Patronen gegen Kopfschmerzen Empörung über CDU-Politiker: Polizei ermittelt gegen Landtagsabgeordneten Räuscher
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27. Oktober 2024, 12:27 Uhr
Der CDU-Abgeordnete Alexander Räuscher hat auf "X" ein Foto von Munition gepostet – als Antwort auf einen Post des Grünen-Politikers Christian Franke-Langmach. Der hatte zuvor über Kopfschmerzen geklagt. Der Vorwurf: Das Bild könne in einem Büro des Landtags in Sachsen-Anhalt aufgenommen worden sein. Das CDU-Mitglied ist von seiner Position als Jagd- und Wolfs-politischer Sprecher zurückgetreten. Ihm drohen mehrere Verfahren.
- Nach dem umstrittenen Posting hat der Landtagsabgeordnete seine Funktion als jagd- und wolfs-politischer Sprecher der CDU-Fraktion abgegeben.
- Die zuständige Waffenbehörde Harz prüft, ob Räuscher die waffen-rechtliche Erlaubnis entzogen wird.
- Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.
Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat der CDU-Abgeordnete Alexander Räuscher mit einem Beitrag auf "X" (vormals Twitter) für Aufsehen gesorgt. Er hatte am Donnerstag auf einen Beitrag des Grünen-Politikers Christian Franke-Langmach reagiert. Dieser hatte scherzhaft beklagt, Kopfschmerzen von Räuschers Inhalten zu bekommen. Als Lösung für die Kopfschmerzen schrieb Räuscher, der selbst Jäger und Waffenbesitzer ist: "Ich bin Konservativer, entsprechend die Behandlungsmethoden zur Auswahl". Dazu postete er ein Foto, auf dem drei Patronen, eine Euro-Münze und ein Tablettenblister zu sehen waren. Inzwischen ist der X-Beitrag nicht mehr abrufbar.
Andere Mitglieder des Landtages äußerten die Vermutung, das Foto könnte in Räuschers Büro im Parlament aufgenommen worden sein. Farbe und Maserung des Tisches, auf dem die Munition lag, passe zu den Tischen in den Büros der Abgeordneten.
Landtagsverwaltung besichtigt Räuschers Büro
Wie der Landtag MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte, zeigte Räuscher dem Landtagspräsidenten sowie dem Leiter des Objektschutzes daraufhin freiwillig sein Büro und versicherte, weder Waffen noch Munition im Landtagsgebäude zu haben. Es habe sich dabei explizit nicht um eine Durchsuchung gehandelt, so der Landtag.
Bevor anwesende Journalisten Räuscher selbst dazu befragen konnten, verschwand dieser am Donnerstagabend um kurz nach 18:00 Uhr im Büro seines CDU-Kollegen Ulrich Thomas. Zu diesem Zeitpunkt fanden im Plenarsaal noch die letzten Debatten des Tages statt. Erst gegen 19:45 Uhr, einige Minuten nachdem die Sitzung im Plenarsaal beendet war, verließ Räuscher schließlich das Büro seines CDU-Kollegen. Zu den Vorwürfen äußerte er sich nicht. Angekommen an seiner eigenen Büro-Tür sagte er – angesprochen auf die Munition auf seinem Schreibtisch – nur: "Sie verbreiten Fake News." Dann ließ er die Tür ins Schloss fallen.
Schellenberger missbilligt die "Grenzüberschreitung"
Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) kritisierte im Rahmen der Landtagssitzung Räuschers Äußerung. "Ich sehe den Tweet von Herrn Räuscher als mit der Würde und dem Ansehen des Landtages von Sachsen-Anhalt nicht vereinbar und missbillige diese Grenzüberschreitung", so Schellenberger.
Räuscher gibt Funktion ab, bleibt aber in der CDU-Fraktion
Als Konsequenz gibt Räuscher seine Funktion als Jagd- und Wolfs-politischer Sprecher ab, bleibt aber Mitglied der CDU-Fraktion im Landtag. Räuschers Einlassungen seien unentschuldbar, sagte Fraktionschef Guido Heuer nach einer Sondersitzung am Freitag. "Es ist eine nicht zu tolerierende Entgleisung." Räuscher habe Reue gezeigt, "insofern ist das mit den Rücktritten für die Fraktion erledigt", sagte Heuer. Räuscher werde vorläufig auf Social Media verzichten, so Heuer weiter. Ein Ausschluss Räuschers aus der Fraktion habe nicht zur Debatte gestanden.
