Die Autobahn als Chance Wie der Bau der A14 ein Dorf verändert
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25. August 2023, 10:00 Uhr
Das Dorf Lüderitz bekommt einen Anschluss an die Autobahn 14. Ortsbürgermeisterin Edith Braun sieht das als Chance – vor allem für junge Familien. Projekte wie eine Häusersiedlung, ein Campingplatz und ein Dorfladen sind in Planung. Zudem gibt es eine neue Feuerwehrzentrale – so sollen die Einsatzkräfte bei Unfällen auf der Autobahn schneller helfen können.
- Die Autobahn soll Lüderitz als Dorf attraktiver machen für Familien und Gewerbetreibende.
- Wegen der Autobahn erhält Lüderitz eine neue Feuerwehrzentrale, die alte war in die Jahre gekommen.
- Die Autobahn wird laut Einsatzleitern mehr Einsätze mit sich bringen.
Da wo früher meist Wald und Felder waren, zwischen den Ortschaften Dolle und Lüderitz, durchzieht heute eine 15 Kilometer lange Betontrasse die Altmark. Sie ist ein Teil der Nordverlängerung der Autobahn 14. Der erste Verkehr soll hier noch vor Jahresende rollen. Der Abschnitt ab Anschlussstelle Tangerhütte ist nur ein kleiner Teil der insgesamt über 155 Kilometer langen Nordverlängerung der A14 von Magdeburg bis Schwerin.
Am Autobahn-Kilometer 248 liegt Lüderitz mit den Ortsteilen Groß Schwarzlosen und Stegelitz. Die Ortschaft gehört zur Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte, rund 350 Menschen leben hier. Ende des Jahres bekommt das Dorf eine eigene Autobahn-Anschlussstelle und wird zum "Autobahn"-Dorf.
Die Autobahn soll den Ort attraktiver machen
Darüber freut sich die 72-Jährige Ortsbürgermeisterin Edith Braun besonders. Sie war in den 90er-Jahren hauptamtliche Ortschefin und ist es seit 2015 ehrenamtlich: "Die Autobahnauffahrt ist ein großer Gewinn für unseren Ort, es spart Zeit, wir kommen schneller zu den Zentren nach Magdeburg, Stendal oder Gardelegen und weiter auch zu den Märkten Nordsee und Ostsee und außerdem überall wo eine Autobahn ist, entwickelt sich Gewerbe."
Auch in Lüderitz: Mehr als 20 Firmen haben sich bis jetzt auf dem rund 40 Hektar großen Gewerbegebiet direkt an der Autobahn angesiedelt – und es werden noch mehr. Für die Bürgermeisterin wichtig: "Erstens: Einnahmen, Gewerbesteuern, zweitens: Arbeitsplätze, drittens: Attraktivität eines Ortes."
Apropos Attraktivität: Da hat das Dörfchen, das mit dem Ortsteil Groß Schwarzlosen ein Doppeldorf bildet, bereits jetzt einiges zu bieten. "Wir haben einen durchsanierten Kindergarten, Friseur, Sozialstation und Tagespflege, eine Grundschule mit über 100 Schülern und mit Schulspeisung, ein Dorfgemeinschaftshaus mit Kegelhalle und einen Sportplatz", so Edith Braun.
Da muss die Ortschefin erst mal Luft holen und erklärt weiter: "Das meiste haben wir hier gleich Anfang der 90er-Jahre gestemmt. Da war Baubeginn des Gewerbegebiets und alle Straßen wurden mit Gas, Licht, Abwasser und Wasser erneuert. Überall gibt es nun Bürgersteige, das hatten wir alles nicht."
In Lüderitz soll für junge Familie attraktiv werden
Weil die damals hauptamtliche Bürgermeisterin das ganze Dorf umkrempelte, musste sie von ihren Einwohnern auch einiges einstecken: "Die waren nicht zimperlich, da waren viele sauer, schimpften über die Preise, und wenn sie jetzt sehen, was wir daraus gemacht haben und wie die Preise heute sind, sind alle froh."
Und es wird weiter gebaut in Lüderitz: Eine neue Eigenheimsiedlung im Dorf ist schon bezogen, eine weitere wird entstehen. "Ich habe mein Dorf so gebaut, wie ich es auch gern haben wollte. Ich habe immer Wert daraufgelegt, dass junge Familien zu uns kommen, da steht nichts lange leer, wo eine Baulücke war, kam Neues", freut sich Edith Braun.
Zuzügler gibt es viele – sogar aus Berlin. Die, die früher weggezogen sind, kommen nun zurück in die Heimat aufs Land. Und trotzdem sind sie dicht an der Autobahn und damit mobil in alle Himmelsrichtungen. Das ist für die Bürgermeisterin das ganz große Plus ihres Dorfes.
Braun packt an, wo sie kann
Nur eins wurmt die resolute Dorf-Chefin: Der Dorfkonsum musste leider dicht machen. "Da haben wir alles versucht, aber da bleibe ich dran", sagt sie.
Dranbleiben ist die Lebensmaxime von Edith Braun, die im Dorf geboren wurde und hier nie lange weg war. In der DDR eckte sie oft an, wurde sogar aus dem Verkehr gezogen und zur Lagerarbeiterin degradiert. "Ich bin immer gegen den Strom geschwommen, schwimme heute noch gegen den Strom", sagt sie.
