Bis zu zwei Monate Sachsen-Anhalt will Polizei-Gewahrsam bei Terrorverdacht verlängern

17. Dezember 2023, 16:23 Uhr

Ein mutmaßlicher Islamist aus Sachsen-Anhalt ist am Freitag abgeschoben worden. Der 20 Jahre alte Iraker soll eine schwere Gewalttat in der Vor-Weihnachtszeit geplant haben. Der Mann war vor gut dreieinhalb Wochen in Helmstedt in Niedersachsen in Gewahrsam worden. Jetzt plant Sachsen-Anhalts Innenministerium eine Gesetzesänderung, um Terrorverdächtige künftig länger in Gewahrsam nehmen zu können.

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell App.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt soll Terrorverdächtige künftig deutlich länger in Gewahrsam nehmen können. Wie das Innenministerium mitteilte, werde aktuell das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) entsprechend überarbeitet.

Polizei soll Terrorverdächtige bis zu zwei Monate in Gewahrsam nehmen können

Demnach soll die höchste mögliche Dauer für eine Ingewahrsamnahme von bislang vier Tagen auf einen Monat verlängert werden, mit der Möglichkeit, sie einmalig um einen weiteren Monat zu erhöhen. Grund dafür sei, strafrechtliche Ermittlungen zu ermöglichen, sowie die zum Teil mehrwöchige Dauer besonders gefährdeter öffentlicher Veranstaltungen.

Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) begründet den Schritt mit der äußerst angespannten Sicherheitslage. "Allein in den vergangenen vier Monaten konnten zwei islamistische Terrorverdächtige aus Sachsen-Anhalt von den Sicherheitsbehörden erfolgreich in Gewahrsam genommen und schließlich in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden", teilte die Ministerin mit. Der Landespolizei müsse zur Abwehr von Terrorgefahren verbesserte Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählt insbesondere die Verlängerung der polizeilichen Ingewahrsamnahme.

Innenministerin Tamara Zieschang (CDU,Sachsen Anhalt)
Innenministerin Zieschang will die polizeiliche Ingewahrsamnahme von vier Tagen auf einen Monat erhöhen. Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Das steht aktuell im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt

Nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 SOG LSA kann eine Person durch die Polizei in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern (Verhinderungsgewahrsam bzw. Unterbindungsgewahrsam). Nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SOG LSA darf die höchstzulässige Dauer des Verhinderungsgewahrsams nach dem SOG LSA nicht mehr als vier Tage betragen. (Quelle: Innenministerium Sachsen-Anhalt)

Mutmaßlicher Islamist aus Sachsen-Anhalt in den Irak abgeschoben

Ein weiterer Anlass für die Pläne ist der Fall eines unter Terrorverdacht stehenden Irakers aus Sachsen-Anhalt, der dem Innenministerium zufolge am Freitagabend in sein Herkunftsland abgeschoben worden. Der 20 Jahre alte Mann wohnte in Sachsen-Anhalt und arbeitete in Niedersachsen.

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte der Iraker eine schwere Gewalttat geplant. Laut LKA Niedersachsen soll er vorgehabt haben, Besucher eines Weihnachtsmarktes anzugreifen. Der Mann wurde deshalb im November vom Landeskriminalamt (LKA) im niedersächsischen Helmstedt festgenommen und befand sich seitdem im polizeilichen Gewahrsam – der in Niedersachsen laut Gesetz bis zu 35 Tage lang möglich ist.

Abschiebung in den Irak war bereits vorgesehen

Das Innenministerium hatte MDR SACHSEN-ANHALT zuvor mitgeteilt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des irakischen Staatsbürgers als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt hatte. Die Abschiebung des jungen Mannes war demnach bereits für den 1. Dezember vorgesehen. Der Antragsteller habe jedoch – anwaltlich vertreten – dagegen geklagt. Mit der jetzt vollzogenen Abschiebung in den Irak ist ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot für Deutschland verbunden.

Wäre der Terrorverdächtige an seinem Wohnsitz Oschersleben in Sachsen-Anhalt und nicht am Arbeitsort in Niedersachsen festgenommen worden, hätte man ihn bereits nach vier Tagen aus dem Gewahrsam entlassen müssen.

Rüdiger Erben (SPD)

SPD fordert schärfere Bestimmungen für Terrorverdächtige in Sachsen-Anhalt

Der Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben forderte am Samstag eine Gesetzesreform. "Wäre der Terrorverdächtige an seinem Wohnsitz Oschersleben in Sachsen-Anhalt und nicht am Arbeitsort in Niedersachsen festgenommen worden, hätte man ihn bereits nach vier Tagen aus dem Gewahrsam entlassen müssen", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Das wäre ein Problem gewesen." Man brauche eine Regelung für Terrorverdächtige im Gesetz, die einen längeren Gewahrsam zulasse.

Im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes heißt es: "In der richterlichen Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer der Freiheitsentziehung zu bestimmen; sie darf nicht mehr als vier Tage betragen." Diese Regelung gelte aktuell für Terrorverdächtige genauso wie für Klimaaktivisten, sagte Erben.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion forderte eine Regelung wie in Niedersachsen, wo es schärfere Bestimmungen für Terrorverdächtige gibt. Um einen konkret geplanten und vorbereiteten Terroranschlag zu verhindern, können Gefährder dort maximal bis zu 35 Tage in Polizeigewahrsam genommen werden.

MDR (ahr, Maren Wilczek), dpa | Erstmals veröffentlicht am 16.12.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Dezember 2023 | 08:00 Uhr

Mehr aus Sachsen-Anhalt