
Tierheim Burg Animal Hoarding in Magdeburg: "Solche Fälle bringen einen schon ganz schnell an seine Grenzen"
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19. März 2025, 05:38 Uhr
Auf einem Grundstück in Magdeburg wurden Anfang Januar 400 tote und 600 noch lebende verwahrloste Schafe gefunden. Dazu kamen 27 Hunde. Kritik richtet sich an das Veterinäramt in Magdeburg, das womöglich zu spät eingegriffen hat. Während viele der Schafe immer noch Lämmer bekommen, werden die Hunde der Halterin im Tierheim in Burg aufgepäppelt. Wie man dort auf den Fall blickt.
- Neben Hunderten Schafen wurden im Januar auch 27 Hunde einer Frau aus Gommern sichergestellt, die nun im Tierheim in Burg leben.
- Die Zahl der Fälle von Animal Hoarding in Deutschland steigt.
- Tierheime bleiben langfristig auf den Kosten von Animal-Hoarding-Fällen sitzen.
Finja, Drops, Lars und Alfie leben seit rund zwei Monaten im Tierheim in Burg. Anfang Januar wurden sie aus der Obhut ihrer 62-jährigen Halterin befreit. Auf dem Grundstück in Magdeburg waren auch 400 tote und 600 verwahrloste Schafe gefunden worden. Der Fall sorgte landesweit für Aufsehen, nicht zuletzt, weil dem Veterinäramt in Magdeburg vorgeworfen wird, Hinweisen aus der Bevölkerung zu spät nachgegangen zu sein.
Hunde nach Rettungsaktion in schlechtem Zustand
Tierheimleiterin Astrid Finger war bei dem Einsatz im Januar dabei. "Die waren in einem ganz kleinen Areal am Haus eingesperrt, hatten keine Bewegung. Es war verdreckt, alles voller Kot, Müll, gammeligem Brot", erinnert sie sich. Die Hunde hätten keine richtigen Schutzhütten gehabt. Die, die im Haus waren, hätten gestunken. Sieben der Hunde reagierten so aggressiv auf die Rettung durch die Tierschützer, dass sie für den Transport in Narkose geschossen wurden.
Das Tierheim in Burg hat alle 27 Hunde aus dem Fall aufgenommen, teilweise in sehr schlechtem Zustand. Finja war abgemagert und hatte eingewachsene Krallen, die zu Entzündungen in ihren Beinen geführt haben. Sie muss schlimme Schmerzen gehabt haben, meint Astrid Finger. Drops wollte sich zu Beginn nicht einmal anfassen lassen, mittlerweile kann seine Tierpflegerin ihn sogar streicheln.
Die Hunde werden im Tierheim aufgepäppelt und erzogen. Noch ist es für Drops purer Stress, das Gehege zu verlassen. An der frischen Luft vor dem Haus zittert er. Er lernt gerade, an der Leine zu gehen, was ihm jedoch schwerfällt. Auf dem Weg zur Wiese bleibt er immer wieder stehen und legt seine Pfote auf das Band. "Das war ganz viel Arbeit von den Pflegern, da Vertrauen aufzubauen. Aber sie sollen ja die Chance auf ein Zuhause haben und dazu gehört Training. Das sind Tiere, die in ihrem Leben leider nichts erleben durften", bedauert Astrid Finger.
Animal Hoarder verleugnen Situation
Wie Drops und seinen Kameraden geht es den meisten Tieren, die aus der Obhut von sogenannten Animal Hoardern gerettet werden. "Diese Menschen können die Situation in aller Regel nur schlecht reflektieren und verharmlosen oder leugnen sie", sagt Gesundheitswissenschaftler Michael Christian Schulze, der in Kooperation mit der TU Dresden zum Thema forscht.
Was ist Animal Hoarding? Animal Hoarding heißt auf Deutsch "Tierhortung" und kann auch als Tiersammelsucht übersetzt werden. Darunter versteht man das krankhafte Sammeln und Halten von Tieren. Laut Tierschutzbund halten die Betroffenen so viele Tiere, dass sie diese nicht mehr angemessen versorgen können. Dabei würden sie häufig nicht erkennen, wie schlecht es den Tieren in ihrer Obhut geht.