Wenn es nötig ist, packt sie mit an, so auch als das Freibad in Lüderitz in den 90er-Jahren in nur drei Monaten umgebaut wurde. "Heute kommen hier sogar die Leute aus Tangermünde oder von noch weiter her", freut sich die Ortsbürgermeisterin. "Das Freibad ist generell wichtig, damit die Kinder Schwimmen lernen und es muss alles bezahlbar sein." Neben dem Bad soll ein Campingplatz entstehen. Das ist noch Ediths großes Ziel: "Der Platz ist schon da, aber der Sani-Trakt, den müssen wir hier noch herbekommen", erklärt sie.
Neue Einsatzzentrale für die Feuerwehr an der Autobahn
Zurück ins Gewerbegebiet an der Autobahn-Anschlussstelle. Hier steht schon die über zwei Millionen Euro teure neue Einsatzzentrale für die Feuerwehren aus Lüderitz, Groß Schwarzlosen und Windberge. Noch ist diese leer, dafür packen die Kameradinnen und Kameraden am alten Stützpunkt mitten im Dorf schon die Ausrüstung zusammen. Denn im September ziehen sie um.
Das alte Feuerwehrgerätehaus bezogen die Wehren aus Groß Schwarzlosen und Lüderitz vor fast 30 Jahren. Inzwischen ist es zu alt, zu klein und nicht mehr ausreichend für die neuen Anforderungen der ehrenamtlichen Feuerwehrleute. Denn zum Jahresende kommen die Ortsfeuerwehren auch auf und an der neuen Autobahn 14 zum Einsatz.
Dennis Krollmann ist der Wehrleiter der Ortsfeuerwehr Lüderitz und ahnt schon, dass da jede Menge Arbeit auf die Frauen und Männer zukommt: "Das Verkehrsaufkommen auf der A 14 wird überdurchschnittlich hoch sein, das merken wir jetzt schon, wenn man sich den Verkehr auf der parallel verlaufenden B 189 in den Ferienmonaten ansieht." Ihm zufolge wird der Verkehr zu 100 Prozent auf die neue Autobahn "umziehen". So steige die Unfallgefahr enorm.
Autobahn bringt mehr Einsätze für die Feuerwehr mit sich
Im vergangenen Jahr mussten die Feuerwehrleute aus Lüderitz und Groß Schwarzlosen zu 52 Einsätzen ausrücken. Künftig könnten sich die Einsatzzahlen für die Ehrenamtlichen auf der Autobahn verdoppeln. "Bei uns ist Schwerpunkt die technische Hilfeleistung, alles was wir dazu benötigen, ist nach neuestem Standard an Bord der Einsatzfahrzeuge, alle Kameraden sind bestens geschult, es wird regelmäßig geübt und alle möglichen Szenarien durchgespielt", so Krollmann.
Obwohl die beiden Feuerwehren mit je rund 30 aktiven Kameradinnen und Kameraden schon jetzt bestens ausgestattet sind, hat Ulf Osterwald, stellvertretender Ortswehrleiter der FFW Groß Schwarzlosen, noch ein bisschen Bauchschmerzen wegen der 24-Stunden-Einsatzbereitschaft. Auch er rechnet mit einem immensen Mehraufwand für die Kameraden. Er sagt: "Zu den Autobahneinsätzen müssen wir künftig mit 18 Mann draußen sein. Da ist auch die Politik noch gefragt, dass wir die Einsatzbereitschaft gerade zwischen 7 und 16 Uhr immer absichern können."
Trotzdem sind die Männer ehrlich: "Für die Feuerwehren ist der künftige Einsatz eine gewaltige Herausforderung, die man so nicht haben muss. Für unseren Ort, die Region und die Zukunft ist aber die Autobahn unverzichtbar."
Neue Zentrale nur durch Bauers Engagement möglich geworden
Am 23. September ist großer Umzug in das neue Feuerwehrgerätehaus am Dorfrand. "Die Zentrale ist eine absolute Bereicherung, ganz neue Voraussetzungen, die wir aber auch brauchen, um auf der Autobahn Großschadenslagen abwickeln zu können", sagt Ulf Osterwald. Denn ohne Autobahn hätten sie das Gerätehaus nicht bekommen.
"Jeder der fünf Einstellplätze hat um die 150.000 Euro Fördermittel gekostet, aber immer noch ausreichend Eigenanteil der Gemeinde kam dazu, was natürlich auch eine Mammutaufgabe war. Da muss man ganz klar sagen, da hat auch unsere Ortsbürgermeisterin einen ganz großen Zeh dran, dass wir das so hinbekommen haben, denn es war immer im Stadtrat ein harter Kampf gewesen", so Osterwald.
Und da mischt sich Ortsbürgermeisterin Edith Braun wieder ein: "Ohne Feuerwehr geht doch nichts im Dorf. Wer einmal in Not war, weiß das zu schätzen. Dank an Euch."
MDR (Heiko Cinibulk, Maximilian Fürstenberg)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 24. August 2023 | 19:00 Uhr
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