Sturz des Assad-Regimes Abschiebungen nach Syrien: Hitzige Debatte im Landtag

19. Dezember 2024, 09:31 Uhr

Wie geht Sachsen-Anhalt nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien mit den Geflüchteten um? Auf Bestreben der AfD diskutierten die Abgeordneten im Landtag am Mittwoch bereits über Abschiebungen. Die Debatte war hitzig und von verschiedenen Themen geprägt. Der AfD-Abgeordnete Tillschneider brachte sein Bedauern über den Sturz des syrischen Diktators zum Ausdruck.

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Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat auf Bestreben der AfD-Fraktion über die Abschiebung syrischer Flüchtlinge diskutiert. Während der Sturz des Assad-Regimes in Syrien von fast allen Fraktionen positiv bewertet wurde, drückte der AfD-Abgeordnete Tillschneider sein Bedauern aus. "Unter Baschar al-Assad herrschten Frieden, Freiheit und Wohlstand", rief er während der Debatte in den Raum. Schnell entwickelte sich eine hitzige Debatte.

AfD fordert Abschiebungen nach Syrien

"Menschen, die unsere Kultur mit den Füßen treten, Herr Striegel, so wie Sie auch, die gehören abgeschoben", sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Siegmund gleich zu Beginn seiner Rede. Seine Aussage in Richtung des Grünen-Politikers Sebastian Striegel blieb ohne Ordnungsruf durch den Landtagspräsidenten, sie setzte allerdings den Ton, der sich anschließend durch die gesamte Debatte zog.

Ulrich Siegmund steht am Rednerpult im Landtag von Sachsen-Anhalt.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Siegmund während seiner Rede. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Die AfD möchte nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien die Gunst der Stunde nutzen und geflüchtete Syrerinnen und Syrer nun schnellstmöglich abschieben. "Jeder Tag zählt, damit wir unser wunderschönes Deutschland wieder zu dem machen können, was einmal war", so Siegmund, der das Ganze sogleich mit einem Wahlaufruf für die AfD verband.

In der Debatte vermischten sich mehrere Themen, die auch bundespolitisch im Wahlkampf eine Rolle spielen: Migration, Bürgergeld, Fachkräftemangel. Wer soll in Deutschland bleiben? Wer leistet welchen Beitrag?

Kosmehl: Siegmund hat Sellner gut zugehört

Der FDP-Innenpolitiker Guido Kosmehl kritisierte Siegmund dafür scharf. "Sie haben Herrn Sellner gut zugehört", sagte er in seiner Rede. Damit spielte Kosmehl auf ein Treffen von Rechtsextremisten im November 2023 in Potsdam an, auf dem Pläne für massenhafte Abschiebungen besprochen worden sein sollen. Teilnehmer des Treffens waren unter anderem Siegmund und der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner.

Kosmehl betonte, niemand könne aktuell eine verlässliche Einschätzung der Lage in Syrien geben. Deshalb sei auch die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) richtig, die Prüfung von Asylanträgen vorerst auszusetzen. Er warb jedoch dafür, den integrierten Syrern die Möglichkeit zu geben, auch zukünftig legal in Deutschland bleiben zu können.

Kritik auch an CDU und Ampel-Regierung

Als Wulf Gallert für die Linke ans Rednerpult trat, galt seine Kritik nicht nur der AfD-Position. Siegmunds Rede sei von CDU und Ampel geschrieben worden, sagte Gallert. Er begründete seine Aussage mit Zitaten des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) und des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Letzterer habe zuletzt wie Siegmund an diesem Tag argumentiert. "Und dann wundern Sie sich hier im Haus, dass Herr Siegmund Sie damit konfrontiert", so Gallert in Richtung der Fraktionen.

