Fachkräftemangel Vietnamesische Azubis im Harz: "Das Ausbildungssystem ist hier sehr gut"

23. Januar 2025, 20:02 Uhr

Fachkräfte sind Mangelware. Und der demografische Wandel wird die ohnehin trüben Aussichten weiter verschärfen. Nun haben in Sachsen-Anhalt die Handelskammer, die Handwerkskammer und Dehoga ein Projekt angeschoben, um mehr Auszubildende aus Vietnam zu gewinnen – ebenso der Landkreis Harz. Im Harz gibt es ohnehin schon langjährige Erfahrung mit vietnamesischen Azubis – nicht nur in Gastronomie oder Pflege, sondern nun auch auf dem Bau.

Swen Wudtke
Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Ein Turmdrehkran hebt Nachschub ins Dachgeschoss eines Neubaus in der Innenstadt von Aschersleben. Die Palette mit Baustoffen nehmen Dat, Luong und Tien in Empfang und machen sich gleich daran, Estrich für eine nichttragende Wand anzurühren. Die Verschalung dafür, gespickt mit Bewehrungsdraht aus Stahl, hatten sie zuvor bereits errichtet. Alle drei absolvieren bei Industriebau Wernigerode eine Berufsausbildung zum Hochbaufacharbeiter mit dem Ziel des Stahlbetonbauers.

Das Ausbildungssystem ist hier sehr gut.

Luong Azubi

An die deutsche Sprache hatten sie sich bereits in ihrer Heimat herangewagt, um mit B1-Niveau in Deutschland besser Fuß fassen zu können. "Das Ausbildungssystem ist hier sehr gut", erzählt Luong, weil man "Theorie und Praxis gleichzeitig erlernt." Und Tien verspricht sich in Deutschland ein "Ausbildungszertifikat mit höherem Wert." Das habe ihm sein Papa erzählt, der "mehr als 30 Jahre in Deutschland gelebt hat."

Vier Personen auf einer Baustelle nehmen eine Palette entgegen, die von einem Kran herunter gelassen wird.
Auf dieser Baustelle in Aschersleben arbeiten die drei Azubis. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Chance gegen den Fachkräftemangel: Azubis aus dem Ausland

Junge Vietnamesen auszubilden, das sieht der Chef von Industriebau Wernigerode als Chance. Mehr aus der Not heraus, denn "es gibt immer weniger junge Menschen, die gerade im Handwerk eine Berufsausbildung machen wollen – leider." Deshalb sucht Marko Müller auch andere Wege, um "den Bedarf, den wir haben, zu decken."

Und offenbar scheint sich dieser Weg zum jetzigen Zeitpunkt auszuzahlen, so Müller. "Mit den Deutschkenntnissen, die sie jetzt haben, muss ich ehrlich sagen, dass sich die Jungs sehr gut machen." Die Bewertungen von Ausbildungszentrum und Berufsschule seien überdurchschnittlich gut, teilweise "sogar etwas besser als von anderen Auszubildenden."

Portrait eines Mannes in Schutzkleidung auf einer Baustelle
Marko Müller bildet in seiner Baufirma Vietnamesen aus. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Unterstützung bei Sprachförderung und Behördengängen

Dass sich deutsche Azubis in puncto Leistungsbereitschaft von den jungen Vietnamesen eine Scheibe abschneiden könnten, gibt auch der Berufsausbilder bei Industriebau Wernigerode, Ulf Hardam, zu verstehen. "Ich habe die Hoffnung, dass unsere jungen Leute sich die Kollegen aus Fernost ein bisschen zum Vorbild nehmen."

Wir wollen Zuwanderern das Gefühl geben, dass sie hier willkommen sind.

