Eine kleine violett beleuchtete Konzertbühne mit vier Musikern: einem Sänger am Mikrofon, einem Gitarristen, einem Bassisten und einem Schlagzeuger. 4 min
Beatsteaks auf der Bühne Bildrechte: MDR/Saskia Affolter
4 min

Normalerweise füllen die Beatsteaks Stadien. Am Dienstag sind sie vor 120 Menschen im Zora in Halberstadt aufgetreten, als Teil einer Tour durch Jugendzentren. Die Band will so ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen.

MDR KULTUR - Das Radio Do 06.06.2024 07:40Uhr 03:55 min

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Punkrock Gegen Rechtsextremismus: Beatsteaks spielen in autonomen Jugendzentren

05. Juni 2024, 16:24 Uhr

Sonst füllen die Beatsteaks Stadien. Am Dienstag ist die Punkrock-Band vor etwa 120 Menschen in Halberstadt im Harz aufgetreten – im autonomen Jugendzentrum (AJZ) Zora. Der Auftritt ist Teil einer diese Woche gestarteten "AJZ-Tour". Damit will die Band nach eigenen Angaben ein Zeichen setzen gegen wachsenden Rechtspopulismus und -extremismus – und zwar an Orten, die am stärksten davon betroffen seien. Es folgen weitere Auftritte unter anderem in Chemnitz, Erfurt, Nordhausen, Bautzen und Görlitz.

"Wollen wir zusammen heute das Konzert des Jahres haben oder nur so ein bisschen gucken?", ruft Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß den rund 120 Menschen in der Halberstädter Zora zu. Applaus und Begeisterungsrufe schallen durch das in rot beleuchtete Gewölbe. "Also ich würde hier heute gern von der Bühne kriechen!", fügt er hinzu. Der Song "Automatic" erklingt, das Publikum beginnt zu tanzen, zu springen und singt lauthals mit.

Ein Mann mit einem Mikrofon steht auf einem Gerüst und hebt einen Arm in die Luft, vor ihm sein Publikum mit hunderten Menschen unter freiem Himmel
Die Beatsteaks spielen normalerweise vor vielen tausend Menschen wie hier beim Highfield-Festival 2014. Nun touren sie durch kleine Jugendzentren. Bildrechte: MDR JUMP/Marco Prosch

Die Beatsteaks zählen zu Deutschlands bekanntesten Punkrockbands. Im Sommer spielen sie unter anderem in der Berliner Wuhlheide und im Kölner Palladium – Locations, in die viele Tausend Menschen passen. Entsprechend groß war die Überraschung der Fans, als die Beatsteaks vor drei Wochen eine weitere Tour ankündigten – die "AJZ-Tour".

Dabei treten die Beatsteaks bis zum 20. Juni in insgesamt zwölf autonomen Jugendzentren auf, jeweils vor wenigen hundert Menschen. Und sie treten nicht in Berlin, Köln und München auf, sondern in Chemnitz, Erfurt, Roßwein, Halberstadt, Nordhausen und Bautzen.

AJZ-Tour als Zeichen gegen Rechtsextremismus

Wie es dazu kam, erklärte Bassist Torsten Scholz MDR KULTUR vor dem Konzert in Halberstadt: "Wir haben letztes Jahr auf der Fusion gestanden und ein Festival gespielt, was ganz toll war. Und die Fusion ist ja auch so ein sehr autonomes und alternatives Ding." Das habe die Band zum Nachdenken angeregt – und sie letztendlich auf die Idee gebracht, durch autonome Jugendzentren zu touren.

Blick in Fischaugenoptik durch einen dunklen Clubraum über die Schatten des Publikums hinweg nach vorne auf die beleuchtete Bühne, auf der eine Rockband spielt
Gerade mal 120 Gäste konnten am Dienstag den Auftritt der Beatsteaks in Halberstadt verfolgen. Bildrechte: MDR/Saskia Affolter

"Und wir haben uns dann AJZs rausgesucht, wo der Gegenwind besonders doll ist", so Scholz weiter. "In manchen Ecken, wie leider hier ja auch, weiß man ja, dass ein linkes, autonomes Jugendzentrum nicht von allen mit offenen Armen empfangen wird."

