Rassistische Übergriffe "Ich fühle mich unsicher in Magdeburg"
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22. Januar 2025, 21:30 Uhr
Seit dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt steigt die Zahl rassistischer Übergriffe gegen Personen in der Stadt. Das Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt zählt mehr als 30 Fälle. Der Student Haytham Alkadi ist einer von vielen, der sich nicht mehr sicher in Magdeburg fühlt, er will nun wegziehen.
- Migrantinnen und Migranten berichten seit dem Anschlag in Magdeburg von verstärktem Rassismus und Gewalt. Sie fordern eine klare Positionierung von der Politik.
- Der Geschäftführer des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt, Mamad Mohamad, fordert mehr Achtsamkeit innerhalb der Gesellschaft.
- Die Oberbürgermeisterin von Magdeburg, Simone Borris, erteilte vergangene Woche jeglichen Rassismus eine Absage.
Haytham Alkadi fühlt sich nicht mehr sicher in Magdeburg. Seit zehn Jahren lebt in der Stadt, 2020 begann er sein Ingenieurstudium der Mechatronischen Systemtechnik an der Hochschule Magdeburg-Stendal in die Stadt an der Elbe. Der 31-Jährige aus Syrien fand schnell Freunde und engagierte sich ehrenamtlich im Syrisch-Deutschen Kulturverein. 2024 gewann er den Integrationspreis Sachsen-Anhalt. Mittlerweile steht er vor seiner Masterarbeit in den Interdisziplinären Ingenieurswissenschaften für Fahrzeugtechnik.
Doch seit dem Anschlag von Magdeburg spüre er die Vorbehalte ihm gegenüber täglich, mehr noch als bereits zuvor, erzählt er. Die Vorbehalte zeigten sich in Blicken auf der Straße und in Beleidigungen. Seit vier Wochen fühlt Alkadi sich beobachtet, seit dem Wochenende besonders. Vergangenen Samstag habe ihn eine Person in seinem Auto verfolgt, sei ausgestiegen und habe mit einer Teleskopstange auf sein Auto eingeschlagen, erzählt Alkadi. All das sei passiert, während er im Wagen saß. "Am Hasselbachplatz fing es an. Der Mann verfolgte mich bis zum Universitätsplatz. Ich bin mir sicher, er wollte mich umbringen", sagt Alkadi. Er habe eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und Nötigung gestellt, versuchte Körperverletzung sei nicht möglich gewesen, weil Alkadi nicht verletzt wurde.
Seine Schilderungen lassen sich aktuell nicht überprüfen. Eine Bestätigung des Vorfalls durch die Polizei steht noch aus.
Forderung nach klarer Positionierung gegen Gewalt
"Es muss eine Ansage der Stadt geben, dass sowas nicht akzeptabel ist. So lange ist Magdeburg keine Stadt mehr, in der ich leben will", sagt Haytham Alkadi. Er plant, bis März für ein Praktikum nach Leipzig zu ziehen. Er fühlt sich von der Politik alleingelassen und nicht ernstgenommen. Die Polizei in Magdeburg erklärte MDR SACHSEN-ANHALT, man habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorfälle umgehend reagiert und die Streifen in einem Stadtgebiet verstärkt. Auch Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris hatte jeglichem Rassismus zuletzt verurteilt.
Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) hatte zuletzt bei FAKT IST! aus Magdeburg gesagt, sie verurteile alle diese Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund "zutiefst". "Ich kann nur darum bitten, dass jede Straftat zur Anzeige gebracht wird, damit wir sie auch verfolgen können", sagte sie dort.
