Pilze
Pilze sammeln erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Sicher durch die Saison Auf in die Pilze: Darum sind Beratungsstellen wichtig

18. Oktober 2022, 10:20 Uhr

Pilze sammeln erfreut sich zunehmender Beliebtheit – auch bei jungen Menschen. Wer sich bei seinen Funden nicht sicher ist, sollte auf das Angebot einer Pilzberatung zurückgreifen. Die gibt es in Sachsen-Anhalt in fast allen Landkreisen. Von Pilz-Apps raten die Expertinnen und Experten allerdings ab. Vor allem für Unerfahrene seien sie ungeeignet.

Pilzsaison ist nicht nur im Herbst. Je nach Trockenheit wachsen Pilze das ganze Jahr über. Das weiß auch Martin Groß, Vorsitzender des Landesverbandes der Pilzsachverständigen in Sachsen-Anhalt. "Grundsätzlich muss ich sagen, dass es von Region zu Region sehr unterschiedlich ist. Eine pauschale Aussage über das Land würde ich mir jetzt nicht ohne weiteres zutrauen", fasst Groß die bisherige Pilzsaison zusammen. Tendenzen gebe es aber immer. "Das Frühjahr war relativ feucht und dementsprechend gab es auch viele Frühjahrspilze. Ich habe auch gehört, dass es relativ viele Pfifferlinge gegeben hat – Anfang Juni ungefähr. Und Steinpilze gab es auch schon in verschiedenen Regionen, zum Beispiel im Elm-Lappwald bei Helmstedt", sagt er im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Warten auf den Regen

Derzeit herrsche "Saure-Gurken-Zeit", weil es wenig geregnet habe. "Pilze können nur wachsen, wenn genügend Feuchtigkeit im Boden ist – sie bestehen zu zirka 92 Prozent aus Wasser. Um Fruchtkörper bilden zu können, braucht das unterirdische Myzel Wasser", erklärt der Pilzberater, der den Landesverband vor 30 Jahren mit Gleichgesinnten gegründet hat. Starke Umweltbelastungen würden dazu führen, dass manche Pilzarten keine Fruchtkörper mehr bilden. Das bedeutet aber nicht, dass der Pilz völlig verschwunden ist. Das Myzel bleibt unter der Erde erhalten.

Mit Blick auf den Herbst macht Groß aber allen Sammlerinnen und Sammlern Mut: "Wir rechnen ab Mitte September wieder mit einem verstärkten Wachstum. Spätestens im Oktober erwarten wir dann die Herbstpilze. Wir sind optimistisch."

Tintenfischpilz (anthurus archeri, clathrus archeri) auf einer Wiese. 3 min
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Durch die Klimaerwärmung fühlen sich immer mehr Pilze aus südlichen Ländern in unseren Wäldern wohl. Pilzsammler sollten vorsichtig sein: Einige Exemplare, die Speisepilzen ähnlich sehen, sind ziemlich giftig.

MDR KULTUR - Das Radio Do 30.09.2021 16:18Uhr 03:22 min

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Warnung von Pilz-Apps

Damit es beim Sammeln nicht zu Vergiftungen kommt, hat Groß ein paar Tipps für alle Anfängerinnen und Anfänger parat: "Am Anfang sollte man sich einfach mit den Pilzarten und ihren Merkmalen vertraut machen. Das hilft." Die große Mode, mit dem Handy in den Wald zu gehen und mit einer App Pilze zu bestimmen, funktioniere meist nicht. "Die App sagt uns nur, um welchen Pilz es sich handeln könnte. Aber sicher sein können wir uns nicht."

Aus diesem Grund warnt Groß vor den Apps, weil es "erhebliche Verwechslungsgefahren" gebe. "Ohne Erfahrung sollte man Pilz-Apps überhaupt nicht nutzen. Mit Erfahrungen und Grundkenntnissen, kann eine Pilz-App zur Bestimmung hilfreich sein. Aber man muss immer skeptisch bleiben", betont er.

Pilzberatung als sicherer Weg

Die sicherere Variante sei, zu einer Beratungsstelle zu gehen. Das Angebot der aktuell 72 Beraterinnen und Berater haben laut Statistik im vergangenen Jahr rund 4.200 Menschen in Anspruch genommen. Von den über 9.000 eingereichten Pilzen mussten rund 3.300 Giftpilze aussortiert werden. Ganz wichtig dabei: "Wenn Sie einen Pilz bestimmen lassen wollen, dann bitte den ganzen Pilz mit Stielende aus dem Boden vorsichtig rausdrehen und zu uns bringen. Nur so ist eine sichere Bestimmung möglich. Wenn sie wissen, was sie vor sich haben, reicht es, den Pilz mit einem Messer abzuschneiden. Das schont das Myzel.

