• In Vogelsdorf im Landkreis Harz sorgt eine Theatergruppe für großen Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft.
• Die Aufführungen sind regelmäßig ein Highlight im Dorfleben.
• Inzwischen kommen zu den Veranstaltungen mehr Gäste, als Vogelsdorf Einwohner hat.

"Natürlich dürfen auch Männer mitmachen", stellt Beatrice Schmidt klar. Und das tun sie ja auch. Die Männer bauen Requisiten, das Bühnenbild oder die Bühne für die rund zehn Mitglieder der Laiengruppe "Marientheater" aus Vogelsdorf im Landkreis Harz. Nur eben als Schauspieler tun sich die Männer aus dem Ort mit gut 200 Einwohnern meistens etwas schwer, zeigt die Erfahrung der letzten Jahre.

Obwohl der Chef der Freiwilligen Feuerwehr Vogelsdorf da gleich protestiert. "Ich war schon einmal als Prinzessin dabei", erzählt Frank Weber stolz. Er war es auch, der die ursprüngliche Idee für einen Theaterauftritt der Vogelsdorfer hatte. "Frank Weber ist 2007 auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich für den Tag der offenen Tür der Kameraden einen Theaterauftritt organisieren kann", erläutert Schmidt. Und dann ist die inzwischen 58-Jährige losgezogen und hat Klinken geputzt.

Ihr Vorteil war, dass die Vogelsdorfer eine lange Theatertradition im Ort haben, erzählt die inzwischen 84-jährige Lieselotte Kassner. "Schon nach dem Krieg gab es bei uns Theateraufführungen. Da hat meine Mutter als ‘Frau Wupptich’ mitgespielt", erinnert sich Kassner. Und nach 2003 hat die gelernte Erzieherin Kassner mit anderen eine Kindertheatergruppe in Vogelsdorf ins Leben gerufen. Die Kleinen haben jährlich in der Weihnachtszeit vor der Feuerwehr im Ort ihren Auftritt gehabt, bis es kaum noch Kinder gab, die mitmachen wollten oder konnten. "Viele sind dann als Jugendliche für die Arbeit weggegangen und eine Zeit lang gab es nur wenige Kinder im Ort", erläutert Kassner.

Feuerwehr-Chef Frank Weber (61) hat auch schon einmal eine Przinzessin gespielt. Ansonsten baut er mit seinen Kamerade die Bühne und Kulissen auf. Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

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Beatrice Schmidt kann also relativ schnell ein paar Vogelsdorferinnen überzeugen, bei der neu entstehenden Theatergruppe mitzumachen. Schnell entsteht auch die Idee, eigene Stücke zu schreiben. "Zur Bundestagswahl 2013 war es dann so weit", erzählt Schmidt. Sie schreibt das Stück 'Ein Ministerpräsident erfährt Bürgernähe'. In der Hauptrolle Antje Gabriel als Landesvater Olaf Hasenbein, weil sich die Vogelsdorfer Männer nur schwer überzeugen lassen, auf der Bühne zu stehen. Gabriel übernimmt inzwischen regelmäßig die Männerrollen.

"Ähnlichkeiten mit unserem amtierenden Ministerpräsidenten sind natürlich rein zufällig", stellt Schmidt mit einem Augenzwinkern klar. Und selbstverständlich spielt das Stück in der Region: Auf einer Rundreise durchs Land kommt Hasenbein auch in den Huy. Mit Hilfe von viel regionalem Hochprozentigem wird ihm eine große Geldsumme abgeluchst, die natürlich in die Verschönerung des Dorfes fließen soll.