Fälle von Animal Hoarding in Deutschland steigen
In den vergangenen Jahren hat der Deutsche Tierschutzbund immer mehr Fälle von Animal Hoarding in Deutschland registriert. 2023 wurden rund 6.700 Tiere gerettet. Die Mehrheit sind Kleintiere wie Mäuse, Ratten oder Meerschweinchen sowie Katzen und Hunde. In Sachsen-Anhalt wurden 2023 zwei Fälle von Animal Hoarding gelistet, zwischen 2012 und 2022 waren es acht.
Die Dunkelziffer sei jedoch weitaus höher, denn viele Fälle tauchten gar nicht erst in der Statistik des Tierschutzbundes auf, erklärt Schulze. Die Zahlen seien nicht repräsentativ, da sie sich nur auf Medienberichte und die Meldungen der Tierheime beziehen. An offiziellen und vollständigen Zahlen mangele es.
Einer der Gründe, warum Tierschützer schon lange ein offizielles Register fordern. So könnten auch Halteverbote über die Landkreise hinweg besser eingesehen werden. Doch bisher scheitere es da am Datenschutz, meint Astrid Finger aus Burg.
Tierheimleiterin: Leid der Tiere hätte verhindert werden können
Für das Tierheim zumindest war die 62-jährige Halterin aus Gommern im Jerichower Land keine Unbekannte. Vor ein paar Jahren musste Astrid Finger schon einmal Ratten aus ihrer Obhut aufnehmen. Viele der Hunde aus dem aktuellen Fall habe die Frau von Tierschützern aus dem Ausland bezogen. Dort würden die Interessenten bei der Vermittlung nicht so stark kontrolliert werden. "Da ärgert man sich schon über die schwarzen Schafe in Tierschutz", sagt Finger kopfschüttelnd. Aber auch Tierheime in Deutschland hätten Hunde an die Frau vermittelt. "Eigentlich muss unser Amt die jetzt mit in die Pflicht nehmen", fordert sie.
Auch sie verfolgt die Ermittlungen gegen die Frau und das Veterinäramt in Magdeburg. "Man war schon erschüttert, wie lange sie es laufen lassen haben. Das ist traurig. Es hätte viel Leid verhindert werden können, noch dazu, wo die Dame schon seit 2020 ein Halteverbot hatte." Finger vermutet neben Personalmangel in der Behörde auch finanzielle Gründe für das späte Eingreifen. Immerhin müsse die Stadt Magdeburg nun die Kosten für die Tiere tragen.
PETA: Magdeburg tierfeindlichste Veterinärbehörde Deutschlands
Die Tierschutzorganisation PETA hat Anzeige gegen das Veterinäramt in Magdeburg und gegen die Halterin gestellt und die Behörde zu einer der "tierfeindlichsten Veterinärbehörden Deutschland" gekürt. "Uns wurden Nachweise zugespielt, die belegen, dass dem Veterinäramt bereits vor einigen Monaten Missstände zu der Tierhaltung gemeldet wurden. Dass es dennoch zum Tod von Hunderten Tieren kam, war für uns entscheidend, um das Veterinäramt in unser Ranking als Negativbeispiel aufzunehmen", sagte eine Sprecherin von PETA.
Innerhalb der Behörde habe man ebenfalls die Ermittlungen aufgenommen, sagte Magdeburgs Sozialbeigeordneter Ingo Gottschalk MDR SACHSEN-ANHALT. Die Zustände, die im Januar vorgefunden worden, seien für alle Beteiligten sowohl physisch als auch psychisch belastend gewesen. Dem Unmut in der Bevölkerung sei man sich bewusst, sagte er. Aktuell wird die Schafherde nach für nach aufgelöst, um dann im Anschluss veräußert zu werden.