Huong Trute Wernigeröder Interkulturelles Netzwerk

Es geht nicht nur um die Berufsausbildung, sondern um Fachkräfte von morgen. Deshalb würden die jungen Vietnamesen breit unterstützt – etwa in Sachen Sprachförderung, Kultur und Behördengänge. Und genau da engagiert sich das Wernigeröder Interkulturelle Netzwerk (WIN) um Huong Trute. Auch sie kam zu DDR-Zeiten als Auszubildende aus Vietnam und spricht somit aus Erfahrung, auch wenn die Zeiten damals ganz andere gewesen seien. "Wir wollen Zuwanderern das Gefühl geben, dass sie hier willkommen und dass sie nicht allein sind", erklärt die versierte und bestens vernetzte Dame. "Und die Betriebe sollten den jungen Menschen eben auch dieses Gefühl geben", ergänzt Huong Trute, die für ihre aufopfernde Integrationsarbeit inzwischen das Bundesverdienstkreuz erhalten hat.

Zwei Männer in Schutzkleidung unterhalten sich auf einer Baustelle mit einer Frau, die einen Helm trägt.
Huong Trute von Interkulturellen Netzwerk hilft den Azubis unter anderem bei Behördengängen. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Ziel: Nach der Ausbildung im Harz bleiben

"Aber letztlich haben wir es in der Hand", fügt Marko Müller hinzu. "Wenn wir es schaffen, allen dreien ein vernünftiges Zuhause zu geben, dass sie sich hier wohlfühlen bei uns in Deutschland, besteht auch eine große Chance, dass sie hierbleiben." Denn das vorrangige Ziel sei ganz klar das Danach, so der Industriebau Wernigerode-Chef. "Wir haben den Dreien beispielsweise eine Wohnung organisiert, weil es insbesondere für junge Menschen aus dem Ausland recht schwierig ist, sich hier zurechtzufinden", so Marko Müller.

Doch wie sehen es die vietnamesischen Azubis? Möchten sie nach ihrer Berufsausbildung überhaupt in Deutschland bleiben? Für Dat sei die Berufsausbildung zum Stahlbetonbauer ein erster Baustein Richtung Zukunft. "Mit meinem erworbenen Wissen möchte ich vielleicht eine Weiterbildung zum Vorarbeiter machen und hierbleiben." Auch sein Kollege Luong sieht sich für ein paar Jahre in Deutschland. Aber seinen Schatz an gesammelten Erfahrungen betrachtet er schließlich als Sprungbrett zurück in seine Heimat. Perspektivisch möchte Luong "nach Vietnam zurückkehren und vielleicht mein eigenes Unternehmen gründen." Und der Dritte im Bunde, Tien, baut langfristig auf ein Leben in Deutschland. Ebenso wie sein Kollege und Freund, Dat, könne er sich nach erfolgreichen Lehrjahren "auch eine anschließende Weiterbildung vorstellen."

Portrait eines Mannes in Schutzkleidung auf einer Baustelle
Ausbilder Ulf Hardam hofft, dass die Fachkräfte nach ihrem Abschluss in Wenigerode bleiben. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Vietnamesische Azubis fühlen sich wohl in Deutschland

Der Winter in unseren Breiten scheint sie erstaunlicherweise nicht abzuschrecken. Tropisches Klima gewohnt, mag Dat unseren europäischen Winter. "Besonders wenn es schneit – alles in weiß – das ist großartig." Und Tien sieht die derzeit frostige Kälte in Deutschland ganz pragmatisch. Denn "hier muss ich zum Schlafen nur eine Heizung einschalten", lächelt der junge Mann. Und Tien fügt hinzu: "Zu Hause ist es so heiß, da brauche ich gleichzeitig einen Ventilator und eine Klimaanlage."

Wenn die jungen Vietnamesen nach ihrer Berufsausbildung in Deutschland bleiben – vielleicht haben sie im Neubau in der Innenstadt von Aschersleben an ihren eigenen vier Wänden mitgebaut.

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MDR (Swen Wudtke, Fabienne von der Eltz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. Januar 2025 | 19:00 Uhr

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