Waffenbehörde im Harz eröffnet Verfahren
Die zuständige Waffenbehörde des Landkreises Harz, aus dem der CDU-Politiker kommt, prüft derzeit, ob Räuscher die waffen-rechtliche Erlaubnis entzogen wird. "Das Verfahren haben wir heute Morgen begonnen", sagte Landrat Thomas Balcerowski (CDU) am Freitag. Dem Abgeordneten wurde ein Schreiben zugestellt, welches ihn zur Beantwortung offener Fragen bis Ende nächster Woche auffordert.
Ein Waffen-Experte mutmaßte gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT, dass es sich bei der Munition um Kugeln für eine besonders bei Jägern beliebte Waffe vom Typ Makarow handeln könnte. Diese kam als Dienstwaffe der DDR-Polizei und auch in der Nachwendezeit noch zum Einsatz.
Grünen-Politiker Franke-Langmach erstattet Anzeige, Polizei ermittelt
Inzwischen liegt auch eine Anzeige gegen Räuscher vor. Das bestätigte ein Sprecher der Polizeiinspektion Magdeburg am Freitag: "Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen."
Der Grünen-Politiker Christian Franke-Langmach hatte am Donnerstagabend mitgeteilt, er habe den Vorfall bei den zuständigen Behörden zur Anzeige gebracht. "Hass gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen zu schüren oder diese Gruppe als 'verfassungsfeindlich' darzustellen, wie Herr Räuscher es mehrfach auf die Grünen bezogen getan hat, kann als volksverhetzend gewertet werden", ist in seinem Statement zu lesen, das er auf "X" veröffentlicht hat.
Der Aufruf zu oder die Andeutung von Gewalt würden selbst in hitzigen Diskussionen Grenzen überschreiten, so Franke-Langmach. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum.
Lüddemann: "erschreckender Tiefpunkt"
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Cornelia Lüddemann, schrieb zu dem Vorfall: "Patronen als 'Lösung' gegen Kopfschmerzen unseres ehemaligen Landesvorsitzenden anzubieten, markiert einen neuen, erschreckenden Tiefpunkt." Räuscher sei weder befähigt noch vertrauenswürdig genug, eine Waffe zu führen, so die Politikerin. Daher fordere sie die zuständige Waffenbehörde auf, ihm die Erlaubnis zum Waffenbesitz unverzüglich zu entziehen.
Das Posting von Räuscher hat eine Debatte über die Sicherheit im Landtag ausgelöst. Mehrere Abgeordnete haben sich dafür ausgesprochen, das Sicherheitskonzept zu überarbeiten.
CDU-Mann fiel schon früher auf
Bereits in der Vergangenheit fiel Alexander Räuscher durch Äußerungen auf der Plattform "X" auf. "Sozial wäre, wenn alle 'Faulen' knallhart aussortiert werden, um nur echt Bedürftigen zu helfen", schrieb er beispielsweise im Juli 2023. Im Februar dieses Jahres unterstellte er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dieser könnte ein "Maulwurf Putins" sein. "Herr Olaf Scholz hat als Juso intensive Kontakte zur SED und dem Sozialismus gesucht und gefunden. Aus solchen Anbiederungen rekrutierte man bei der Stasi & Co gerne Maulwürfe. Habe keine Beweise, würde mich aber nicht wundern", postete er.
Nach einem "Spiegel"-Interview, in dem er die Partei der Grünen faktisch mit der AfD gleichsetzte und forderte, diese ebenfalls vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, schloss ihn seine Gemeinderats-Fraktion in Osterwieck im Landkreis Harz aus. Im August gab er sein Kommunalwahl-Mandat auf.
MDR (Lars Frohmüller, Engin Haupt, Cynthia Seidel), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. Oktober 2024 | 19:00 Uhr