Problem für die Feuerwehr Löschwasser: 90 Prozent der Gemeinden stellen Mangel fest
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Von Katharina Forstmair und Tom Gräbe, MDR SACHSEN-ANHALT
30. November 2023, 05:00 Uhr
Nur acht Gemeinden in Sachsen-Anhalt haben genug Löschwasser. In den restlichen 90 Prozent kann die Feuerwehr bei Bränden in Schwierigkeiten kommen. MDR Data hat sich für alle Kommunen angeschaut, wie Brandschutzexperten die Lage vor Ort einschätzen und was das für die Gemeinden bedeutet.
- Gutachter stellen fest: In neun von zehn Gemeinden gibt es nicht genug Löschwasser.
- In vielen Gemeinden sind die Analysen der Versorgungslage veraltet.
- Die andauernde Dürre sorgt unter anderem für Probleme mit dem Löschwasser.
Nur 8 von 106 Gemeinden haben genug Löschwasser
In über 90 Prozent der Gemeinden und Städte in Sachsen-Anhalt gibt es nicht genug Löschwasser. Das geht aus Risikoanalysen der Gemeinden hervor, in denen externe Gutachter die Versorgung mit Löschwasser einschätzen.
Den Analysen zufolge besteht in rund 75 Prozent der Gemeinden Handlungsbedarf, in 15 Prozent sogar dringender Handlungsbedarf. Lediglich acht Gemeinden (7,6 Prozent) gebe es keinen Handlungsbedarf. In zwei Gemeinden (1,9 Prozent) gibt es dazu keine Einschätzung.
Was bedeutet (dringender) Handlungsbedarf?
In Sachsen-Anhalt sind die Kommunen für die Versorgung mit Löschwasser zuständig. Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, wie viel Löschwasser es in einer Gemeinde geben muss. Deshalb braucht es Experten, die vor Ort individuell einschätzen, ob die Gemeinde gut versorgt ist oder ob Mängel bestehen. Wenn eine Gemeinde die Löschwasserversorgung verbessern muss, wird das schriftlich in der Risikoanalyse festgehalten. Die Karte zeigt diese Einschätzungen. "Dringender Handlungsbedarf" wurde nur dann auf der Karte markiert, wenn das explizit aus der Risikoanalyse hervorgeht.
Weitere 16 Gemeinden haben die Zusendung der Risikoanalyse verweigert oder nicht auf Anfragen geantwortet. Diese fließen nicht in die Berechnung ein. Die verfügbaren Analysen sind teilweise mehrere Jahre alt. Aktuellere Angaben aus den Städten und Gemeinden liegen jedoch nicht vor.
Teilweise sind die Risikoanalysen frei im Internet verfügbar. Wir haben die entsprechenden Dokumente in den Hinweisfenstern verlinkt. Bewegen Sie die Maus über die Karte, um Hinweisfenster anzuzeigen! In einigen Fällen müssen Sie die Risikoanalyse erst im Bürger- oder Ratsinformationssystem der Gemeinde suchen. Nutzen Sie dafür die Recherche-Funktion und suchen Sie im jeweiligen Jahr nach dem Stichwort "Risikoanalyse".
Feuerwehr meldet Probleme bei Brand in Aschersleben
Immer wieder wird die Löschwasserversorgung zum Problem für Feuerwehren vor Ort. Im Juli berichtete MDR SACHSEN-ANHALT über einen Brand in Westdorf, einem Ortsteil von Aschersleben. Die Feuerwehr hatte Schwierigkeiten, die Flammen zu löschen. Es sei zu wenig Löschwasser vorhanden gewesen, weil zu wenig Druck auf den Hydranten lag.
Seitdem wird in Aschersleben über die Probleme mit dem Löschwasser und die Sicherheit der Einwohner diskutiert. Denn die Gemeinden sind in Sachsen-Anhalt gesetzlich dazu verpflichtet, für eine ausreichende Löschwasserversorgung zu sorgen.
Kommunen verstoßen gegen ihre Pflichten
Um den Brandschutzbedarf einer Gemeinde zu ermitteln, müssen die Gemeinden sogenannte Risikoanalysen aufstellen. Laut der Verordnung über die Mindeststärke und -ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehren ist die Risikoanalyse "regelmäßig zu überprüfen und anlassbezogen fortzuschreiben".
"Die Kommunen sind gehalten, die Risikoanalyse spätestens alle fünf Jahre zu aktualisieren", sagt Peter Schmiedtchen. Er ist Brandschutzexperte und Professor für Gefahrenabwehr an der Hochschule Magdeburg-Stendal. "Das heißt, eine Gemeinde, die 2013 ihre letzte Risikoanalyse aufgestellt hat, hat gegen ihre Pflicht verstoßen."
Ob die Löschwasserversorgung seitdem besser oder schlechter geworden ist, sei Spekulation. Eine Vermutung will der Experte dazu nicht abgeben. Aber: "Es überwiegt durchweg die Einschätzung, dass Handlungsbedarf besteht. Das sehe ich in ihrer Analyse. Und das kann ich nur unterstützen."