Wulf Gallert steht an einem Rednerpult.
Gallert (Linke) macht CDU und Ampel-Regierung für die AfD-Rede verantwortlich. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Ähnlich äußerte sich auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann. Sie habe von der AfD nichts Anderes erwartet. Was sie aber überrascht habe: wie Jens Spahn und Friedrich Merz (beide CDU) "in dieser historischen Stunde des Glücks" direkt sagten, jetzt könnten alle Syrer wieder zurück. Lüddemann: "Das ist einer christlichen Partei absolut unangemessen." Ihr mache es Angst, solche Sätze von einem Kanzlerkandidaten zu hören.

Gemischte Stimmen aus der CDU

Der CDU-Abgeordnete Chris Schulenburg unterstrich mit seiner Rede die Linie des Kanzlerkandidaten Merz. Er forderte, die engmaschigen Grenzkontrollen an der deutschen und der europäischen Außengrenze beizubehalten. Und zur Zukunft der bereits hier lebenden Syrer erklärte Schulenburg: "Diejenigen, die wegen politischer Verfolgung durch das Assad-Regime einen Aufenthaltstitel erhalten haben und hier nicht für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen, die müssen unser Land auch wieder verlassen."

Chris Schulenburg im Landtag von Sachsen-Anhalt
CDU-Politiker Schulenburg will engmaschige Grenzkontrollen beibehalten. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) zeigte sich etwas zurückhaltender als ihr Parteikollege. Die Lage in Syrien sei unübersichtlich und es sei im Augenblick noch unklar, wie sich das Land in Zukunft entwickle. Aber: "Der Sturz des syrischen Diktators Assad ist für sehr viele Menschen ein Grund zur Freude. Es enden 13 Jahre Bürgerkrieg und es enden 54 Jahre Diktatur." Assad sei für den Tod von hunderttausenden Menschen und die Folterung von Gefangenen verantwortlich. "Er schreckte nicht einmal davor zurück, Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen", so Zieschang.

Durch den Sturz des Terror-Regimes bestehe nun für viele Syrer die Chance, in ihre Heimat zurückzukehren. Sachsen-Anhalt fördere bereits seit 2020 freiwillige Rückkehrer mit einer Starthilfe von 1.000 Euro und werde das auch weiterhin tun, so die Ministerin. Bis Oktober dieses Jahres sind nach Angaben Zieschangs 17 Syrer freiwillig ausgereist, zwei davon haben die Förderung in Anspruch genommen.

Tillschneider bedauert Sturz des Assad-Regimes

Einer konnte die Freude über den Sturz des Assad-Regimes in Syrien nicht teilen: Der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider. Er finde es unerträglich, wie der syrische Ex-Machthaber von den anderen Fraktionen verurteilt werde. "Unter Baschar al-Assad herrschten Frieden, Freiheit und Wohlstand", rief Tillschneider bei einer Intervention in den Raum. Er redete sich in Rage, ehe Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) ihn mit Verweis auf die Redezeit stoppte.

Hans-Thomas Tillschneider steht am Rednerpult im Landtag von Sachsen-Anhalt.
Der AfD-Abgeordnete Tillschneider bedauert den Sturz des Assad-Regimes. Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Tillschneider trat nach Abschluss der Debatte jedoch für eine persönliche Bemerkung noch einmal ans Rednerpult. Deutlich ruhiger erklärte er, er habe als Student Anfang der 2000er für ein Jahr bei einer christlichen Familie in Damaskus gelebt. Er habe dort Religionsfreiheit und Gleichberechtigung erlebt. "Das syrische Volk hat Baschar al-Assad und seinem Vater viel zu verdanken", betonte Tillschneider.

Als Assads Regierung von der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt wurde, floh der Ex-Machthaber nach Russland. Tillschneider sagte dazu, er hoffe, dass sich Assad in Moskau nun "dem Zugriff der brutalen Islamisten" entziehen könne. Zu den Opfern des Assad-Regimes oder zu den Bildern aus dem syrischen Militärgefängnis Saidnaja äußerte er sich nicht.

MDR (Engin Haupt)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 18. Dezember 2024 | 12:00 Uhr

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