Vorwurf rechtsextremer Chats Rechtsextremismus-Verdacht im LKA: Innenministerium will beschleunigtes Verfahren
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18. Januar 2023, 10:01 Uhr
Sachsen-Anhalts Innenministerium will die Ermittlungen wegen Rechtsextremismus-Verdachts gegen vier LKA-Beamte beschleunigt durchführen. Das Vorgehen kritisieren mehrere Berufsverbände der Polizei. Die Staatsanwaltschaft hat dagegen angekündigt, nicht zu ermitteln. Vier Beamte des Landeskriminalamts stehen im Verdacht, sich an rechtsextremen Chats beteiligt zu haben.
- Das Innenministerium hatte am Freitag strafrechtliche Ermittlungen gegen vier Beamte des Landeskriminalamts bestätigt. Sie stehen offenbar im Verdacht, in Chats rechtsextreme Inhalte ausgetauscht zu haben.
- Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sind die Vorwürfe jedoch verjährt. Zudem seien die Beamten "nur" Empfänger der rechtsextremen Inhalte.
- SPD, Grüne und Linke fordern Aufklärung.
Sachsen-Anhalts Innenministerium will nach eigenen Angaben die Disziplinarverfahren gegen vier Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) beschleunigt durchführen. Ein Ermittlungsführer sei bereits bestellt, sagte eine Ministeriumssprecherin am Dienstag. Der Vorwurf in dem Verfahren lautet Verletzung der Verfassungstreuepflicht sowie der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg wird dagegen nicht weiter ermitteln. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Frank Baumgarten am Montagabend MDR SACHSEN-ANHALT. Zuerst hatten Mitteldeutsche Zeitung und Volksstimme darüber berichtet.
Bodyguards von Ministerpräsident Haseloff suspendiert
Die vier Beamten stehen im Verdacht, an rechtsextremen Chats beteiligt gewesen zu sein. Entsprechende Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT hatte das Innenministerium in Magdeburg am Freitagabend bestätigt. Die Inhalte sollen den Nationalsozialismus verharmlosen. Es sollen unter anderem Bilder und Texte mit verfassungsfeindlichen, rechtsextremen Inhalten ausgetauscht worden sein.
Unter den Beamten sind zwei Bodyguards, die seit zehn Jahren zum Personenschutz von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gehören. Sie sollen nach MDR-Informationen bislang unauffällig gewesen sein. Jetzt wurden sie suspendiert. Die beiden anderen gehörten dem Spezialeinsatzkommando an und wurden in den Innendienst versetzt.
Dem Innenministerium zufolge waren die Männer bei der Auswertung von Handydaten aufgefallen. Dabei sei es um Chats mit rechtextremen und verfassungsfeindlichen Inhalten gegangen. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT waren Ermittler aus Mecklenburg-Vorpommern im Dezember auf die Beamten aufmerksam geworden. Daraufhin waren strafrechtliche Ermittlungen wegen Extremismus-Verdachts eingeleitet worden.
Berufsverbände der Polizei kritisieren Vorgehen des Innenministeriums
Oberstaatsanwalt Baumgarten sagte nun jedoch, für solche Ermittlungen gebe es keine Grundlage. Die Vorwürfe gegen die LKA-Beamten würden sich auf die Zeit zwischen 2015 und 2017 beziehen. Die Frist betrage fünf Jahre, die Fälle seien also verjährt. "Aber auch sonst gibt es keine rechtliche Grundlage für Ermittlungen. Die Beamten waren nur Empfänger dieser Nachrichten." Das lasse keine strafrechtlichen Tatbestände erkennen. Zu den Inhalten der Nachrichten machte Baumgarten keine Angaben. Hinweise auf eine Mitgliedschaft in rechtextremen Chatgruppen oder Aktivitäten in der Prepperszene gibt es laut Innenministerium bislang nicht. Für Schutzpersonen habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden.
Mehrere Berufsverbände der Polizei kritisierten das Vorgehen des Innenministeriums gegen die beschuldigten Beamten. Das geht aus einem Bericht der Volksstimme (€) hervor. Die vier Sicherheitskräfte wurden "aus dem Dienst genommen bzw. in den Innendienst versetzt, ohne dass man substanziell nachgewiesen hat, worum es eigentlich geht. Das ist eine falsche Vorgehensweise", sagte Uwe Bachmann, Landeschef Gewerkschaft der Polizei, dem Blatt. Auch Olaf Sendel, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft meldet sich in dem Artikel kritisch zu Wort. Das Innenministerium komme seiner Fürsorgepflicht nicht nach. Beamte würden öffentlich verbrannt, es werde Rufschädigung betrieben. Das sorge für großen Frust in der Polizei. Dem schloss sich Peter Meißner, Landeschef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, an: "Auch für Polizisten gilt die Unschuldsvermutung. Ich habe aber das Gefühl, dass zunächst agiert und erst dann geprüft wird, was Sache ist."
SPD, Grüne und Linke fordern Aufklärung
Die Grünen-Fraktion im Landtag teilte mit, sie sei "außerordentlich besorgt über die Berichte". Der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen, Sebastian Striegel, sagte, es brauche eine umfassende Aufklärung und einen Aufschrei in der Polizei. Die Polizei als Organisation müsse wehrhafter gegen "Verfassungsfeinde in ihrer Mitte" werden. "Personenschützer stehen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihren Schutzpersonen", so Striegel. Sie hätten Zugang zu sensiblen Bereichen und verfügten über Kenntnisse geheim zu haltender Informationen.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben (SPD) bezeichnete den Verdacht bei Twitter als eine "unerträgliche Vorstellung". Er forderte intensive Ermittlungen und maximale Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit.
Die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Linken, Henriette Quade, sagte, die Öffentlichkeit und insbesondere die Betroffenen müssten vom Innenministerium schnell und ausführlich erfahren, welche Dimension die Ermittlungen haben. Es gehe nicht nur um Aufklärung, sondern auch darum, dass die Verantwortlichen endlich einsehen müssten, dass Sachsen-Anhalt ein "Polizeiproblem" habe.
Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner von der Linkspartei schrieb bei Twitter: "Nicht der erste Vorfall mit rechten Polizei-Personenschützern." Es sei ein Anlass zu fragen, warum Spezialeinheiten immer wieder mit solchen Meldungen auffielen und wie insbesondere disziplinarisch reagiert werden sollte.
Mehrere Verdachtsfälle von Rechtsextremismus bei Polizei
Bei Sachsen-Anhalts Polizei sind zwischen 2018 und 2021 insgesamt 17 Fälle oder Verdachtsfälle von Rechtsextremisten ausgemacht worden. Das zeigte der Lagebericht "Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden" vom Mai vergangenen Jahres. In 15 Fällen sind demnach Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
MDR (Lars Frohmüller, Annekathrin Queck, Dagmar Borchert, Daniel Salpius) I Erstmals veröffentlicht am 13. Januar 2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Januar 2023 | 05:00 Uhr