Keine gesetzlichen Vorgaben zur Löschwassermenge
"Es bestehen Defizite bei der Abdeckung durch Hydranten und Löschwasserentnahmestellen", heißt es in der Analyse der Gemeinde Huy. In Zahna-Elster: "Der Ausbau von Löschwasserentnahmestellen ist angesichts der prozentualen Nichtabdeckung zwingend auszubessern." Von "extremen Fehlbedarfen" ist in Tangermünde die Rede.
Es ist nicht gesetzlich festgelegt, wie viel Löschwasser als ausreichend gilt. Die Risikoanalysen verwenden deshalb ein Arbeitsblatt des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) als Maßstab. Vorrangig geht es dabei um die Hydranten der Trinkwasserversorger. Wo es nicht genug Hydranten gibt, müssen Löschwasserteiche, -brunnen, Zisternen oder andere Wasserquellen verwendet werden.
Das Arbeitsblatt des DVGW beziehe sich allerdings nur auf eine ganz bestimmte Art von Brandereignis, so Schmiedtchen. Bei größeren Bränden brauche es sogar noch mehr Löschwasser.
Gleichzeitig gibt es laut der Norm mancherorts Defizite, die in der Realität jedoch ausgeglichen werden können. Das geht aus den Einschätzungen von Brandschutzexperten in den Risikoanalysen hervor.
In Dessau-Roßlau beispielsweise gibt es in den betroffenen Ortsteilen zusätzlich Einsatzfahrzeuge mit Löschwassertanks. Ortsabhängige Voraussetzungen und Bedingungen fließen immer mit in die Analysen ein. Die Gutachter haben viel Spielraum bei der Beurteilung.
Dürre sorgt für Schwierigkeiten mit Löschwasser
Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum es vielerorts an Löschwasser mangelt. Zum Großteil bedienen sich die Feuerwehren aus dem Hydrantennetz der Trinkwasserversorger. Deren Fokus liegt natürlich nicht auf der Versorgung mit Löschwasser. Stattdessen müssen sie sich an hygienische Vorgaben für Trinkwasser halten. Und wollen Geld sparen. Deshalb werden Leitungen teilweise verkleinert. Das sorgt für einen zu geringen Wasserdruck, wenn die Feuerwehr tatsächlich damit löschen muss.
Außerdem spiele der Klimawandel eine Rolle, erklärt Brandschutzexperte Schmiedtchen. "Der Grundwasserspiegel ist gesunken. Viele öffentliche Gewässer stehen nicht mehr in dem Maße zur Verfügung."
Das geht auch aus einigen Risikoanalysen hervor. In Wettin-Löbejün heißt es beispielsweise: "Bedingt durch die Trockenheit der vergangenen Jahre wird es eine Herausforderung sein, die dauerhafte Entnahme von Löschwasser aus Brunnen und Löschwasserteichen sicher zu stellen."
Eine Verbesserung ist teuer für die Kommunen
Mancherorts weiß man nicht, wie es überhaupt um die Versorgung mit Löschwasser bestellt ist. Kommunen verweisen darauf, dass der Hydrantendruck nur den Trinkwasserversorgern bekannt ist. Oder die Löschwasserkonzepte sind seit Jahren nicht mehr aktualisiert worden.
Die Kommunen können sich ihrer Verantwortung nicht entziehen.
In anderen Gemeinden werden konkrete Maßnahmen gegen den Löschwassermangel vorgeschlagen. Es werden beispielsweise neue Zisternen geplant, Teiche entschlammt und Brunnen ertüchtigt. Manche Gemeinden weisen die Wasserversorger an, den Druck der Hydranten zu erhöhen. Andere Kommunen rüsten die Feuerwehr mit neuen Fahrzeugen und größeren Wassertanks aus.
Schmiedtchen weiß, was das für die Kommunen bedeutet: "Das kostet natürlich Geld. Aber die Kommunen sind nunmal zuständig für die Aufstellung und den Erhalt einer leistungsfähigen Feuerwehr. Dieser Verantwortung können sie sich nicht entziehen."
Über die Daten
Nach dem Brandereignis in Aschersleber Ortsteil Westdorf haben wir eine Abfrage in den Gemeinden gestartet. Wir wollten wissen, in wie vielen Gemeinden und Städten in Sachsen-Anhalt es an Löschwasser für die Feuerwehr mangelt.
Was eine "ausreichende Löschwasserversorgung" ist, ist nicht gesetzlich festgelegt. In den Risikoanalysen der Gemeinden finden sich aber Einschätzungen dazu. Externe Gutachter stellen spezifisch für eine Gemeinde fest, ob der Bedarf an Löschwasser gedeckt ist oder ob die Abdeckung verbessert werden muss. Diese Einschätzungen haben wir ausgewertet.
Einige Risikoanalysen haben wir öffentlich zugänglich auf den Webseiten der Kommunen oder deren Rats- oder Bürgerinformationssystemen gefunden. An alle anderen Gemeinden haben wir Anfragen geschickt, teilweise mehrmals. 16 der 122 Einheits- und Verbandsgemeinden und kreisfreien Städte haben unsere Anfragen nie beantwortet oder uns die Auskunft verweigert.
MDR (Katharina Forstmair, Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. November 2023 | 19:00 Uhr
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