Außenansicht des KMG-Krankenhauses in der Hansestadt Havelberg 4 min
Die medizinische Versorgung war am Montag Thema einer Veranstaltung im Rathaus von Havelberg. Mehr dazu im Audio. (Foto: Archivbild des früheren Krankenhauses Havelberg) Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer
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MDR SACHSEN-ANHALT Di 25.03.2025 08:14Uhr 04:27 min

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Weite Wege Die Leidensgeschichten der Havelberger ohne Krankenhaus

25. März 2025, 16:38 Uhr

Im Jahr 2020 wurde das Krankenhaus in Havelberg geschlossen. Der Verein "Pro Krankenhaus" kämpft seither um zumindest eine minimale ärztliche Versorgung in der Region. Was es bedeutet, fast schon medizinisch abgekoppelt zu sein, machten zahlreiche Menschen aus der Region jetzt bei einer Diskussion im Havelberger Rathaus klar. Vor allem ältere machen sich größere Sorgen um die Zukunft. Aber: Einen kleinen Lichtblick gibt es.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
Bildrechte: MDR/Hannah Singer

Der Frust sitzt mittlerweile tief. Das war deutlich zu spüren am Montag bei einer Bürgerversammlung des Vereins "Pro Krankenhaus Havelberg" im Rathaus der Stadt. "Ist es Versagen oder ist es Lüge?", hat Vereinsvorsitzender Holger Schulz der Veranstaltung als Überschrift mitgegeben.

Schon vor Jahren hatte Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) davon gesprochen, dass in Havelberg ein Pilotprojekt für den ländlichen Raum angeschoben werden soll. Die Idee: Die landeseigene Salus gGmbH sollte ein sogenanntes Intersekturales medizinisches Versorgungszentrum auf die Beine stellen. Passiert ist bisher aber nichts.

Deutliche Worte zur medizinischen Versorgung in Havelberg

Obwohl die Veranstaltung, an der auch die Landtagsabgeordneten Juliane Kleemann (SPD) und Wulf Gallert (Linke) teilnahmen, sachlich verlief, wurden deutliche Worte gesprochen. "Nach fünf Jahren darf man ja wohl mal erwarten, dass etwas angekündigtes umgesetzt wird", sagte eine Teilnehmerin. "Wenn wir früher so gearbeitet hätten, wären wir rausgeflogen".

Nach fünf Jahren darf man ja wohl mal erwarten, dass etwas angekündigtes umgesetzt wird.

Frau aus Havelberg zur medizinischen Versorgung in der Stadt

Die Teilnehmenden der Veranstaltung im Rathaus waren ausdrücklich dazu aufgerufen, über ihre Erfahrungen ohne Krankenhaus zu berichten:

Marita Neumann, 80, Havelberg: "Ich hatte einen Unfall, ich bin mit dem Fahrrad gestürzt. Mit dem Krankenwagen wurde ich ins Krankenhaus nach Kyritz in Brandenburg gefahren. Dort hat man mir nach einem kurzen Aufenthalt gesagt, ich könne wieder nach Hause gehen. Zum Glück gab es damals noch einen Shuttlebus, der zwischen Kyritz und Havelberg pendelte. Den gibt es mittlerweile nicht mehr."

Eine Frau blickt in die Kamera.
Ohne Schuttlebus ist es schwer, meint Marita Neumann. Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

Rosemarie Busse, 72, Kamern: "Eine Bekannte von mir, die auf einen Rollator angewiesen ist, ist bei sich zu Hause gestürzt. Sie rief die 112 und wurde dann nach Stendal ins Krankenhaus gebracht. Weil alles nicht so schlimm war, wie es ursprünglich ausgesehen hatte, wurde ihr gesagt, sie könne wieder nach Hause gehen. Sie habe die Ärztin dann gefragt, wie das um 23:30 Uhr gehen solle und die Antwort erhalten: 'Das ist nicht mein Problem'. Mit dem Taxi ist sie daraufhin zum Busbahnhof in Stendal gefahren. Am frühen Morgen ist sie dann mit dem ersten Bus nach Havelberg gefahren. Dort hat sie noch jemanden gefunden, der sie nach Kamern brachte. Dort ist sie dann morgens wieder zurückgewesen."

