Podcast "digital Leben" Erfolg durch Innovation: Von Displays zu Luftfiltern

28. Dezember 2021, 10:02 Uhr

Carsten Hermann hat in Raguhn jahrelang Displays vor allem für Messen gebaut. Kurz vor Corona will er sein Wissen über LEDs in eine andere Branche bringen und entwickelt einen Luftfilter. Ein glücklicher Zufall, denn damit hat er jetzt einen Riesenerfolg.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Digital leben

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2020 war für Carsten Hermann eigentlich kein besonders gutes Jahr: In Raguhn im Landkreis Anhalt-Bitterfeld baut er durchsichtige Displays, die zum Beispiel auf Messen oder in Supermärkten eingesetzt werden, um Produkte spektakulär zu präsentieren.

Doch seit 2020 werden Messen regelmäßig abgesagt: "Mit dem Beginn der Corona-Krise wurden uns abrupt sämtliche Projekte abgesagt, Rechnungen nicht bezahlt und knapp 40 Prozent unserer Kunden gingen pleite", erzählt Hermann.

Seine Firma MMT kriselt. Und dabei entwickelt Hermann ständig neue Ideen. Zuletzt hat er die Hypebox vorgestellt. Hologramm-Schaukasten nennt er es – ein transparente Displays, hinter dem echte Produkte stehen und mit dessen Touchscreen Menschen mit digitalen Inhalten interagieren können.

"Airodoctor": Luftfilter aus Raguhn gegen strenge Gerüche

Schon 2019 hat Carsten Hermann allerdings mit einem Gedanken gespielt: Er wollte sein Wissen über LEDs auch für andere Branchen nutzen. "Unser Ziel war ein Produkt, das in Tierarztpraxen gegen die ganzen Gerüche und auch die ganzen Erreger in der Luft hilft", sagt Hermann im Podcast "digital leben" von MDR SACHSEN-ANHALT.

Diese Idee klingt dann in Corona-Zeiten nicht nur für Tierärzte spannend. Hermanns Produkt Airodoctor ist zu Beginn der Pandemie fast fertig. Doch er muss noch eine weitere Herausforderung meistern: "Wir sind zwar im März 2020 offiziell gestartet. Aber wir hatten die ersten Verkaufserfolge im August, weil erst im Sommer bestätigt wurde, dass sich Corona über die Luft und nicht nur über Oberflächen überträgt."

LEDs und Titanoxid gegen Viren

Was Displays und die Luftreiniger verbindet, hat nur drei Buchstaben: LED. Sie kommen in beiden Geräten zum Einsatz. Mit LEDs beschäftigt sich Carsten Hermann bei MMT seit elf Jahren.

Wie sie in Luftreinigern wirken, kann er recht einfach erklären: Die Funktionsweise beruht auf der Photokatalyse, sagt er. "Aus der Schule kennt jeder die Photosynthese. Dabei wird etwas hergestellt, bei der Photokatalyse wird quasi etwas abgebaut." Die beiden wichtigsten Zutaten dafür: Titandioxid und das UV-A-Licht der LEDs.

"Trifft das UV-A-Licht in einem bestimmten Wellenlängenbereich auf Titandioxid, werden Sauerstoffradikale freigesetzt, die sehr reaktionsfreudig sind und mit organischen Materialien reagieren", sagt Hermann. Diese Sauerstoffradikale reagieren zum Beispiel der Hülle von Viren. "Dadurch zerfällt die Hülle und auch der komplette Partikel." Und das gilt für alle organischen Partikel: von Pollen bis Viren.

Innovation aus Raguhn bekommt überzeugendes Charité-Gutachten

Ein Gutachten der Charité bescheinigt dem Luftfilter von Airodoctor eine hervorragende Wirksamkeit. Im Gutachten steht: "Hinsichtlich der Frage der Reduktion der Viruslast in Schulräumen zeigen die Ergebnisse der Real-Life-Studie in einem Schulraum eine exzellente Reinigungswirkung von Feinstaubpartikeln der Größe der Tröpfchen und Aerosolpartikel, in denen auch das Virus transportiert wird."

Die technischen Daten zeigten sehr deutlich die Abtötung des Virus durch UV-A-Photokatalyse. "99,9 Prozent der Viren und Bakterien werden komplett zerstört", sagt Hermann bei "digital leben". Deshalb zeige das Gerät auch unter Alltagsbedingungen eine deutliche Schutzwirkung gegenüber Covid-19-Infektionen durch eine Reduktion der infektiösen Partikel in der Raumluft, schreiben die Gutachter der Charité.

Photokatalyse-Prinzip auch für Fassadenfarben

Einen besseren Leumund als die Charité kann Carsten Hermann wohl kaum bekommen. Es habe über 1.000 Testläufe gebraucht, um die effektivste Kombination von Titandioxid und LEDs zu finden, sagt Hermann: "Der Abstand zur Lichtquelle, die Intensität des Lichts spielen eine Rolle. Auch Dichte, Materialstärke und Form des Titandioxids. Wir haben zum Beispiel eine Kugelform, damit die Reaktionsfläche möglichst groß ist."

Dabei sei das Prinzip der Photokatalyse schon längst auch anderswo im Einsatz: "Fassadenfarben mit Titandioxid, oder auf Straßen wird das schon häufig genutzt. Wenn der UV-A-Anteil der Sonnenstrahlen auf diese Farbe trifft, bleibt sie sauberer. Und diesen Prozess haben wir verbessert."

Das Besondere an Titandioxid: Es nutze sich nicht ab, sagt Hermann. Und die Photokatalyse sei bislang nur mit Leuchtstoffröhren möglich gewesen. "Da wir LEDs verwenden, haben wir eine sehr hohe Lebensdauer von mindestens 50.000 Stunden." Selbst im Dauereinsatz würde der Reiniger fünf Jahre lang ohne Wartung auskommen.

Luftfilter ab 300 Euro und an Schulen einsetzbar

Den Filter gibt es als kleinen portablen Luftreiniger aber auch als Nachrüst-Komponente für jede Lüftungsanlage. Kostenpunkte: zwischen 300 und 7.000 Euro. "In Europa gibt es Millionen Gebäude mit Klimaanlagen, die momentan nicht betrieben werden können. Und wir können sie alle virenfrei machen und relativ einfach nachrüsten", sagt Hermann.

Hermann und seine zwölf Mitarbeiter arbeiten mit einer Firma aus Südkorea zusammen. In Deutschland hätte Airodoctor schon mehr als 1.000 Geräte verkauft, in den USA bereits mehrere Tausend. In den USA würde Airodoctor die Luftreiniger vor allen an Schulen verkaufen. Und in Deutschland? Eltern und Schulen hätten nachgefragt, könnten die Luftreiniger aber oft nicht einfach selbst beschaffen, berichtet Hermann.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Würde Sachsen-Anhalts Bildungsministerin eine große Stückzahl ordern, sei das kein Problem. "Wir haben Geräte auf Lager und sind vorbereitet. Und gerade jetzt zur Wintersaison zieht das Geschäft an."

Turbulente Pandemiejahre für Carsten Hermann aus Raguhn also: "Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und anstatt weiter zu hundert Prozent am Display-Geschäft festzuhalten, uns ab seit Februar 2020 auf Luftreiniger konzentriert." Und geht es nach Carsten Hermann, hat das Jahr 2022 einen sehr entspannten Klang: wie ein tiefer Atemzug.

Quelle: MDR (Marcel Roth)

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