Betroffene haben Angst, alleine rauszugehen
Haytham Alkadi ist nicht der Einzige, der von einem solchen Übergriff erzählt. Auch Osama Altamr Alshebli berichtet, auf seinem Heimweg von der Arbeit angegriffen worden zu sein. In der Nähe der Kastanienstraße soll er im Dunkeln von mehreren Personen zusammengeschlagen worden sein. Mit einem Schlagstock habe einer von ihnen auf sein Knie eingeschlagen. Seitdem habe er Angst, alleine rauszugehen. "Ich rufe meinen Vater an, damit er mich von der Arbeit abholt. Auch meinem kleinen Bruder sage ich, dass er nicht alleine rausgehen soll", sagt der 23-Jährige. Das Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (Lamsa) zählt mehr als 30 solcher Fälle. 13 Fälle wurden von der Polizei bestätigt.
Mein erster Gedanke war: Ich hoffe, dass es kein Ausländer ist.
Eine weitere Betroffene ist Narges Ghayummi. Wegen ihres Kopftuchs werde sie häufiger in der Öffentlichkeit beleidigt als vor dem Anschlag, sagt sie. Narges Ghayummi findet es wichtig, dass Menschen sich richtig über den Anschlag informieren. Sie sei sprachlos gewesen, als sie von dem Attentat gehört habe, sagt sie. "Mein erster Gedanke war: Ich hoffe, dass es kein Ausländer ist. Denn das betrifft uns direkt alle", sagt sie. Auch sie müsse ihren Kinder nun sagen, dass sie nicht mehr alleine rausgehen dürfen.
Lamsa: Viele Betroffene zeigen Rassistische Übergriffe nicht an
Auch Zahra Echnazar spürt das feindselige Klima, eigenen Worten zufolge auch in der Schule. Die 18-jährige ist beim Verein Lamsa ehrenamtlich als Übersetzerin aktiv. Sie selbst sei bei dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt gewesen – und schockiert über die Tat. Sie habe die Beleidigungen gegen sie auf der Straße nicht angezeigt, weil das ihrer Meinung nach nichts bringt. Genau dafür hatte zuletzt aber Innenministerin Zieschang geworben. Der Geschäftsführer von Lamsa, Mamad Mohamad, kennt aber die Gründe für die Zurückhaltung bei Anzeigen: "Die Realität ist, dass die Menschen schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. Und dadurch zeigen sie vieles auch nicht an", erklärt er.
Mohamad fühlt mit den Betroffenen mit. "Die Menschen sind wütend darüber, dass sie dafür verantwortlich gemacht werden, dass ein individueller Attentäter die gesamte migrantische Community in den Schatten stellt", sagt Mohamad.
Mehr Polizeischutz sei nicht die Antwort
"Mehr Polizeischutz ist nicht die Antwort darauf", meint Mamad Mohamad. Die Frage sei: "Wie bekommen wir ein Zusammenleben hin, wo Menschen willkommen sind und sich sicher fühlen? Gerade für Menschen, die vor Islamismus und Gewalt geflohen sind", sagt er. "Wir haben den Eindruck, dass das Thema bei der Stadt Magdeburg und bei der Landesregierung noch nicht angekommen ist", sagt er. Vor einem Jahr seien Tausende Menschen gegen die Remigrationspläne der AfD auf die Straße gegangen und habe Hass und Hetze eine Absagte erteilt. Davon sei jetzt nichts mehr zu spüren. Es habe aber auch viel Zivilcourage gegeben, dennoch brauche es laut Mohamad mehr Achtsamkeit innerhalb der Gesellschaft für diese Form der Gewalt.
Krzysztof Blau, bis vor wenigen Tagen noch ehrenamtlicher Integrationsbeauftragter der Stadt Magdeburg, fordert mehr Begegnungen, um Ängste abzubauen. "Die Demokratie ist kein Geschenk Gottes, sondern wir müssen sie verteidigen und leben", sagt er. Politiker müssten sich zudem die Frage stellen, wie sie mit ihren Botschaften die migrantische Community erreicht, damit die Menschen sich nicht alleine fühlten. Der Verein Lamsa plant weitere Veranstaltungen für Betroffene, um sich über die rassistischen Vorfälle auszutauschen.
MDR (Katharina Gebauer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 22. Januar 2025 | 06:30 Uhr
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