Eine Frau hält einen Pilz in der Hand.
Wer sich nicht sicher bei seinen Pilzfunden ist, kann sich bei einer Pilzberatung Rat holen. Bildrechte: IMAGO / Addictive Stock

Jedes Jahr neue Fälle von Pilzvergiftungen

Trotz aller Beratungsangebote bleiben Vergiftungsfälle nicht aus. "Wir versuchen, alle Fälle zu erfassen. Aber wir werden nicht immer gerufen. Dieses Jahr hatte ich noch keine Meldung. Es gab aber auch nicht so sehr viel Pilzwachstum", sagt Groß. Vergiftungen gebe es aber jedes Jahr, sogar mit Todesfällen. Im Jahr 2023 registrierte der Landesverband 14 Vergiftungen.

Obwohl es im Rahmen des Chemikaliengesetzes eine Meldepflicht für Vergiftungen gibt, würden sich manche Medizinerinnen und Mediziner nur sehr selten um eine Dokumentation kümmern. "Wir wissen wirklich nicht, wie deutschlandweit das Vergiftungsgeschehen ist und wieviel tote es jedes Jahr gibt. Leider! Jedes Jahr werden sich Menschen vergiften und manche auch an den Vergiftungen sterben. Das wissen wir und das wird auch weiterhin so bleiben", meint Groß.

Landesverband mit Nachwuchssorgen

Um das Beratungsangebot aufrechterhalten zu können ist der Landesverband immer auf der Suche nach Nachwuchs. "Unser Hauptproblem ist, dass der Landesverband, zumindest was die Pilzberater anbetrifft sehr überaltert ist", sagt Groß. Aus diesem Grund suche er immer nach jüngeren Menschen, die sich für Pilze grundsätzlich interessieren und vielleicht nach längerer Ausbildung zum Pilzberater oder zur Pilzberaterin werden können. Das geschehe in der Regel autodidaktisch, meistens unter der Anleitung eines Mentors oder einer Mentorin.

"In den letzten zwei, drei Jahren hatten wir gute Zuwächse bei den Jüngeren, aber es ist eine mühsame Arbeit", erinnert sich Groß. Derzeit nehme das Interesse wieder zu. "Wir verzeichnen eine Art Hype", freut sich der Mykologe. Zwölf neue Pilzberaterinnen und Pilzberater konnte der Landesverband in den vergangenen drei Jahren gewinnen. "Aber leider sterben die alten auch weg. Und so hält sich das mit Mühe und Not immer ein bisschen die Waage, aber wir müssen sehr darum kämpfen", gibt Groß zu bedenken.

Pilz
Der Pfifferling war zu DDR-Zeiten wegen der Umweltbelastung Mangelware. Heute ist er wieder zahlreich zu finden. Bildrechte: Colourbox.de

Der lange Weg zum Pilzberater

Wie schwer und mühsam der Weg zum Pilzberater ist, weiß Groß aus eigener Erfahrung. "Angefangen hat alles im Urlaub mit meinen Eltern im Harz", erinnert er sich. Dort habe er beim Wandern die bekannten Pilze am Wegesrand gesammelt – darunter Pfifferlinge, Steinpilze und Maronen. Später studierte er Lebensmittelchemie, musste sich auch mit Pilzgiften beschäftigen und arbeitete viele Jahre in der Lebensmittelüberwachung. "Zu DDR-Zeiten gab es eine regulär bezahlte Pilz-Sachverständige beim Bezirkshygieneinstitut. Bei ihr habe ich gelernt. Und so bin ich nach und nach zum Pilzberater geworden." Heute kann Groß rund 300 Arten erkennen – allein in Europa gibt es aber mehr als 5.000 Großpilzarten.

Eine Bitte hat Groß noch an alle, die im Wald auf Pilzsuche gehen: "Bitte nicht alles räuberisch mitnehmen, was im Wald steht, sondern nur die Pilze, von denen man vermutet, dass man sie essen könnte."

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Wo sich in Sachsen-Anhalt am besten Pilze suchen lassen

Unter Pilzfans ist es ein ungeschriebenes Gesetz: Die besten Sammelorte und Geheimstellen bleiben auch geheim. Generell hat man in Sachsen-Anhalt aber besonders im Harz (vor allem in der Region Altenbrak und Benneckenstein), in der Dübener Heide und im Naturpark Fläming große Chancen auf Pilzfunde. Hier sprießen Maronen, Schirmpilze und auch die Krause Glucke. Auch in der nördlichen Altmark um Seehausen, Salzwedel und Osterburg lohnt es sich Pilzsammlerinnen und -sammlern zufolge, auf die Suche zu gehen.

Zu beachten: In Naturschutzgebieten und Nationalparks müssen Pilze stehen gelassen werden. Auch in öffentlichen Parks und eingezäunten Waldflächen ist das Sammeln verboten. Wer sich unsicher ist, kann sich auch beim örtlichen Forstverein informieren.

Pilze sammeln: Darauf sollte man achten

Grundsätzlich gilt: Essen sollte man nur Pilze, deren Art man kenn und weiss, dass sie essbar sind. Von Pilzbestimmungsbüchern oder der Bestimmung per Internet raten Experten ab, da Original und Abbildung für ungeübten Sammlerinnen und Sammler nicht immer eindeutig zuzuordnen sind und so eine erhöhte Gefahr besteht, dass ein giftiger Pilz verspeist wird.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und Verbraucherzentralen warnen deswegen auch vor der Nutzung der immer häufiger zu Rate gezogenen Pilz-Apps. Diese nutzten meist zu wenig Merkmale, um Speisepilze sicher zu bestimmen, denn auch Geruch und Konsistenz seien elementar für eine zweifelsfreie Identifikation. Sie könnten zwar beim Erkennen helfen, man sollte sich jedoch "keinesfalls allein auf die Identifizierung per App verlassen", so auch das BfR. Wer sich unsicher ist, sollte lieber auf die Pilzmahlzeit verzichten oder eben eine Pilzberatungsstelle aufsuchen.

