktuelle Probleme

Ein Museum denke in Jahrhunderten, so Kalmbach. Was heute dramatisch erscheine, werde mit einem Abstand von einer längeren Zeit anders bewertet. "Manchmal wird's schlimmer, aber auf der anderen Seite sind manche Probleme, die man sich so hochredet, letztlich dann doch nicht so dramatisch." Ein bisschen mehr Gelassenheit sei manchmal schon ganz gut.

So ein Museum denkt ja in Jahrhunderten. Ein bisschen mehr Gelassenheit ist manchmal schon ganz gut.

Ulrich Kalmbach, Langjähriger Leiter des Danneil-Museums Salzwedel

Gelassen sieht Ulrich Kalmbach auch seinem Rentnerdasein entgegen, denn er hat noch zu tun: Immer, wenn in den vergangenen Jahren Zeit war, hatte er Gedenkorte im Altmarkkreis Salzwedel dokumentiert – in Bild und Text. Diese Arbeit, sagt er, sei noch nicht beendet.

Wand mit weißer Raufasertapete, auf die eine Katze skizziert wurde
An der Wand in seinem Büro hat Ulrich Kalmbach sich künstlerisch verewigt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Will Gedenkorte in der Altmark katalogisieren

Dabei ginge es nicht nur – wie bei den vielen so genannten Kriegerdenkmälern – um Sterben und Tod. Es gebe "ein großes Spektrum von Dingen, die wir mit der Erinnerungskultur in Verbindung bringen". Es werde verdienten Söhnen und Töchtern der Stadt gedacht, zum Beispiel dem Musiker und Komponisten Friedrich Gartz mit einem Denkmal vor der Katharinenkirche. An die Friedliche Revolution erinnere eine Tafel in der Kirche. Auch an Grenzopfer und geschleifte Ortschaften werde gedacht.

Alle Gedenkorte will Ulrich Kalmbach in seiner Analyse aufführen, fotografieren und beschreiben. Deshalb nimmt er auch etliche Ordner mit nach Hause, wenn er in den Ruhestand geht.

Veränderter Blick in Ausstellungen

Natürlich würde im Ruhestand dann auch Zeit für Reisen und Museumsbesuche bleiben, so Kalmbach. Wobei sich seine Frau, schmunzelt er, immer beschwere – denn als Museologe gucke er sich erst einmal an: Wie ist das Konzept? Wie ist das Licht? Wie ist das Klima? Was für Vitrinen gibt es? Und welche Schriftgröße? "Und dann hat man eine Berufskrankheit, dass einen Fehler immer anspringen, dass man im Text sofort an Fehlern hängen bleibt, die die Kollegen verzapft haben. Die man selbst natürlich auch im Laufe seines Lebens verzapft hat." Da sei er schon ein bisschen berufsgeschädigt.

Kalmbachs Nachfolger wird gerade von ihm eingearbeitet. Dem jungen Museumswissenschaftler Alexander Berberich sieht man die neue Generation an: Im Gegensatz zu Ulrich Kalmbach ist Berberich ein Freund von Gesichts-Piercings. Er tritt die Stelle als Museumsleiter in Salzwedel am 1. April an.

Redaktionelle Bearbeitung: sg

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 07. Februar 2025 | 13:15 Uhr

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