Sven Götz, 60, Havelberg: "Ich hatte letzten Monat eine Lungenentzündung. Es wurde einfach nicht besser. Ich wollte dann zum Arzt nach Stendal. Ein Termin war nicht zu bekommen. Ich habe dann die Servicenummer 116 117 für Facharzttermine angerufen. Dort bekam ich die Mitteilung, dass es in ganz Sachsen-Anhalt keinen Termin beim Lungen-Arzt gibt. In ein anderes Bundesland dürfe ich aber auch nicht gehen, sagte man mir. Ich bekam den Tipp, mittels eines Codes im Internet einen Termin zu buchen. Das hat geklappt. Wer sich da nicht auskennt, geht leer aus. Eine andere Geschichte noch: Ein Kumpel von mir hatte einen Herzinfarkt. Der musste eine Stunde warten, bis ein Rettungswagen kam."

Ein Mann blickt in die Kamera.
Sven Götz: "Wer sich im Internet nicht auskennt, geht leer aus." Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

Michael Becker, Havelberg: "Ich sag's mal ironisch, als Patient braucht man heute Pattex und einen guten Anwalt. Den Kleber, um sich beim Arzt nicht abwimmeln zu lassen und den Anwalt, um seine Rechte einzuklagen. Die Praxen haben doch alle einen Aufnahmestopp. Und dann gibt es da noch den Unterschied zwischen Kassenpatienten und Privatpatienten. Wenn man nicht aufpasst, führt das fast schon zum Familienkrach."

Ein Mann lächelt in die Kamera.
Einen Arzttermin zu bekommen ist schwer, berichtet Michael Becker. Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

Holger Schulz, 80, Wöplitz: "Ich hatte einen Leistenbruch. Dummerweise war mein Arzt im Urlaub. Ich bin dann zur Vertretung gegangen und wollte mir von ihm ein Bruchband verschreiben lassen. Der verwies mich dann aber an einen Facharzt. Ich bin dann zur Notaufnahme nach Wittenberge ins Krankenhaus gegangen. Zum Facharzt bin ich nach Neuruppin gefahren. Eine andere Sache: Eine Nachbarin ist von Pritzwalk nach Havelberg gezogen, zum Arzt geht sie immer noch nach Pritzwalk. Ärzte in Havelberg haben sie als Neu-Patientin nicht angenommen."

Ein Mann lächelt in die Kamera.
Holger Schulz musste nach einem Leistenbruch ebenfalls längere Wege auf sich nehmen. Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

Dietrich Herbst, 76, Havelberg: "Ich bin wegen einer Lungen-Sache zweimal zu einem Arzt nach Wittenberge gefahren. Beim ersten Mal hat man mir an der Rezeption gesagt, ich solle im kommenden Jahr noch mal wiederkommen. Als ich das zweite Mal persönlich dort war und auf mein erstes Mal hinwies, da sagte man mir: "Da hat man Ihnen wohl etwas Falsches gesagt." Einen Termin habe ich nicht bekommen. Im Übrigen haben wir im Bekanntenkreis schon gegenseitige Fahrdienste geleistet. Zum Beispiel hatte ich mal in Kyritz eine Darmspiegelung unter Narkose. Da durfte ich nicht mit dem Auto allein zurück. Da hat mich dann jemand gefahren."

Lichtblick: Immobilie für Arzt-Zentrum gefunden

Ein anderer Bürger machte seinen Frust am Salus-Geschäftsführer Jürgen Richter fest, der sich urlaubsbedingt für die Veranstaltung entschuldigen ließ. "Der gehört in die Wüste geschickt." Allgemein zu klopfen auf den Tisch folgte den Ausführungen. Wulf Gallert: "Der Frust sitzt tief, niemand glaubt mehr was". Die ursprüngliche Idee eines Gesundheits-Zentrums sei mittlerweile "weit runter gekocht" worden. Die Salus müsse jetzt mal Taten folgen lassen. "Es gibt klare Beschlüsse im Landtag und auch im Aufsichtsrat der Salus."

Immerhin verkündete der Havelberger Bürgermeister Matthias Bölt (parteilos), dass mittlerweile eine Immobilie für den Start eines Arzt-Zentrums gefunden sei. Es handele sich dabei um ein ehemaliges Verwaltungsgebäude des Landkreises an der Genthiner Straße. "Die Salus hat das Angebot seit dem 13. März vorliegen", sagte Bölt. Nun sei es Sache der Salus, es nun auch umzusetzen.

Schon seit Ende des Jahres steht ein Chirurg aus dem Krankenhaus Seehausen für eine Sprechstunde in Havelberg zur Verfügung. Ein weiterer HNO-Arzt hat nach Angaben des Vereinsvorsitzenden Holger Schulz ähnliches angeboten.

Mehr zur medizinischen Versorgung in Havelberg

MDR (Bernd-Volker Brahms, Kalina Bunk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. März 2025 | 06:40 Uhr

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