Kommentar Alt werden ist ein Segen – oder?
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17. Juli 2024, 13:30 Uhr
Es reicht im Alter zu stürzen und plötzlich ist man auf Pflege angewiesen. Doch die Krankenhäuser können dem aufgrund von Personalmangel nicht gerecht werden. Deutschland kriegt es nicht hin, ein System auf die Beine zu stellen, das den Bedürfnissen alter Menschen gerecht wird. Norma Düsekow kommentiert.
- Pflege im Alter: Was kann ein Krankenhaus heute überhaupt noch leisten?
- Wer gebrechlich ist, braucht eine helfende Hand – im Krankenhaus gibt es die nicht immer.
- Deutschland kriegt es nicht hin, ein System auf die Beine zu stellen, das den Bedürfnissen alter Menschen gerecht wird.
Nun ist es auch in meiner Familie angekommen: Das Thema Pflege. Ich gebe zu, vorher hat es mich kaum interessiert. Ich habe es weggeschoben – auf irgendwann später.
Später ist jetzt
Es begann vor wenigen Wochen. Ich bekam einen Anruf, dass meine Mutter im Krankenhaus liege. Sie sei gestürzt, hieß es.
Meine Mutter ist 88 Jahre alt, lebt im "betreuten Wohnen", hunderte Kilometer weit weg in Westdeutschland. Einmal in der Woche kommt der ambulante Pflegedienst. Bis zu jenem Tag, als der Unfall passierte, war ihr Leben weitgehend selbstbestimmt. Sie war mobil, wenn auch mit Rollator.
Im Krankenhaus kam sie auf die Geriatrie. Das ist eine Station, die spezialisiert ist auf Fälle wie ihren – also die Behandlung von hochbetagten Menschen. Doch was kann ein Krankenhaus heute überhaupt noch leisten? Wo es kaum noch geeignetes Pflegepersonal gibt. Wo die Krankenschwestern und Pfleger, die noch da sind, irgendwie versuchen, den Laden am Laufen zu halten.
Das alles war mir durchaus klar, als ich meine Mutter am Krankenbett besuchte. Ich habe als Nachrichtenredakteurin oft Meldungen über diese Missstände geschrieben.
Es zu sehen und zu erleben, ist aber etwas völlig anderes
Wer sich selbst mal was gebrochen hat, weiß, wie schnell man ins Torkeln gerät, wenn man nur noch ein Bein oder einen Arm hat, der funktioniert. Balance halten wird zur echten Herausforderung.
Ein alter Mensch, der gebrechlich unterwegs ist, verkraftet diese Einschränkung noch viel weniger. Er braucht vielleicht eine helfende und stützende Hand, um sich im Bett zu drehen, die Wasserflasche zu öffnen oder die Banane zu schälen.
Meine Mama hatte ihre Bettnachbarin. Eine Frau, selbst hoch in den 80-ern, die all die kleinen, wichtigen Aufgaben übernahm, die die Schwestern nicht machen wollten oder konnten. Und die für ihre Hilfe noch ausgeschimpft wurde, weil Patienten das eigentlich nicht machen dürfen: sich gegenseitig helfen.
Die Würde des Menschen ist ...
Überfordertes Pflegepersonal in Krankenhäusern oder Pflegeheimen trifft auf Menschen, die immer noch eine Würde haben, auch wenn man sie waschen oder wickeln muss. Sie wollen nicht angemeckert, beschimpft oder grob behandelt werden.
Deutschland zählt mit zu den reichsten Ländern der Welt. Wir geben Geld aus für alles Mögliche, für Klimaschutz in Afrika, Südamerika und Asien, für den Krieg in der Ukraine. Nur kriegen wir es nicht hin, ein System auf die Beine zu stellen, das den Bedürfnissen alter Menschen am Ende ihres Lebens gerecht wird.
Bis zum Jahr 2045 wird sich die Zahl der Einwohner im Rentenalter, also 67 Jahre oder älter, um über zwei Millionen erhöhen. Wer heute geboren wird, hat gute Chancen 90 Jahre oder älter zu werden. Eigentlich eine schöne Aussicht. Und doch höre ich mich dabei leise sagen – oh Gott, bloß nicht.
MDR (Norma Düsekow) | Erstmals veröffentlicht am 16.07.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 16. Juli 2024 | 15:30 Uhr
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