
Halberstadt Stimmungsbericht zur Regierungsbildung: der "Geier", das Klima – und die AfD
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13. März 2025, 05:00 Uhr
Vom Kleinen zum Großen: Bei der Bundestagswahl Ende Februar haben die Menschen in Halberstadt fast genau so gewählt, wie in ganz Sachsen-Anhalt. Deshalb fragen wir nach: Wie ist das Ergebnis vor Ort, abseits der großen Städte, angekommen und welche Hoffnungen verbinden die Einwohner mit der neuen Bundesregierung.
Es ist ein sonniger Dienstag Anfang März. Die zurückliegende Bundestagswahl ist für die Menschen in Halberstadt schon sehr lange her. Am Broilerstand auf dem Fischmarkt in der Innenstadt geht es stattdessen um Brocken-Benno. So viel laufen wie er solle man, empfiehlt der Verkäufer in seinem mobilen Grillstand den wartenden Gästen in der Schlange, dann könne man auch problemlos ein Grillhähnchen mehr essen.
Wichtiger als die vergangene Wahl sind derzeit die Herausforderungen vor Ort. Der Breite Weg in Halberstadt soll wieder zur Vorzeigestraße der Harzstadt werden. Momentan ist dort aber eine große Baustelle. Der Boden ist aufgerissen, Bagger stehen in der Fußgängerzone in Richtung Zentrum, Bauarbeiter sind schwer beschäftigt.
AfD hat Halberstadt gewonnen
"Ich bin zufrieden mit dem Wahlausgang", sagt Mike Balster. Wenn nur nicht die Bauarbeiten vor seiner Tür wären, die die Geschäfte schwierig machen würden. Der 61-Jährige betreibt im Breiten Weg einen Elektrofachmarkt. Durch die Bauarbeiten würden weniger Kunden in sein Geschäft finden, meint er. "Eine große Koalition ist besser, als das, was wir vorher hatten", so Balzer. Wenn es nach ihm gehen würde, hätte die AfD noch besser abschneiden sollen. "Wird Zeit, dass wir die Probleme hier lösen."
Es lohnt ein genauer Blick auf die Meinung der Menschen in Halberstadt zur vergangenen Wahl. Denn die mehr als 33.000 Wahlberechtigten der Kreisstadt des Landkreis Harz haben ziemlich genau so abgestimmt wie im Landesdurchschnitt. Die Ergebnisse hier liegen weniger als einen Prozentpunkt vom landesweiten Ergebnis entfernt.
GroKo ist "kleinstes Übel"
"Die Wahl ist sehr ungünstig verlaufen", sagt Evelyn Winkelmann. "Dass wir jetzt überall eine blaue Schleife tragen sollen, passt mir gar nicht in den Kram." Die Seniorin engagiert sich schon lange im Vogelkundemuseum der Stadt. Neben der Inventarisierung der Sammlung kümmert sich Winkelmann um die Moderne Vogelbilderausstellung. Der internationale Wettbewerb dazu wird alle zwei Jahre in Halberstadt ausgetragen. Zuletzt haben mehr als hundert Vogelmaler Bilder eingereicht, um den mit 1.000 Euro dotierten Preis "Silberner Uhu" zu gewinnen.
"Für mich sieht Friedrich Merz aus wie ein Geier", sagt Winkelmann. Eine große Koalition ist für sie "das kleinste Übel". Ähnlich sieht es auch Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU). "Freud und Leid lagen am Wahlabend nahe beieinander", sagt Szarata im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Ihn stört besonders, "dass sich die Direktkandidaten der demokratischen Parteien in Sachsen-Anhalt nicht durchgesetzt haben".
Schwerpunkte bei Wirtschaft und Migration setzen
Für das starke Abschneiden der AfD macht Szarata die Bundespolitik verantwortlich. "Wir im Osten haben für die extrem linke und liberale Politik in Berlin die Quittung bekommen." Die Ampel-Koalition sei nicht mehr in der Lage gewesen, den Menschen im Land Sicherheit zu vermitteln. "Bei der Finanzkrise hat sich Angela Merkel hingestellt und gesagt: Die Einlagen sind sicher", sagt Szarata. "Ich persönlich weiß gar nicht, ob die Einlagen sicher waren, aber wir alle haben es geglaubt und die Leute sind nicht zur Bank gerannt und haben ihr Geld abgehoben."
Szarata erwartet von einer neuen Bundesregierung, dass beim Thema Zuwanderung schnell nachgebessert wird. "Der großen Koalition muss es gelingen, das Vertrauen in die demokratischen Parteien wieder herzustellen, denn das liegt komplett am Boden, bei allen Parteien." Dazu müsse sich die neue Bundesregierung um die Wirtschaft kümmern. "Da müssen wir Ruhe reinbringen."
Bundestagswahl als Warnschuss
Auch Robert Fietzke ist inzwischen eher ernüchtert über das Wahlergebnis. "Als Linker war das Gefühl am Wahlabend noch von großer Euphorie geprägt. Mit Blick auf die Wahlergebnisse in Halberstadt und den Harz hat sich das dann doch sehr ambivalent dargestellt." Fietzke wurde 1986 in Magdeburg geboren, aufgewachsen ist er Halberstadt. Heute ist er Geschäftsführer des Jugend- und Kulturzentrums Zora in Halberstadt und sitzt für die Linke im Stadtrat der Landeshauptstadt.
"Die Klimakrise ist so weit vorangeschritten, dass die neue Regierung eigentlich nicht darum herum kommt, da weiter große Fortschritte zu machen", sagt Fietzke. Außerdem solle sich die neue Regierung genau anschauen, warum die AfD gewählt wird – und gegensteuern. "Es gibt genug Studien, die zeigen, dass es falsch ist, die Agenda der AfD zu übernehmen. Jeder investierte Euro in die soziale Infrastruktur oder im Kampf gegen Armut hilft, rechtsextremen Parteien das Wasser abzugraben", ist Fietzke überzeugt. "Wenn das die Schwarz-Rote-Koalition versteht und die Erkenntnisse dann auch in konservativen Kreisen durchsetzt, wäre das wichtig."
Regionalen Faschismus verhindern
Für Fietzke ist das Ergebnis der Bundestagswahl auch ein Warnschuss für die bevorstehende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. "Ich erwarte gerade auch von der Landesregierung Konzepte und Ideen, wie der regionale Faschismus aufgehalten werden soll. Denn den haben wir, wenn die AfD es 2026 tatsächlich schafft, 37 bis 45 Prozent zu holen", sagt Fietzke.
Auch für Halberstadts Oberbürgermeister Szarata ist klar: "Das Wichtigste ist, dass die Punkte, die Friedrich Merz im Wahlkampf angekündigt hat, auch wirklich umgesetzt werden. Also: ein faktisches Einreiseverbot und dass wir es schaffen, Leute früher auszuweisen. Da müssen wir glaubhafter werden. Und wenn das funktioniert, steigt auch das Vertrauen in unsere Institutionen, in unsere Polizei, in unseren Rechtsstaat. Sollte das nicht klappen, dann sieht es düster aus."
MDR (Hannes Leonard)
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