Mitglieder der Laiengruppe "Marientheater" (vlnr.): Lisa Merten (kümmert sich hinter der Bühne um guten Ton), Lieselotte Kassner (hat lange die Kindertheatergruppe geleitet), Beatrice Schmidt (hat bis 2017 die Frauengruppe geleitet und Antje Gabiel (spielt gerne die Männerrollen). Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

Für das Stück hat sich Schmidt vorab durch das Dorf gefragt, immer auf der Suche nach lustigen Anekdoten. "Gute Unterhaltung kommt beim Publikum immer gut an und die Stücke dürfen nicht zu lang sein." Schließlich steht die Bühne ja im Freien neben dem Feuerwehrhaus, da könne das Publikum leicht abgelenkt werden. Ins Stück hat es dann auch eine Geschichte geschafft, bei der auch Schmidts eigener Sohn beteiligt war.

Jugendliche aus dem Ort sollen vor Jahren mal Schießübungen mit einem Luftgewehr gemacht haben. Als Ziel haben sie sich ausgerechnet die frisch gewaschene Wäsche auf einer Leine ausgesucht. "Im Stück haben wir dann auch einen durchlöcherten Schlüpfer gezeigt. Das gab einen großen Lacher", erinnert sich Schmidt.

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Der Plan von Feuerwehr-Chef Weber ist jedenfalls aufgegangen. Die Auftritte der Theatergruppe zum 'Tag der offenen Tür' der Kameraden sind ein voller Erfolg. "Inzwischen kommen teilweise mehr Besucher zu unserer Veranstaltung, als Vogelsdorf Einwohner hat", erzählt Weber. Er wirbt an diesem Tag auch um neue Mitglieder. "Früher hatten wir hier sogar eine Jugendfeuerwehr, aber es ist inzwischen schwer, Menschen für die Mitarbeit zu bewegen", sagt der 61-Jährige.

Die Laientheatergruppe hat früher sogar in den Räumen der Feuerwehr geprobt. Heute hat sie ihr Domizil in der ehemaligen Kantorei, die der Heimatverein "Vogelsdorf erleben" gerade sanieren lässt. Und viele der Schauspielerinnen machen dann natürlich auch beim Lichterfest des Vereins mit. Anfang Oktober treten sie in der Miniplaybackshow beispielsweise als Hildegard Knef oder Roland Kaiser auf. 

"Wir haben das ganze Jahr über gutzutun", meint Schmidt zufrieden. "Anfang März beginnen die Proben für das Theaterstück und nach einer kurzen Pause geht es gleich weiter mit den Vorbereitungen für das Lichterfest." Erstmals seit vielen Jahren wird es in diesem Advent auch wieder einen Auftritt der Theater-Kinder geben. "Endlich gibt es bei uns wieder genug." 'Schneewittchen und die sieben Zwerge' wird dann in der Vogelsdorf-Edition seine Premiere feiern, organisiert von einer Mutter aus dem Dorf.

"Wenn´s drauf ankommt, halten hier alle zusammen und man kann nur staunen, was hier alles auf die Beine gestellt wird", sagt Schmidt. Trotz Widerstände im Dorf habe man es geschafft, ein tolles Gemeinschaftsgefühl herzustellen. Nicht zuletzt wegen des Gegenwindes hat Schmidt die Leitung der Theatergruppe aber 2017 aufgegeben. Und Lieselotte Kassner, die ehemalige Chefin der Kindertheatergruppe, ergänzt: "Natürlich war der Auftritt für die Kleinen etwas besonderes. Aber auch bei den Proben haben wir immer sehr viel gelacht. Und ein paar Tage nach dem Auftritt haben wir immer für unsere Kinder eine Weihnachtsfeier mit Kakao, Tee und Wichtelgeschenken veranstaltet. Das war auch immer ein besonderer Höhepunkt."

Lieselotte Kassner, Frank Weber und Beatrice Schmidt vor dem Feuerwehrhaus in Vogelsdorf. Früher haben die Schauspieler in den Räumen der Feuerwehr geprobt. Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

Und selbstverständlich gibt es in Vogelsdorf schon Pläne für das nächste Jahr. Nach der Premiere im Jahr 2005 wird wieder das Stück 'Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt' auf die Bühne gebracht. Und ganz sicher wird auch diese Aufführung ein großer Erfolg. Das gute Miteinander in Vogelsdorf machts möglich.