Wo gibt es Pilzberatungsstellen in Sachsen-Anhalt?

In Sachsen-Anhalt bieten rund 70 Pilzberaterinnen und Pilzberater kostenfrei ihre Hilfe an. Wer sich nicht sicher ist, ob die Pilzausbeute wirklich genießbar ist, sollte sich an einen der Sachverständigen in der Nähe wenden. Hier sollte allerdings der komplette Pilz mitgebracht werden; also nicht abschneiden, sondern vorsichtig aus dem Boden herausdrehen. Auf der Seite des Landesverbands der Pilzsachverständigen gibt es eine Liste mit den Pilzberatern in Sachsen-Anhalt.

Wie werden Pilze am besten gesammelt?

Gesammelte Pilze in Wiedenkorb.
In einem luftdurchlässigen Gefäß – wie hier ein Weidenkorb – lassen sich Pilze am besten aufbewahren. Bildrechte: imago images/ingimage

Wer in die Pilze geht, sollte luftdurchlässige Gefäße dabeihaben und die Funde darin aufbewahren. Optimal sei ein Weidenkorb oder eine Box mit Löchern, so die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM). Denn ohne Frischluft würden Pilze schnell schlecht. Wer eine gute Stelle mit essbaren Pilzen gefunden hat, sollte am besten immer einige besonder reife Exemplare stehen lassen, damit sie Aussporen im nächsten Jahr neue noch mehr Pilze an der gleichen Stelle wachsen. 

Alte Exemplare, meistens an einem nach oben gerichteten Hutrand und fühlbar weicher Konsistens zu erkennen, sollten übrigens nicht im Korb landen. Sie sind nicht mehr genießbar und können Bauchkrämpfe, Übelkeit und Erbrechen verursachen. Auch madige und sehr junge zu kleine Pilze sollten im Wald stehen gelassen werden.

Wie viele Pilze dürfen in den Korb?

Grundsätzlich dürfen Pilze in Deutschland nur für den Eigenbedarf gesammelt werden. Sammeln für den Verkauf ist besonders geregelt. Zu berücksichtigen ist auch, dass manche Pilze unter Artenschutz stehen, darunter nicht nur exotische wenig bekannte Arten, sondern auch beliebte Speisepilze wie etwa Steinpilz, Birkenpilz, Rotkappen und Pfifferlinge sowie alle Morchelarten. Laut Gesetz dürfen sie privat nur "in geringen Mengen" für den Eigengebrauch gesammelt werden. Bei Verstößen drohen eine Anzeige und saftige Bußgelder.

Welche Menge das genau bedeutet, ist Ländersache und in Sachsen-Anhalt nicht genau festgelegt. Pilzsammler sollten sich – um auf Nummer sicher zu gehen – auf 150 bis 200 Gramm pro Person Mahlzeitgröße beschränken. 

Wie können Pilze aufbewahrt werden?

Wer sehr viele Pilze gesammelt, kann mehrere Varianten nutzen, um sie über einen längeren Zeitraum haltbar zu machen. Die klassische Variante ist das Trocknen. Laut Landesverband sollen die Pilze aber nur noch um die zehn Prozent Wasser haben, sonst können sie schimmeln. Wer die Pilze nicht trocknen will, kann sie auch einfrieren. Wichtig sei sie zu putzen, zu reinigen, klein zuschneiden, kurz in heißes kochendes Wasser tunken (Blanchieren), und dann umgehend in einem Gefrierbeutel einzufrieren. Wenn man sie wieder erhitzt, sollten sie richtig durchgekocht werden, betont der Landesverband. Denn Pilze seien erdnahe Gewächse, die immer auch Spuren von giftigen Bakterien enthalten können. Diese könnten Lebensmittelvergiftungen verursachen.

Wie belastet sind Pilze in Sachsen-Anhalt?

In Sachsen-Anhalt ist dem Landesverband der Pilzsachverständigen zufolge die Pilzbelastung in den vergangenen Jahrzehnten immer gut untersucht worden – sowohl die Schwermetall als auch die Cäsiumbelastung nach dem Tschernobyl-Unfall. Insbesondere seien es Champignon-Arten die Probleme mit Schwermetallen haben. Auch die Cäsiumbelastung ist dem Landesverband zufolge gut erforscht. Diese spiele aber für die meisten Speisepilze in der Regel keine Rolle. Nur in Maronen könne noch Cäsium gefunden werden, allerdings weit unter dem für Lebensmittel vorgeschriebenen Richtwert von  600Bequerel/kg Frischgewicht.

MDR (Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. September 2024 | 08:00 Uhr

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