Landkreis Harz Leerstand trotz Touri-Boom: Warum in Wernigerode immer mehr Händler aufgeben
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01. April 2025, 10:55 Uhr
Wernigerode, die beliebte Harzstadt mit Schloss und Fachwerkambiente, zieht Besucher in Scharen an. Mehr als eine Million Übernachtungsgäste waren es 2024. Doch die schauen bei ihrem Bummel durch die Stadt immer öfter in leere Schaufenster. Während die Zahl der Urlauber steigt, sinkt die der Geschäfte. Ein deutschlandweiter Trend, gegen den die Harzstadt ankämpft.
- Selbstständige Händler in Wernigerode klagen über hohe Kosten und Abgaben.
- Die Stadt begründet die gestiegenen Gebühren mit der angespannten Haushaltslage.
- Die Kaufleute hoffen, dass längere Öffnungszeiten die Innenstadt wiederbeleben können.
Die Einkaufsmeile von Wernigerode ist jetzt in der Vorsaison noch nicht so belebt, aber die Urlauber sind mit ihren Kameras und dem Wanderoutfit gut zu erkennen. Schlendern ist Luxus, lautet ihr Motto. Dazu gehört der Einkaufsbummel. Doch ausgerechnet in der Fußgängerzone stehen inzwischen rund ein Dutzend Läden leer, vor allem in der Nähe des Westerntores. Eine Entwicklung, die sich auf die verbliebenen Geschäfte auswirkt.
Schatten auf der makellosen Einkaufsstraße in Wernigerode
Birgit Löffler verkauft hier seit 26 Jahren Lederwaren. Die gelernte Kürschnerin kennt die Innenstadt, die Kundenwünsche und beobachtet, was sich verändert hat in all der Zeit. Dass ganze Busladungen neugieriger Touristen hier shoppen gehen, passiere nur noch selten. Der Standort des Taschengeschäfts am oberen Ende der Westernstraße ist nicht mehr die beste Lage. Vor allem seit in direkter Nachbarschaft mehrere Geschäfte geschlossen wurden. Um die zehn sind es inzwischen, das wirft Schatten auf die sonst makellose Einkaufsmeile in Fachwerkarchitektur.
Direkt neben dem MDR-Harzstudio hat eine Mode-Boutique geschlossen. Neben dem Taschengeschäft von Birgit Löffler eine Bar und ein paar Häuser weiter der vietnamesische Imbiss. Auch das alte Casino steht wieder leer, nachdem dort mehrere Jahre ein Sportgeschäft Bekleidung und Ausrüstung verkauft hatte. Ja, es gebe Umsatzeinbußen, gibt Lederwaren-Verkäuferin Löffler zu bedenken. Doch die Stammkunden würden das Geschäft retten.
Selbstständige klagen über hohe Gebühren und Abgaben
Die Fleischerei Leiste lockt nicht nur mit der Auslage, auch der Mittagsgrill zieht mit seinem Duft Hungrige an. Fleischermeisterin Melissa Leiste ist online präsent, postet ihre Angebote. Probleme sieht sie trotzdem: Immer mehr müssten die Selbstständigen an den Staat und die Stadt zahlen. So wolle Wernigerode die Preise für die Außenbestuhlung und -werbung anheben. Ausgerechnet jetzt, wo auch die Grundsteuer bei vielen Wohneigentümern steige.
Das bestätigt die Stadt. Der Wirtschaftsförderer von Wernigerode, Ralf Quednau, sagt, diese Gebühren seien lange Jahre nicht angehoben worden, jetzt käme es zugegebenermaßen verstärkt. Geschuldet sei das auch dem angespannten Haushalt der Stadt. Wobei die Einzelhändler darauf auch Einfluss nehmen können. Darüber müsse am Ende der Stadtrat entscheiden.
Stadt hofft auf Verjüngung
Auch Ralf Quednau ist mit dem Leerstand unzufrieden. Mehr als sieben Prozent seien es allerdings nicht. Man müsse unterscheiden, was leer stehe. Sei es ein struktureller Leerstand, wo jahrelang Ladenlokale leer stehen oder handele es sich um eine Übergabe. Die könne auch schon mal einige Wochen bis Monate dauern. Die Stadt könne außerdem keinem Vermieter vorschreiben, an welches Unternehmen er vermietet.
Und Quednau weiß, dass nach manchem Räumungsverkauf etwas passiert: Das Fotohaus soll verkauft werden, der Eigentümer geht in den Ruhestand. Der "Dampfladen" der Harzer Schmalspurbahnen ist geschlossen, dort verkauft jetzt die Telekom. Und wo früher Kleider anprobiert wurden, entsteht gerade ein Treffpunkt für Kreative, der "coworking and maker space". Von diesem Projekt der Stadt Wernigerode und der Hochschule Harz schwärmt Quednau: "Die Stadt mit ihrer Wirtschaftsförderung und die Hochschule mit Studenten gehen in ein Ladengeschäft und entwickeln dort einen sogenannten coworking space, beleben damit die Innenstadt." Ein guter Nebeneffekt sei die Verjüngung.
Längere Öffnungszeiten gegen den Leerstand?
Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung lobt auch Matthias Winkelmann. Der Goldschmiedemeister spricht für die Kaufmannsgilde, wenn er sagt: "Wir haben ein Riesenproblem mit den Leerständen. Es fängt an, in anderen Städten ist es schon in vollem Gang." Er stützt sich auf die Zahlen des Handelsverbands Deutschland HDE. Der Spitzenverband des deutschen Einzelhandels hat gerade seine Prognose veröffentlicht: Bundesweit werden danach im laufenden Jahr wohl 4.500 Geschäfte schließen. Überhaupt verlaufe der Trend laut HDE seit zehn Jahren abwärts.
Dagegen arbeitet auch die Kaufmannsgilde von Wernigerode. Winkelmann lobt die Unterstützung aus dem Rathaus. Die Stadt habe eine Mitarbeiterin angestellt, die sich auch um die Probleme des Einzelhandels kümmere.
Die Wernigeröder Kaufleute hoffen auch auf eine Erweiterung der Öffnungszeiten – da sei die Politik gefragt. Der Deutsche Handelsverband HDE jedenfalls empfiehlt, die Sonn- und Feiertagsöffnung generell zu erlauben. Eine gute Idee, meint Winkelmann. Dann bekäme der stationäre Einzelhandel mehr Möglichkeiten zum Geld verdienen und könne weiter existieren.
MDR (Elke Kürschner, Oliver Leiste) | Erstmals veröffentlicht am 31.03.2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT –Das Radio wie wir | 31. März 2025 | 16:10 Uhr
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