Auch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Halterin als auch gegen das Veterinäramt in Magdeburg dauern aktuell noch an, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit.
Prozess gegen Hundehalterin aus Bad Lauchstädt
Der Fall aus Magdeburg ist jedoch nicht der einzige der vergangenen Wochen. Erst im Dezember 2024 wurden rund 130 Hunde aus einer Tierpension in Bad Lauchstädt befreit. Auch hier war die Halterin keine Unbekannte, das Veterinäramt im Saalekreis soll von Problemen mit der Betreiberin gewusst haben. Strafrechtlich werde jedoch nicht gegen die Behörde ermittelt, teilte die Staatsanwaltschaft vergangene Woche mit. Das Landesverwaltungsamt ermittle allerdings verwaltungsrechtlich und habe entsprechende Unterlagen angefordert, hieß es weiter.
Ab Donnerstag muss sich die Frau, die auch als Familiencoach mit Hunden arbeitet, wegen Tierquälerei in ihrem Vorgänger-Betrieb in Bennstedt vor dem Amtsgericht in Halle verantworten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat sie mit einer Geldstrafe zu rechnen. Im Falle der Tierpension im Bad Lauchstädt dauern die Ermittlungen weiter an.
Animal Hoarding: Tierheime bleiben langfristig auf Kosten sitzen
Einige ihrer Hunde sind ebenfalls im Tierheim in Burg untergekommen. Mehrmals im Jahr haben die Tierpfleger hier mit Animal Hoarding zu tun. "Allein ist das kaum zu stemmen. Solche Fälle bringen einen schon ganz schnell an seine Grenzen", sagt Finger. Zwar bekomme das Tierheim von den einweisenden Veterinärämtern Kosten erstattet, allerdings nur für die ersten drei Monate. Das reiche bei weitem nicht aus.
"Es bleiben bei solchen Fällen immer Tiere bei uns hängen, die ihr Leben hier verbringen. Die Tierarzt, Futter und Personal kosten. Darum kippt das ganze System irgendwann." Kleineren Vereinen könne das schnell die Existenz kosten. Der Tierschutz habe leider keinen hohen Stellenwert in der Politik, kritisiert Astrid Finger deshalb. "Wir werden grundsätzlich oft alleingelassen." Der Zusammenhalt im Tierschutz untereinander sei dagegen gut, die Tierheime miteinander vernetzt.
Das Tierheim in Burg ist aktuell mit den Kapazitäten am Limit. Einen weiteren großen Fall könne man hier nicht aufnehmen. Die Pfleger hätten noch alle Hände mit den Hunden aus Magdeburg und Bad Lauchstädt zu tun. Viele der Tiere seien bereit zu lernen, freute sich Astrid Finger. "Aber es ist ein langer Weg und das bedeutet für die Pfleger viel Arbeit und Einfühlungsvermögen. Es kostet unheimlich viel Zeit, die dann anderen Tieren verloren geht."
Hunde aus Magdeburg warten auf Adoptionsfreigabe
Über die Fortschritte von Drops, Alfie und Co. freut man sich in Burg aber umso mehr. "Jedem Tierpfleger geht das Herz auf, wenn man sieht, wie die vorher gelebt haben. Das ist auch, was einen weiter machen lässt", meint Finger. Ziel sei es, die Hunde so weit vorzubereiten, dass sie irgendwann ein neues Zuhause finden können.
Einige Tiere aus Bad Lauchstädt seien bereits vermittelt. Die Hunde aus Magdeburg hätten dagegen bislang noch keine Freigabe erhalten, weil die Ermittlungen noch laufen. Und auch die Besitzerin versuche weiterhin, ihre Tiere zurückzubekommen. Ein Verhalten, was typisch für Animal Hoarder ist. "Diese Menschen sammeln weiter. Das geht leider oft von vorne los", weiß die Tierheimleiterin. Ein Teufelskreis.
Dieses Thema bei FAKT IST!
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MDR (Sarah-Maria Köpf)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 19. März 2025 | 19:00 Uhr