Autonome Jugendzentren sind wichtige Kulturorte

Autonome Jugendzentren spielen aus Sicht der Band eine große Rolle in der Kulturlandschaft, besonders für junge Menschen. "Das ist ein Ort, an den man sich zurückziehen kann und wo man Kultur konsumieren kann, was man ja in strukturschwachen Gebieten wie hier sonst eher selten hat", sagte Beatsteaks-Gitarrist Bernd Kurtzke MDR KULTUR.

"Diese Orte brauchen Unterstützung, insbesondere nach Corona. Die Leute da draußen müssen auch wissen, dass sie hier sind und dass es eine Möglichkeit ist, wo man hingehen kann. Und wenn wir da unseren Beitrag leisten können, werden wir das gerne tun", so Kurtzke.

Anfrage der Beatsteaks überrascht Halberstädter Jugendzentrum

Im soziokulturellen Zentrum Zora in Halberstadt fand der erste Tourstopp in Mitteldeutschland statt. In der Zora spielen sonst lokale Bands, es gibt einen Theatertreff für Jugendliche oder Spielenachmittage. Bands mit nationaler Bekanntheit klopfen in Halberstadt eher selten an. "Wir konnten das erstmal nicht glauben, dass das wirklich eine Anfrage der Beatsteaks war. Wir waren total aus dem Häuschen, als sich dann herausgestellt hat: Das ist echt, das soll hier so passieren", sagte Zora-Geschäftsführer Robert Fietzke MDR KULTUR.

Ein Mann mit dunklen kurzen Haaren und Vollbart mit Brille steht in weißem Antifa-T-Shirt auf einem Felsen vor einer Meeresbucht
Robert Fietzke ist Geschäftsführer des autonomen Jugendzentrums Zora in Halberstadt. Bildrechte: Robert Fietzke

Zwar freut es Fietzke, dass die Zora in Halberstadt als Veranstaltungsort ausgewählt wurde, gleichzeitig sei es aber ein schlechtes Zeichen für die Region. "Sie kommen ja aus politischen Gründen, weil sie darauf aufmerksam machen wollen, dass es hier leider sehr viele extrem rechte Akteure gibt, sehr viel rechte Gewalt. Aber umso wichtiger ist es, dass die Beatsteaks ein Schlaglicht auf diese Orte werfen."

Dass es in der Region ein wachsendes Problem mit Rechtsextremismus gibt, belegt auch eine Statistik des Innenministeriums. Danach ist die Zahl rechtsmotivierter Straftaten in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr um gut zehn Prozent gestiegen.

"Ein Abend, der in die Geschichte der Zora eingehen wird"

Manche der Besucherinnen und Besucher in Halberstadt stehen schon am frühen Nachmittag vor der Zora-Tür, die um 19 Uhr öffnet. Einige der etwa 120 Gäste kommen an diesem Abend aus Berlin und Leipzig in den Harz angereist, um die Beatsteaks in intimer Club-Atmosphäre live zu erleben. Andere kommen aus Halberstadt und Umgebung und haben einen Großteil ihrer Jugend dort verbracht.

"Egal ob es die Metaler waren oder die Gruftimädchen – alle fanden die Beatsteaks cool und die liefen hier auch ständig", erinnert sich eine Besucherin, die in den 2000er-Jahren fast jeden Tag in der Zora war. "Und jetzt sind wir ein bisschen älter geworden und jetzt sind sie hier. Ich habe sie auch schon kennengelernt, sie sind super nett. Ich würde es gern meinem 15-jährigen Ich erzählen."

Menschen in einem Keller bei rotem Licht
Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß (Mitte) in der Zora in Halberstadt – ein Star zum Anfassen. Bildrechte: Saskia Affolter

Zwei Stunden lang spielen die Beatsteaks an diesem Abend in Halberstadt. Das Publikum tanzt und jubelt durchgehend, Frontsänger Arnim Teutoburg-Weiß geht immer wieder von der Bühne in die Menge. Am Ende des Abends hat er so gut wie jede Person im Gewölbe einmal persönlich angesungen. Bis vier Uhr morgens wird in der Zora noch gefeiert. "Ein Abend, der in die Geschichte der Zora eingehen wird", so ein Besucher während des Konzerts.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur Kompakt | 05. Juni 2024 | 07:30 Uhr

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